Sei stark!. Ник Вуйчич
Читать онлайн книгу.mein Verhalten nicht dazu. Und die Leute beurteilen einen nach dem, was sie sehen.
Zu cool für Gott?
Eine ganze Zeit lang passte mein Verhalten nicht zu meinen Überzeugungen. Und das Fluchen war nur ein Teil davon. Ich zeigte damals auch denjenigen um mich herum, die Christinnen und Christen waren, die kalte Schulter. Es gab einige in meiner Schule und sie trafen sich immer freitags während der Mittagspause zu einem Gebetskreis. Viele waren sie nicht, und sie mussten einige hämische Kommentare ertragen. Manche nannten sie Holy Rollers oder Jesus Freaks.
Ich fand sie eigentlich wirklich nett und bewunderte sie insgeheim dafür, dass sie zu ihrem Glauben standen, aber bei ihrem Gebetskreis ließ ich mich nie blicken. Als mich einer darauf ansprach, meinte ich, ich würde lieber mit normalen Leuten herumhängen. Ich fühlte mich bei dieser Antwort sehr unwohl und hatte noch lange daran zu knabbern. Natürlich hatte das seinen Grund. Auch hier war ich meinen Werten, Überzeugungen und mir selbst untreu. Zum Teil lag es wie gesagt daran, dass ich unbedingt akzeptiert sein wollte. Zum Teil hatte ich aber auch Angst, öffentlich als Christ aufzutreten. Ich wollte nicht Holy Roller oder Jesus Freak genannt werden. Meine größte Angst war, in eine Schublade gesteckt und von meinen nichtchristlichen Freunden gemieden zu werden.
Eine gewisse Zeit hält man es aus, nicht authentisch zu sein, aber nicht ewig. Irgendwann fällt einem eine dieser Masken und kleinen Lügen auf die Füße. Man zahlt einen Preis dafür. In meinem Fall holte es mich ein, als ich zu Hause über die Stränge schlug.
Mir rutschte ein Kraftausdruck raus, und meiner Mutter fiel die Kinnlade herunter.
„Was hast du da gesagt?“
„Oh, tut mir leid! Entschuldigung! Ich weiß nicht, wieso mir das rausgerutscht ist.“
Fluchen passte so wenig zu mir, dass meine Mutter zuerst gar nicht wusste, was sie mit mir anfangen sollte. Sie war völlig perplex. Ich glaube, sie nahm mir das Versprechen ab, das nie wieder zu sagen, und nach ein paar ernsten Wörtchen beließ sie es dabei. Für mich war dieser Lapsus aber ein weiteres Signal dafür, dass da bei mir eine gewaltige Schieflage herrschte.
Die Zunge, dieses ungezogene Ding
Ich hielt mich eigentlich für einen bekehrten Christen, aber das Sprechzentrum im Gehirn schien das nicht mitbekommen zu haben.
Sosehr ich auch versuchte, die Kraftausdrücke aus meinem Vokabular zu tilgen, sie rutschten mir immer wieder heraus. Zu Hause hatte ich mich irgendwann unter Kontrolle, aber in der Schule war das F-Wort so gang und gäbe, dass es mir schwerfiel, nicht in FSK-16-Sprech zu verfallen. Nur allmählich machte ich Fortschritte. Immerhin, der Wechsel meines Vokabulars entging meinen Freunden Scott und Reese nicht, und sie sprachen mich darauf an.
„Ich will nicht mehr fluchen“, erklärte ich.
„Wieso das denn?“
„Ich bin eben anders erzogen worden. Fluchen gehört sich nicht in einem christlichen Elternhaus. Gott hat was gegen Kraftausdrücke.“
Ob sie anderer Meinung waren, weiß ich nicht, jedenfalls dachten sie sich sofort Alternativen für mich aus.
„Mach doch Folgendes“, sagte Scott. „Anstelle des F-Worts sagst du ab jetzt immer ‚Fruchtkompott‘!“
Anfangs erschien mir das ziemlich abwegig, aber Untersuchungen haben gezeigt, dass Schimpfwörter mit hartem Konsonanten am Ende irgendetwas im Gehirn ausschütten, das wie ein emotionales Ventil wirkt. Also ließ ich mich auf das verrückte Experiment ein und adoptierte „Fruchtkompott“ in meinen Schimpfwortkatalog.
Aber es funktionierte nicht. Ich musste dabei an labberigen Nachtisch denken, und außerdem war das Wort zu lang. War ich erst einmal bei Kompott angekommen, war die Situation schon vorbei. Scott schlug vor, ich solle doch „Flohsack“ sagen, aber ich beschloss, lieber einen radikalen Schnitt zu machen und gar nicht mehr zu fluchen.
Doch das gestaltete sich schwieriger, als ich dachte. Es war bereits zur Gewohnheit geworden. Immer wieder rutschten mir Schimpfwörter heraus, aber nach und nach legte ich den Sumpf in mir trocken. Mit sechzehn schaffte ich es elf Monate und drei Wochen ohne einen einzigen Kraftausdruck. Ja, ich habe die Tage gezählt. Ich wollte unbedingt mein lockeres Mundwerk festzurren, aber dann hatte ich einen ziemlich heftigen Rückfall, als mich etwas auf die Palme brachte.
Ich missbrauchte sogar Gottes Namen in meiner Schimpftirade, und alle, die es hörten, waren erschrocken – vor allem ich. Was genau der Auslöser war, mich nach so langer Zeit zu vergessen, weiß ich nicht mehr, aber ich fühlte mich danach einfach nur schrecklich. Also streckte ich die Waffen und wandte mich an Gott. Ich bat ihn, mich endlich von meiner schlechten Angewohnheit zu befreien.
Falls du dich je gefragt hast, ob Gott tatsächlich vergibt, lege ich dir 1. Johannes 1,9 ans Herz. Dort steht: „Wenn wir aber unsere Sünden bekennen, dann erfüllt Gott seine Zusage treu und gerecht: Er wird unsere Sünden vergeben und uns von allem Bösen reinigen.“ Genau das tat Gott bei mir: Nachdem ich um Verzeihung und um seine Hilfe gebeten hatte, bereinigte er meinen Wortschatz. Ich war sehr dankbar dafür – und tat mein Bestes, um nicht wieder in einer Umgebung zu landen, wo Fluchen an der Tagesordnung war.
Die „coolen“ Kids, beschloss ich, waren doch nicht so cool, und ich kehrte zu meinem alten, christlichen Freundeskreis zurück. Sie trugen es mir nicht nach, dass ich abtrünnig geworden war. In ihrer Gegenwart kam ich mir nicht mehr wie ein Hochstapler vor. Es fühlte sich ganz natürlich an, und jetzt machte es mir nichts mehr aus, wenn mich irgendjemand als Jesus Freak betitelte.
Kaum war ich in Kreisen unterwegs, wo ich mich angenommen und wohlfühlte, passierte etwas Erstaunliches: Plötzlich konnte man den Eindruck haben, jeder wollte mein Freund sein! Sogar fast alle Tyrannen ließen von mir ab. Als ich mit dem Versteckspiel aufhörte und einfach dazu stand, dass ich nun mal Christ war, akzeptierten mich die meisten, waren freundlich und manchmal sogar neugierig, mich näher kennenzulernen.
Ich bin sehr dankbar für meine alten Freunde von damals, die immer für mich da waren. Bei ihnen konnte ich einfach ich selbst sein, und im Lauf der Jahre wuchsen wir immer enger zusammen. Sie sind ein Grund dafür, dass es mir immer besser gelang, mit den Hänseleien umzugehen.
Dein wahres Ich
Damals wurde mir klar, dass es enorm wichtig ist, ehrlich zu sich selbst und über sich selbst zu sein. Als mich meine neuen alten Freunde so annahmen, wie ich war – der armlose, beinlose, bibelvernarrte Nick –, machte mein Selbstwertgefühl einen Sprung nach oben, und das wiederum zog andere Leute an.
Ich war einem Denkfehler aufgesessen. Seitdem weiß ich: Man muss nicht anders werden, um cool zu sein. Als Jugendlicher ist man oft sehr kritisch mit sich selbst, und dementsprechend auch mit anderen. Man steckt Leute lieber in Schubladen, anstatt ihnen Gelegenheit zu geben, sich so zu zeigen, wie sie sind. Dabei hat jeder von uns eine Vielzahl von Interessen, Eigenschaften und erlebt unterschiedlichste Stimmungen. Man sollte niemanden in eine Schublade stecken, vor allem nicht sich selbst.
Ich beschloss, dass es mir wichtiger war, Gott zu gefallen, als der angesehene Typ in der Schule zu sein. Plötzlich hatte ich inneren Frieden. Meine Maskerade war beendet.
Ich verurteilte andere nicht mehr so schnell und wurde toleranter. Ich habe gelernt: In jedem Lebensbereich ist es enorm wichtig, mit sich selbst im Reinen zu sein, von seinen Werten überzeugt zu sein und einen Sinn im Leben zu sehen. Damit wird man deutlich resistenter gegen Mobbing.
Aber wie baut man eine starke und stabile Identität auf? Woher kommt das Selbstvertrauen? Wie wird man zielstrebig? Fast jeder erlebt in jungen Jahren eine Identitätskrise und fragt sich, wo sein Platz im Leben ist. Wenn du das schon durchhast, gräme dich nicht. Das ist eine ganz normale menschliche Erfahrung. Und wenn du das noch nie erlebt hast, ist das auch kein Grund zur Sorge. Jeder ist anders und hat seine eigene innere Uhr.
Wo die Antwort liegt
Vielleicht wälzt du auch gerade jetzt die großen Fragen des Lebens. Wer bin ich? Wohin gehöre ich? Wohin will ich? Das ist gut; es zeigt, dass du immer reifer wirst und dich auf die nächsten Lebensphasen vorbereitest. Aber wo