Die Eroberung von Plassans. Emile Zola

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Die Eroberung von Plassans - Emile Zola


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zusammen:

      Es ist ganz außerordentlich!

      Dann folgte er seiner Frau, die er am Fuße der Treppe einholte. Sie schlief schon, während er noch immer auf die von oben kommenden Geräusche lauschte. Das Zimmer des Abbés lag gerade über dem seinigen. Nach einigen Augenblicken hörte er oben sachte das Fenster öffnen, was ihn nicht wenig interessierte. Er hob den Kopf von den Polstern und kämpfte tapfer gegen den Schlaf, da er gern wissen wollte, wie lange der Priester an dem Fenster bleibe. Aber der Schlaf war stärker; Mouret sank in die Kissen zurück, bevor er neuerdings das Knarren des Fensterflügels hören konnte.

      Der Abbé Faujas sah oben in die dunkle Nacht hinaus.

      Er blieb lange an dem Fenster stehen und war froh, daß er endlich allein war und ganz seinen Gedanken nachhängen konnte. Unter sich fühlte er den ruhigen Schlaf des Hauses, in dem er sich seit einigen Stunden befand, den reinen Atem der Kinder, die ruhigen Atemzüge Marthas und das regelmäßige Schnarchen Mourets. Es lag etwas wie Verachtung in der Bewegung, als er seinen Stiernacken aufrichtete und den Kopf vorstreckte, um bis an das Ende der in Schlaf gesunkenen Stadt zu sehen. Die großen Bäume des Gartens der Unterpräfektur bildeten eine dunkle Masse, und die Birnbäume des Herrn Rastoil starrten mit ihren dürren Ästen in die dunkle Nacht empor; hinter ihnen war ein Meer von Finsternis, dem nicht der leiseste Laut entstieg. Unschuldig wie ein Wiegenkind lag das Städtchen im Schlafe.

      Faujas breitete mit spöttischem Trotz die Arme aus, als wolle er Plassans umfassen und es mit einem Drucke an seiner starken Brust zermalmen.

      Und diese Dummköpfe lachten, sagte er leise, als sie mich durch ihre Straßen gehen sahen!

      Drittes Kapitel.

      Am folgenden Morgen hatte Mouret nichts anderes zu tun, als seinen Mieter zu beobachten. Dieses Spionieren sollte künftig seine müßigen Stunden ausfüllen, die er zu Hause damit zubrachte, die herumliegenden Gegenstände zu ordnen, mit Frau und Kindern Händel zu suchen. Jetzt hatte er doch eine Unterhaltung, eine Beschäftigung, die ihm in sein tägliches Leben eine Abwechslung brachte. Er konnte die Priester nicht leiden, und doch interessierte ihn der erste Priester, der in sein Haus kam, außerordentlich, weil er etwas Geheimnisvolles, Unbekanntes, sogar Beunruhigendes an sich hatte. Obgleich sich Mouret auf den Freigeist aufspielte und gern ein Anhänger Voltaires sein wollte, flößte ihm doch dieser Abbé ein gewisses Erstaunen, eine gewisse spießbürgerliche Achtung ein, in die ein Zug von Neugierde sich mengte.

      Da in dem zweiten Stocke nicht das geringste Geräusch zu vernehmen war, horchte Mouret aufmerksam auf der Treppe und wagte sich sogar auf den Dachboden hinauf. Als er langsam den Korridor entlang ging, glaubte er hinter der Türe ein Schlürfen von Pantoffeln zu hören, was ihn ungemein aufregte; er konnte aber nichts Sicheres sehen und hören und ging in den Garten hinunter und hielt sich in der Nähe der Laube auf, von wo er vergebens durch die Fenster erkennen wollte, was in den Zimmern vorging. Er bemerkte nicht einmal den Schatten des Abbés, denn seine Mutter hatte in Ermanglung von Vorhängen die Leintücher vor die Fenster gespannt.

      Bei dem Frühstück schien Mouret sehr beunruhigt.

      Sind denn die da oben tot? fragte er, während er den Kindern Brot abschnitt. Hast du sie nicht herumgehen hören, Martha?

      Nein, ich habe nicht darauf geachtet.

      Rosa rief aus der Küche:

      Die sind schon lange fort; wenn sie immer noch gehen, müssen sie schon weit sein.

      Mouret rief die Köchin und fragte sie nach allem aus.

      Sie sind ausgegangen, gnädiger Herr. Zuerst die Mutter, dann der Pfarrer. Ich hätte sie nicht einmal gehört, so leise kamen sie die Treppe herunter; aber ich sah ihre Schatten an den Küchenwänden, als sie die Türe öffneten ... Ich sah auf die Straße hinaus ... Aber sie sind ungemein schnell gegangen.

      Das ist eigentümlich ... Aber wo war ich denn zu der Zeit?

      Ich glaube, der gnädige Herr war hinten im Garten bei der Laube.

      Jetzt kam Mouret in eine schreckliche Laune. Er schimpfte auf die Priester, nannte sie alle Duckmäuser mit allerlei Machenschaften, in denen sich der Teufel nicht auskenne; und dabei zeigten sie eine solche lächerliche Schamhaftigkeit, daß noch niemand einen Priester sich habe waschen sehen. Schließlich bedauerte er, daß er dem Abbé, den er gar nicht kenne, die Wohnung vermietet habe.

      Daran bist nur du schuld, sagte er zu seiner Frau, als er vom Tische aufstand.

      Martha wollte Einwendungen erheben und ihn an ihr gestriges Gespräch erinnern, doch sie sah ihn nur an und schwieg. Aber er ging heute nicht aus, wie sonst seine Gewohnheit war, sondern begab sich in den Garten, kam nach kurzer Zeit wieder in das Speisezimmer und zog in heftigen Worten gegen die Unordnung los, die in dem ganzen Hause herrsche. Dann tadelte er Serge und Octave, die eine halbe Stunde zu früh in das Kolleg gegangen seien.

      Geht Papa nicht fort? fragte Desirée leise ihre Mutter. Er ärgert uns nur, wenn er zu Hause bleibt.

      Martha hieß sie schweigen. Endlich sprach Mouret von einem Geschäft, das er im Laufe des Tages abschließen wolle. Nicht einen Augenblick habe er Zeit! Nie könne er sich einen Tag zu Hause ausruhen, wenn er es gerade notwendig habe. Voll Unmut darüber, daß er fortgehen müsse und nicht weiter auf der Lauer bleiben könne, verließ er das Haus. Als er abends zurückkehrte, war er von einer fieberhaften Neugierde geplagt.

      Nun, was ist mit dem Abbé? fragte er, noch ehe er den Hut abnahm.

      Martha arbeitete wieder an ihrem Tischchen auf der Terrasse.

      Der Abbé? wiederholte sie mit einiger Überraschung. Ach so, der Abbé ... Ich habe ihn nicht gesehen ... ich glaube, er hat sich schon eingerichtet. Rosa sagte mir, daß Möbel gekommen seien.

      Das befürchtete ich eben, rief Mouret aus. Ich wäre gern da gewesen; – denn schließlich sind die Möbel meine Sicherstellung. Ich wußte ja, daß du dich nicht von deinem Sessel rühren werdest. Du bist eben nicht recht gescheit ... Rosa! Rosa!

      Die Köchin kam heraus.

      Man hat für die neuen Mieter Möbel gebracht?

      Ja, gnädiger Herr, auf einem kleinen Wagen. Es war der Wagen des Möbelhändlers Bergasse. Schwer war er nicht. Frau Faujas ging hinter dem Wagen, und als sie die Balande-Straße herauffuhren, legte sie mit Hand an, um den Karren zu schieben.

      Sie haben doch die Möbel gesehen? Haben Sie sie gezählt?

      Gewiß, gnädiger Herr. Ich habe mich vor die Türe gestellt. Sie mußten jedes Stück an mir vorübertragen, was freilich Madame Faujas nicht recht war. Also hören Sie!... Zuerst trugen sie ein eisernes Bett hinauf, dann eine Kommode, zwei Tische, vier Stühle ... Das ist alles ... Aber ganz neu waren die Möbel nicht. Ich würde keine dreißig Taler dafür geben.

      Aber sie hätten die Frau verständigen sollen, daß wir unter solchen Bedingungen die Wohnung nicht vermieten können ... Ich werde darüber sofort mit dem Abbé Bourrette sprechen.

      Ärgerlich wollte er hinausgehen, als ihn Martha zurückhielt und ihm sagte:

      Richtig, das habe ich ganz vergessen ... Sie haben die Miete für ein halbes Jahr vorausbezahlt.

      Was? Sie haben gezahlt? stotterte er.

      Ja, die alte Frau kam herunter und übergab mir dies hier.

      Mit diesen Worten nahm sie aus der Lade ihres Arbeitstisches fünfundsiebzig Franken in lauter Fünffrankenstücken, die sorgfältig in Zeitungspapier eingewickelt waren. Mouret zählte das Geld und brummte:

      Wenn


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