Kleine Geschichte Mittelfrankens. Franz Metzger

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Kleine Geschichte Mittelfrankens - Franz Metzger


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Ansbach, dort die fünf ehem. Freien Reichsstädte Nürnberg, Rothenburg, Dinkelsbühl, Weißenburg und Windsheim. Die mochten zwar alle der Reformation gefolgt sein, hatten aber jahrhundertelange Konflikte, inklusive verheerender Kriegsaktionen, nicht vergessen. Einen relativ kleinen katholischen Gegenpol lieferten die Lande, die vom Eichstätter Bischof oder vom Deutschen Orden regiert worden waren. Hinzu kamen etliche ehem. Reichsritter- und Reichsfürstenlande.

      Die Geschichte der in unserem Regierungsbezirk zusammengefassten Lebensräume ist also komplex und verlangt einen häufigen Wechsel des Blickpunkts. Die rein räumlichen Beschränkungen einer „Kleinen Geschichte“ müssen auch dazu führen, dass nicht jede Gemeinde oder Herrschaft angemessen abgehandelt werden kann, wofür ich um Verständnis bitte. Es erschien mir wichtig, die bedeutendsten Ereignisse und Entwicklungen der mittelfränkischen Geschichte in größere Zusammenhänge einzufügen und so verständlicher zu machen. Manches interessante und aufschlussreiche Detail musste daher beim Redigieren auf der Strecke bleiben. Mein Dank gilt den vielen ZuarbeiterInnen der Fachliteratur und dem Kulturreferat der Bezirksregierung von Mittelfranken sowie der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg für ihre Unterstützung. Bedanken möchte ich mich auch beim Lektoratsteam Pustet für die inspirierte Zusammenarbeit.

      Trotz des harzigen Beginns hat sich in den über 200 Jahren seines Bestehens im Regierungsbezirk Mittelfranken ein Gemeinschaftsgefühl entwickelt, das die unterschiedlichen historischen Hintergründe nicht nur respektiert, sondern sie auch als Bereicherung eines gemeinsamen kulturellen Erbes versteht. Ich hoffe, dass dieses Buch seinen Leserinnen und Lesern Anstoß geben mag, sich intensiver mit diesem Erbe zu beschäftigen.

Nürnberg, im Sommer 2020 Franz Metzger

       Bevor die Franken kamen – Ur- und Frühgeschichte

       Prolog: Ein ganz besonderer Vogel

      Seinen ersten Beitrag zur Weltgeschichte leistete Mittefranken vor rund 150 Mio. Jahren: Da bedeckte das ausgedehnte Jurameer unser Gebiet. In den Wassern jagten Flugsaurier nach Fischen, und das ging nicht immer gut. Verunglückte Flugsaurier stürzten ins Meer, und ihre Kadaver versanken in Sedimentschichten, in denen die härteren Körperteile versteinerten. Diese Schichten, schließlich von tektonischen Bewegungen angehoben, bildeten die langgezogene Gebirgskette des Jura. Durch deren östlichsten Teil, die Fränkische Alb, gruben sich Flüsse ihren Weg, darunter die Altmühl auf ihrem Weg zur Donau. Das Tal bot fruchtbares Siedlungsland, und es entwickelten sich Dörfer und Städtchen, darunter Solnhofen.

      Zum wichtigen Arbeitgeber der Region wurden die Steinbrüche; der Solnhofer Plattenkalk war weithin gesucht für Fliesen und Wandverkleidungen. Schon die Römer nutzen ihn zur Ausgestaltung ihrer Bäder; als Baumaterial fand er seit dem Mittelalter weite Verbreitung. Einen gewaltigen Aufschwung fand der Plattenkalk-Abbau, als Alois Senefelder (1771–1834) die Lithographie erfand, eine Reproduktionstechnik, für die der fränkische Kalk die ideale Grundlage bot.

      Mit dem intensiveren Abbau häuften sich auch die Funde von Fossilien. Solnhofen wurde zum Mekka der Urgeschichtsforscher, die sich auf die geschulten Augen der Steinbrucharbeiter verlassen konnten. 1860 wurde so im Gemeindesteinbruch eine fossile Feder entdeckt, eine kleine Sensation, da aus der Jura-Epoche bislang keine Vögel bekannt waren. Der Frankfurter Paläontologe Hermann von Meyer gab dem Fund und dem dazugehörigen noch unbekannten Tier den Namen Archaeopteryx („Urfeder“). Ein weiterer Fund ein Jahr später machte die Sensation perfekt: Im Kalk eingebettet fand sich da der Körperabdruck eines Geschöpfes, dessen Körperbau, Flügelarme und zahnbesetzter Schnabel es eindeutig als flugfähigen Saurier auswiesen. Statt einer Saurierhaut trug das Tier aber ein Federkleid.

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       Kronzeuge der Evolutionstheorie: Mit dem Fund des „Urvogels“ Archaeopteryx schrieb Solnhofen Wissenschaftsgeschichte.

      Um die Dramatik dieses Fundes zu begreifen, muss man sich vergegenwärtigen, dass nur zwei Jahre zuvor Charles Darwins Grundsatzwerk „Von der Entstehung der Arten“ erschienen war, mit dem er die Evolutionstheorie postulierte. Umgehend hatte sich eine hitzige Kontroverse entwickelt. Was Darwin und seine Gefolgsleute benötigten, waren „missing links“, Belege für den Übergang von einer Spezies zu einer anderen. Der Archaeopteryx hätte als Glied zwischen Sauriern und Vögeln nicht besser erfunden worden sein können. Doch er war real – so real, dass Richard Owen, einer der hartnäckigsten Gegner Darwins, umgehend den Solnhofer Fund kaufte, um ihn in einer Schublade verschwinden zu lassen. Ein sinnloses Manöver, da der fränkische Plattenkalk in den folgenden Jahrzehnten weitere Exemplare des „Urvogels“ preisgab.

      Dass sich die Evolutionstheorie schließlich durchsetzte, war also auch Steinbrucharbeitern und -besitzern aus Mittelfranken zu verdanken.

       Jäger, Sammler, Ackerbauern

      Vom bislang ältesten menschlichen Bewohner Mittelfrankens ist gerade einmal ein Backenzahn geblieben: Den fanden Archäologen der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg 1986 in den Fundschichten der Höhlenruine von Hunas bei Pottenstein (Kr. Nürnberger Land). Der Zahn gehört eindeutig einem Mitglied der Spezies Homo sapiens neanderthalensis und wird anhand der Fundschichten auf etwa 120.000–100.000 Jahre vor unserer Zeit datiert. In tieferen, also noch älteren Schichten (ca. 200.000 Jahre) wurden einfache Steinwerkzeuge gefunden. Die Hunas-Höhle bewahrte demnach die ältesten Belege menschlicher Aktivität in Bayern.

      Der Besitzer des Zahns und seine Sippe lebten während der Würm-Eiszeit im fränkischen Jura. Im Vorland der gewaltigen Gletscher, die sich aus den Alpen herausgeschoben hatten, bestand damals eine weitgehend baumlose Tundra, die erfahrenen Großwildjägern, wie es die Neandertaler waren, gute Bedingungen bot.

      Mit dem Rückzug der Gletscher änderten sich die Landschaft und das Siedlungsmuster: Statt in Höhlen lebten die Mittelsteinzeitmenschen als Jäger und Sammler in einfachen Unterständen und Hütten, für die sandiger Boden, wie er in Mittelfranken weit verbreitet ist, vorteilhafter ist als Wald und Sumpf. Außer einigen Steinwerkzeugen sind aus dieser Epoche wenig Zeugnisse erhalten.

      Die Jungsteinzeit sah eine der großen Umwälzungen der Menschheitsgeschichte: Aus der Pannonischen Tiefebene (heute Ungarn) brachten Siedler ab etwa 7000 v. Chr. Ackerbau und Viehzucht nach Mitteleuropa. Damit einher ging die Sesshaftigkeit – der Mensch musste seiner Nahrung nicht folgen, sondern hatte sie vor der Haustür. Karge Sandböden eigneten sich allerdings weniger für die neue Kultur. Entsprechend verschob sich das Siedlungsmuster in Mittelfranken, in dem sich von nun an eine bestimmte Kontinuität feststellen lässt. Eines der besten Beispiele bietet Landersdorf bei Thalmässing, wo Siedlungsspuren aus der Eisen- über die Bronzebis in die Jungsteinzeit der „Chamer Gruppe“ (ca. 3500–2500 v. Chr.) ausgegraben wurden. Auf Initiative der Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg entstand hier inzwischen ein Geschichtsdorf rekonstruierter Gebäude, an denen sich die Lebensumstände von Steinzeitbauern, Kelten und Bajuwaren miterleben lassen.

      Für die Aufbewahrung ihrer Nahrung entwickelten die frühen Bauern die Töpferei von Tongefäßen, die sie mit bandartigen Mustern versahen; die Wissenschaft nennt sie daher die Bandkeramiker. Während diese Kultur in unserem Gebiet Spuren hinterließ, scheint sich die nachfolgende „Glockenbecherkultur“ in Mittelfranken nur langsam ausgebreitet zu haben. Dies könnte daran gelegen haben, dass ihre Vertreter etwas suchten, was in Mittelfranken selten war: Erze, aus denen sich Metalle herausschmelzen lassen – wir stehen am Beginn der Metallzeit. Deren erste Epoche, die Bronzezeit, dürfte Franken erst um 1700 v. Chr. erreicht haben. Hortfunde, wie jene von Nürnberg-Mögeldorf oder Henfenfeld, belegen dann auch für unseren Raum das Sammeln von „Altmetall“ zum Einschmelzen und Wiederverwenden.

       Bronzezeit in Franken


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