Die Eroberung von Plassans. Emile Zola

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Die Eroberung von Plassans - Emile Zola


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      Octave wollte sprechen, aber ein Blick auf seine Schwester hieß ihn schweigen. Er pfiff leise vor sich hin, sah auf die Bäume der Präfektur hinüber und betrachtete dann aufmerksam die Apfelbäume des Herrn Rastoil, hinter denen soeben die Sonne unterging. Serge zog ein Buch aus der Tasche und las aufmerksam darin, so daß in dem fahlen Lichte, das sich allmählich auf die Terrasse herabsenkte, alle still waren. Martha arbeitete in dieser friedlichen Ruhe des Abends an ihrem Strumpfe weiter und blickte zeitweilig auf ihre Kinder.

      Verspätet sich denn heute jeder? sagte sie nach einigen Augenblicken. Es ist schon beinahe zehn Uhr und euer Vater ist noch nicht da ... Ich glaube, er ist auf Tulettes zu gegangen.

      Da ist es freilich nicht zu verwundern, erwiderte Octave ... die Bauern von Tulettes lassen ihn nicht sogleich fort, wenn sie ihn einmal haben ... Handelt es sich um einen Weinkauf?

      Ich weiß nicht, versetzte Martha. Ihr wißt, er spricht nicht gern von seinen Geschäften.

      Wieder wurde es in diesem Kreise still. In dem Speisezimmer, dessen Fenster auf die Terrasse zu geöffnet war, deckte soeben die alte Rosa den Tisch, wobei sie mit den Tellern und dem Eßzeug klapperte. Sie schien nicht gut gelaunt zu sein, denn bald stieß sie die Stühle mit den Füßen weiter, bald brummte sie vor sich hin, bald sah sie zur Haustüre hinaus« nach dem Präfekturplatz hinunter. Als sie einige Minuten so gewartet hatte, trat sie auf die Freitreppe hinaus und rief:

      Kommt Herr Mouret nicht zum Essen?

      O ja, Rosa, warten Sie nur! erwiderte Martha ruhig.

      So muß alles verbrennen. Es ist unrecht gehandelt! Wenn der Herr so lange wegbleiben will, sollte er es doch sagen ... Mir ist es freilich gleich, aber das Essen wird nicht zu genießen sein.

      Glaubst du, Rosa? sagte plötzlich jemand ruhig hinter ihr. Wir essen es aber doch.

      Mouret war heimgekehrt. Rosa drehte sich um und sah ihrem Herrn in das Gesicht, als wolle sie losbrechen; aber da sie dieser ruhig mit einem gewissen Zug spießbürgerlicher Schelmerei anblickte, fand sie gar keine Worte und ging hinaus. Mouret begab sich auf die Terrasse und ging daselbst eine Weile herum, ohne sich zu setzen; dann trat er auf Desirée zu, deren Wange er streichelte und die ihm zulächelte. Martha hatte zuerst aufgeblickt; als sie aber ihren Gatten sah, begann sie ihre Handarbeit in das Nähtischchen zu legen.

      Bist du nicht müde? fragte Octave mit einem Blick auf die staubbedeckten Schuhe des Vaters.

      O ja, ein wenig, erwiderte Mouret, ohne weiter ein Wort von dem langen Wege zu sagen, den er zu Fuße gemacht hatte.

      Plötzlich sah er inmitten des Gartens eine Hacke und einen Rechen liegen, die die Kinder dort mußten vergessen haben.

      Warum verwahrt man nicht die Geräte? rief er. Habe ich es nicht schon hundertmal gesagt? Wenn ein Regen kommt, rosten sie.

      Er ereiferte sich nicht weiter, sondern ging in den Garten, holte die Geräte und lehnte sie sorgsam an das kleine Treibhaus. Als er wieder auf die Terrasse hinaufging, sah er sich nach allen Seiten um, ob alles im Garten in Ordnung sei.

      Lernst du deine Aufgabe? fragte er Serge, der noch immer in seinem Buche las.

      Nein, lieber Vater, erwiderte das Kind. Es ist ein Buch, das mir der Abbé Bourrette geliehen hat; es ist der Bericht über die Missionen in China.

      Mouret blieb vor seiner Frau stehen.

      War niemand da? fragte er.

      Nein, niemand, erwiderte sie sehr überrascht.

      Er wollte noch etwas sagen, besann sich aber eines anderen; einen Augenblick blieb er noch stehen, dann trat er auf die Treppe und rief:

      Nun, Rosa, wie ist es denn mit dem verbrannten Essen?

      Gar nichts ist, rief sie zornig aus der Küche heraus. Jetzt ist alles wieder kalt. Sie müssen warten!

      Mouret lachte, während er auf seine Familie schielte; der Zorn der Alten schien ihn zu belustigen. Dann erregten die Obstbäume des Nachbars seine Aufmerksamkeit.

      Es ist wirklich auffallend, sagte er leise, welch prächtige Birnen dieses Jahr Herr Rastoil hat.

      Martha war seit einigen Augenblicken besonders aufgeregt und schien eine Frage auf den Lippen zu haben. Endlich kam sie ängstlich damit heraus.

      Hast du heute jemanden erwartet?

      Ja und nein, gab er zur Antwort und ging wieder auf und ab.

      Du hast vielleicht den zweiten Stock vermietet.

      Erraten!

      Nach einer kurzen Verlegenheitspause sagte er in ruhigem Tone:

      Bevor ich heute früh nach Tulettes aufbrach, ging ich zu dem Abbé Bourrette. Er hatte es sehr eilig, und ich schloß den Handel ab. Ich weiß, es ist dir nicht angenehm; aber wenn du so recht darüber nachdenkst, kannst du doch keine Einwendungen machen. Der zweite Stock nützt uns gar nichts und gerät in Verfall. Das Obst, das wir in den Zimmern dort aufbewahren, verbreitet eine Feuchtigkeit, die alle Tapeten loslöst ... Weil ich gerade daran denke, vergiß nicht, das Obst aus den Zimmern fortschaffen zu lassen, denn unser Mieter kann jeden Augenblick eintreffen.

      Und wir lebten hier so ruhig, versetzte Martha leise.

      Ach was, ein Priester macht uns keine Umstände. Er lebt für sich und wir für uns. Diese Schwarzröcke verkriechen sich, wenn sie ein Glas Wasser trinken wollen. Du weißt doch, wie gern ich die Leute habe! Die meisten sind nur Tagediebe! ... Ich habe die Wohnung nur vermietet, weil ich einen Priester gefunden habe. Bei diesen Leuten braucht man sich wegen des Zinses keine Sorgen zu machen, und dann führen sie ein so ruhiges Leben, daß man sie kaum den Schlüssel in das Schloß stecken hört.

      Martha war fassungslos. Sie sah sich um, betrachtete das glückliche Haus, den schönen Garten, der im Dämmerlichte vor ihr ausgebreitet lag, die Kinder, kurz das stille Glück, das dieser enge Winkel umschloß.

      Weißt du, wer dieser Priester ist? fragte sie.

      Nein, aber der Abbé Bourrette hat in seinem Namen gemietet ... Ich weiß nur, daß er Faujas heißt, Abbé Faujas, und daß er aus der Diözese Besançon kommt. Gewiß hat er sich mit seinem Pfarrer nicht vertragen und ist deshalb hierher an die Kirche Saint-Saturnin als Vikar versetzt. Vielleicht ist er mit unserem Bischof Rousselot bekannt. Das geht uns alles aber nichts an ... Ich verlasse mich in dieser Sache auf den Abbe Bourrette.

      Aber Martha war noch immer nicht beruhigt und setzte diesmal ihren Kopf auf, was sonst nur höchst selten bei ihr vorkam.

      Du hast recht, sagte sie nach kurzem Schweigen, der Abbé ist ein würdiger Herr. Nur kann ich mich erinnern, daß er, als er sich die Wohnung ansah, mir sagte, er kenne den Mann nicht, in dessen Namen er zu mieten habe. Das sei so ein Auftrag, wie er unter benachbarten Priestern häufig vorkomme ... Du hättest denn doch nach Besançon schreiben und Erkundigung einziehen sollen, damit man weiß, wen man in das Haus bekommt.

      Mouret wollte nicht böse werden.

      Der Teufel wird es nicht sein, erwiderte er lächelnd ... Du zitterst ja förmlich. Für so abergläubisch habe ich dich nicht gehalten. Du wirst doch nicht auch an die Dummheit glauben, daß Priester Unglück ins Haus bringen sollen? Sie bringen zwar auch kein Glück; sie sind eben Menschen wie alle anderen ... Du wirst ja sehen, wenn dieser Abbé hier ist, ob sein Talar mir Furcht einjagt.

      Nein, abergläubisch bin ich nicht, das weißt du, erwiderte sie leise. Ich mache mir nur Sorgen.

      Er unterbrach sie mit heftiger Gebärde.

      Jetzt


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