Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman. Friederike von Buchner

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Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman - Friederike von Buchner


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schwieg. Sie schauten sich jetzt an.

      »Ich will eine gute Journalistin werden, Florian. Da lernt man sehr früh, dass man nur die richtigen Antworten bekommt, wenn man die entsprechenden Fragen stellt. Wer, wo, wann, wie, weshalb, warum, wozu, weswegen …, und so weiter und so weiter. Wenn du alleine nicht weiterkommst, dann gibt es vielleicht jemanden, den du fragen kannst?«

      »Hast du als Reporterin keine Angst, du könntest mit deinen Fragen etwas auslösen?«

      »Das kommt darauf an. Das ist ganz unterschiedlich. Gibt es jemand, mit dem du reden könntest? Kann dir jemand deine Fragen beantworten?«

      »Ja, es gibt jemanden! Es ist ein Mann! Ich weiß allerdings nicht, ob er etwas weiß. Vielleicht ahnt er nicht einmal etwas! Würde ich mit meinen Fragen Wunden aufreißen?«

      Saskia schaute Florian in die Augen.

      »Es handelt sich dabei um deinen Vater, stimmt es?«

      »Ja, wie bist du darauf gekommen?«

      »In Waldkogel erzählt man, dass du nach dem Tode deiner Mutter fortgegangen bist. Der Einzige, den du noch in Waldkogel hattest, war dein Vater. Also muss es etwas mit ihm zu tun haben.«

      Saskia sah, dass Jochen schluckte. Sie sah, dass er sehr bewegt war. Sie holt aus ihrem Rucksack eine Flasche Wasser und reichte sie ihm. Er trank.

      »Saskia, du bist nicht aus Waldkogel. Wenn ich dir alles sage, kann ich mich dann darauf verlassen, dass du es hier niemanden erzählst? Bitte kein Wort zu Toni und Anna oder sonst jemanden!«

      »Du hast mein Wort! Bei allem, was mir heilig ist, Florian!«

      Sie sah ihm in die Augen und las dort die Seelennot, die ihn bedrückte.

      »Ich habe noch niemals mit jemandem darüber gesprochen. Saskia, ich nehme an, dass Hubertus Basler nicht mein Vater ist.«

      Saskia sah ihn überrascht an. In Gedanken verglich sie Florians Aussehen mit dem seines Vaters. Florian trank wieder einen Schluck.

      »Es war in der Nacht, als meine Mutter starb. Sie war schwer krank. Es war eine schlimme Nacht. Es blitzte und donnerte. Niemals wieder habe ich ein solches Unwetter erlebt. Mein Vater war auf der Basler-Alm. Er war am Abend hinaufgegangen und wollte das Vieh zusammentreiben, und in das dichte Wäldchen bringen bei der ›Wolfsgrub‹. Der Fels hängt oben weit über. Dort im Wäldchen ist das Vieh geschützt. Damals hatten wir auch nur zwanzig Milchkühe. Vater kam aber nicht zurück. Er rechnete nicht damit, dass sie in dieser Nacht sterben würde. Das Unwetter war schlimm. Ich war mit der Mutter alleine. Den Pfarrer konnte ich auch nicht holen. Aber das war nicht so schlimm, er hatte ihr schon vor Tagen die letzte Ölung gegeben. Ich saß an ihrem Bett. Sie wurde schwächer und schwächer. Mit letzter Kraft versuchte sie mir etwas zu sagen. Sie sprach nur sehr undeutlich. Vieles musste ich ergänzen. Es hat etwas mit Jochen zu tun. Jochen war ein Bruder meines Vaters. Er kam am Berg ums Leben, da war ich zwei Jahre alt. Ich heiße auch mit zweitem Namen Jochen.«

      »Du vermutest, dass dieser Jochen dein Vater ist?«

      »Ja!«

      »Warum hast du mit deinem Vater nicht darüber gesprochen?«

      »Was ist, wenn er es nicht weiß? Dann tue ich ihm nur weh.«

      »Vielleicht irrst du dich, Florian! Deine Mutter stand bestimmt unter starken Schmerzmitteln. Sie hat vielleicht fantasiert?«

      »Sie bekam starke Schmerzmittel, aber verwirrt erschien sie mir nicht. Außerdem war es schlimm, dass Mutter in dieser Nacht starb. Den ganzen Tag hingen schwarze Wolken über dem ›Höllentor‹ und nachts kam das Unwetter. Weißt du, was man sich hier in Waldkogel erzählt, wenn über dem Gipfel des ›Höllentors‹ schwarze Wolken stehen?«

      »Ja, das weiß ich! Das hat dich auch verunsichert, Florian?«

      Er blieb ihr die Antwort schuldig.

      Saskia rutschte auf der Bank neben ihn. Sie legte ihre Hand auf die seine, mit der er sich an der Sitzfläche festhielt, als suche er einen Halt.

      »Florian! Es spielt keine Rolle, wer dein Vater ist, jedenfalls im Sinn von Erzeuger. Hubertus Basler ist ein Mensch, den man gleich ins Herz schließt. Ich habe in der kurzen Zeit bei euch auf der Basler-Alm erkannt, dass er dich liebt. Wenn er es weiß, dann macht es für ihn keinen Unterschied. Viel schlimmer ist, dass du so verschlossen bist und wegläufst. Darunter leidet er sehr.«

      »Du bist nicht entsetzt, dass ich aus so unklaren Verhältnissen stamme?«

      »Mich kümmern deine Verhältnisse nicht, Florian. Als ich dich zum ersten Mal gesehen habe, da wusste ich nichts über dich, die Verhältnisse, deinen Vater, deine Mutter. Ich sah nur dich an. Ich sah deine schönen blauen Augen und war wie verzaubert. Ein Blick genügte mir, und meine Welt geriet aus den Fugen.«

      Florian schaut Saskia zärtlich an.

      »So ging es mir doch auch! Doch dann dachte ich, wenn es rauskommt, dann leidest du und die nächste Generation. Nach der Beerdigung damals dachte ich plötzlich, alle wissen es. Alle sehen mich so sonderbar an. Vater sprach nicht mit mir. Er kapselte sich ab.«

      »Florian, er trauerte!«

      »Ja, so wird es gewesen sein! Ich hielt es einfach nicht mehr aus. Ich ging fort! Ich war so alleine in meiner Trauer, meinem Schmerz, der Wut und Verzweiflung und dieser schrecklichen Ungewissheit.«

      »Schade, dass wir uns damals nicht kennengelernt haben. Ich hätte dir beigestanden.«

      Florian nahm Saskias Hände. Sie schauten sich an.

      »Saskia, seit ich dich beim Brunnen gesehen habe, wünsche ich mir nichts sehnlicher, als dass du bei mir bist. Ich war so dumm! Weißt du, damals sagte ich mir, dass es das Beste wäre, wenn ich niemals wieder etwas mit Waldkogel zu tun hätte. Ich schwor mir, nur jemanden zu heiraten, der nichts mit Waldkogel zu tun hat. Nur so, dachte ich, kann ich dem Schatten entgehen, der auf meiner Herkunft liegt.«

      »Du bist aber wieder nach Waldkogel gekommen.«

      »Ja, das Heimweh trieb mich her. Dann sah ich, wie sich Hubertus quälte. Er hatte sich, den Hof, das Leben aufgegeben. Da packte ich zu. Ich gab ihm Geld. Der Hof wurde renoviert. Er kaufte eine Herde Pinzgauer und stieg in die Rindermast ein. Ich versprach den Sommer über zu bleiben. Ich mied es aber, ins Dorf zu gehen. Ich wollte niemanden sehen, mit niemanden reden.«

      »Ich verstehe dich! Wo bist du damals hin? Was hast du all die Jahre gemacht?«

      »Ich bin Rinderzüchter in Argentinien. Dort half ich einem Mann eine Rinderzucht aufbauen. Er hatte nur einen tüchtigen Vorarbeiter gesucht. Er war schon älter. Seine Frau war tot, genau wie meine Mutter. Er hatte keine Kinder. Irgendwann vor fünf Jahren überschrieb er mir die Ranch gegen eine Leibrente und ein lebenslanges Wohnrecht. Er ist im Winter gestorben. Ich musste ihm versprechen, etwas gegen mein Heimweh zu tun. Deshalb bin ich hier. Hubertus weiß nicht, dass ich es zu einem großen Rinderbaron gebracht habe. Wir redeten nicht darüber.«

      »Sonderbar? Hat er dich nicht gefragt, woher du das viele Geld hast?«

      »Ich sagte, er solle nicht fragen! Im Herbst, wenn wir die ersten Erfolge haben mit den Kühen, dann wollte ich es ihm sagen.«

      »Ihr seid mir zwei sonderbare Burschen! Ihr stellt keine Fragen, lebt einfach so nebeneinander her.«

      Florian schmunzelte.

      »Leben konnte man das ja wohl nicht nennen, so wie die Almhütte aussah.«

      »Männerwirtschaft schrecklichster Ausprägung!«

      Florian hielt noch immer Saskias Hände fest. Er schaute ihr in die Augen.

      »Saskia, ich liebe dich!«, flüsterte er leise.

      »Florian, ich liebe dich«, hauchte Saskia.

      Und endlich, endlich fanden sich ihre Lippen zu leidenschaftlichen Küssen, nach denen sie sich beide so lange gesehnt hatten.

      Sie


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