Mission SOL 2020 Paket (1 bis 12). Madeleine Puljic

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Mission SOL 2020 Paket (1 bis 12) - Madeleine Puljic


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Danton zeigte auf eine nicht weit entfernte Parkanlage. Ihr Eingang wurde von einem drei Mann hohen Kunstwerk dominiert, das aus drei gleich großen, sich ineinander drehenden Ringen bestand und damit den Eindruck einer rotierenden Kugel vermittelte. Möglicherweise handelte es sich um eine künstlerische Darstellung dieser Raumstation, oder anderer Bauwerke oder sogar der Gestalt des Volkes selbst, das die Raumstation gebaut hatte.

      Matabiau nickte. »Ein natürlicher Treffpunkt, den wir jederzeit schnell wiederfinden können.«

      »Dort treffen wir uns in einer Stunde.« Danton warf Crompton einen schnellen Blick zu.

      Die fueganische Positronikspezialistin mit dem violetten Haar wandte sich unverzüglich Anchi zu. So, dass nur er sie hören konnte, fragte sie: »Wir sollten uns unabhängig voneinander hier umhorchen. Kommst du während dieser Zeit allein klar?«

      Anchi setzte ein schiefes Grinsen auf. »Na klar«, sagte er. »Ich wollt' mir sowieso grad die Kneipe dort hinten ansehen. Soll ich euch was mitbringen?«

      *

      Anchi begann Gefallen an dieser fremden bunten Welt zu finden, die so anders war als das einfache Dorf, in dem er auf Evolux gelebt hatte. So anders auch als das Leben auf einem Raumschiff wie der SOL.

      Auf der SOL waren die meisten Bewohner Humanoide, die sich allenfalls in der Hautfarbe und anderen körperlichen Nebensächlichkeiten unterschieden. Da gab es grünhäutige Imarter mit gewölbtem Brustkorb, rotäugige Abkömmlinge der Arkoniden sowie Menschen mit gemustertem Fell, die die SOL auf irgendeinem Kolonialplaneten aufgelesen hatte. Aber alle gingen aufrecht, hatten zwei Arme und zwei Beine und atmeten dieselbe Luft.

      Auf der Doppelringstation dagegen sah Anchi Gastropoden, Ornithoiden, Arachniden, Reptiloiden, wandelnde Bäume und fliegende pulsierende Gewebekugeln. Ein Solaner im SERUN erregte hier keinerlei Aufsehen.

      »Bist noch nicht oft auf Kerejakk gewesen, hm?« Das grün gefleckte Wesen in einer Art roter Arbeitsmontur sah aus wie ein aufrechtgehender Molch. Es hatte vier runde Augen, die oben auf dem Kopf saßen und sich neugierig in alle Richtungen drehten. Eine schwarze, gespaltene Zunge fuhr immer wieder aus dem Maul und wischte über die Augen.

      Der Amphiboide, wie Anchi das Wesen mangels eines besseren Worts für sich nannte, sprach in zischelnden Lauten. Sie wurden beinahe zeitgleich von der Interkosmo-Übersetzung überlagert, die der SERUN in Anchis Ohr spielte.

      Den Eigennamen Kerejakk hatte der Translator nicht übersetzt. War die ganze Station gemeint oder nur dieser Sektor?

      »Gerade angekommen!«, antwortete Anchi jovial. »Was gibt's Neues?«

      Der Amphiboide zischelte, was der Translator mit einem ordinären Lachen übersetzte. »Viel und nichts. BARIL wird's schon richten.«

      Anchi zögerte. »Ich ... war noch nie hier«, bekannte er dann. Er entschied, dass er dem putzigen Wesen besser nicht allzu viel vormachte. Es schien gesprächig zu sein. Also dürfte es ganz natürlich sein, wenn Anchi ein paar unschuldige Fragen stellte. »Worin besteht deine Arbeit?«

      Ohne besonderes Ziel schlenderten sie nebeneinander her.

      »Hypertransmodule kalibrieren, nichts Besonderes. Ich bin Techniker, kein Wissenschaftler.«

      Diesmal entschied Anchi sich, wissend zu nicken, obwohl er keineswegs annahm, dass der Amphiboide mit der Geste etwas anfangen konnte.

      »Kannst du dir das vorstellen? Ich arbeite hier schon seit Jahren und weiß immer noch nicht, woran eigentlich. Scheint aber jedem so zu gehen. Wir kommen aus aller Herren Gelege, und jeder soll sich nur um seine Spezialaufgabe kümmern. Das große Ganze kennt wohl nur Haldukass.«

      Wieder ein Name, der Anchi nichts sagte. Die Anzugpositronik würde ihn aufzeichnen. Vielleicht hätte er sich an einem öffentlichen Informationsschalter weitere Auskünfte holen sollen, das würde es sicher geben. Aber vielleicht erfuhr er in einem harmlosen Gespräch noch mehr.

      Anchi hatte Gefallen an dem fremdartigen Wesen gefunden. Vielleicht wollte der Amphiboide ihm etwas verkaufen oder sich von ihm einladen lassen. Das konnte Anchi egal sein, da er kein Zahlungsmittel mit sich führte. Aber vielleicht konnte er es für sich ausnutzen.

      Als sie auf ein mit zahlreichen Schrifttafeln geschmücktes Gebäude zusteuerten, das Anchi für ein Wirtshaus hielt, fragte er unvermittelt: »Wo kann man sich eigentlich gut amüsieren?«

      »Oha, ein Blasshäutler nach meinem Geschmack. Gerade angekommen, und statt Dienstantritt ist er erst einmal auf Amüsement aus! Wenn Haldukass das wüsste ...«

      Schon wieder dieser Name. Dieser Haldukass musste wichtig sein.

      Er blieb stehen. »Ich heiße Ennyas Anchi. Wenn du willst, sehen wir uns die Hütte da mal an!« Er wies mit dem Kinn zu dem Gebäude, das er von Anfang an zum Ziel erkoren hatte.

      »Sakano, sag einfach Sakano. Woher wusstest du, dass ich gerade dort einkehren wollte? Dort spielt eine sehr gute Musikgruppe.«

      Gemeinsam näherten sie sich dem Wirtshaus.

      Im Innern änderte sich sofort die Stimmung. Das Licht war gedämpft. An einer kleinen Bühne herrschte großes Gedränge. Aber an den Tischen unterschiedlicher Größen, die sich davor in einem länglichen Saal gruppierten, waren noch viele Plätze frei. Rauchschwaden hingen in der Luft und verbreiteten ein hypnotisierendes Aroma.

      Tatsächlich stand eine Gruppe aus Lebewesen auf der Bühne, die seinem neuen Freund ähnelten. Sie vollführten tanzartige Bewegungen, und dazu ertönten wunderbar entspannte Töne.

      Anchi spürte, wie der SERUN ihm frischen Sauerstoff ins Gesicht blies. Er dachte darüber nach, ob der Amphiboide seine Aufgabe einfach darin sah, dem Konzert seiner Freunde neue Besucher zuzuführen. Aber Anchi wusste nicht, ob Sakano die Lebewesen auf der Bühne überhaupt kannte. Vielleicht war er einfach nur in derselben Richtung unterwegs gewesen und mochte es, mit jemandem zu plaudern.

      Sein neuer Freund setzte sich mit ihm an einen der vielen Tische, sah den eigenartigen Tänzern zu und wippte mit dem Kopf langsam im Takt der fremdartigen Musik.

      Anchi gefiel es in dem großen Raum. Unaufhörlich ließ er seinen Blick schweifen und nahm die vielen Eindrücke in sich auf.

      »Kennst du dieses Instrument?«, fragte Sakano und wischte mit der Zunge über alle vier Augen.

      Anchi schüttelte den Kopf. In seiner kurzen Zeit auf der SOL hatte er noch keine Zeit gehabt, unsichtbare Musikinstrumente zu studieren. Dann fiel ihm ein, dass Sakano die Geste nicht kennen konnte.

      »Ich sehe überhaupt kein Instrument«, gestand er.

      Sakano wies auf zwei Antennen auf beiden Seiten der Bühne. »Sie erzeugen ein schwaches elektrisches Feld, in dem sich die Musiker bewegen. Dabei rufen sie mit der elektrischen Ladung ihrer Körper die Töne hervor. Es ist ein Loblied zu Ehren BARILS. Stehst du schon lange in ihren Diensten?«

      Anchi schmunzelte. Wollte sein neuer Freund ihn etwa aushorchen? Er nahm es ihm nicht übel. Schließlich war es genau das, was Anchi mit Sakano vorhatte.

      »Bestimmt nicht so lange wie du«, wich er aus. Dann dachte er an etwas, das Sakano zuvor gesagt hatte. »Ich wünschte, BARIL würde uns sagen, welchem höheren Zweck wir eigentlich dienen.«

      »Mir ist es egal«, behauptete Sakano. »Ich werde ja dafür bezahlt, das reicht mir. Aber die meisten in der Station sind stolz darauf, BARIL zu dienen, obwohl die wesentlichen Entscheidungen im Dunkelzentrum fallen. In ihren Augen leisten sie alle ihren kleinen Anteil für die große Sache. Sie wissen aber überhaupt nicht, was das eigentlich sein soll. Genau wie du.« Der Amphiboide machte zischende Geräusche, was der Translator diesmal als Kichern übersetzte.

      Die Musik erreichte ein Stakkato. Die Musiker auf der Bühne zuckten.

      Sakano zeigte beiläufig auf eine Tischreihe hinter ihnen. »Den Burschen ist es anscheinend auch egal.«

      Dort lag ein Humanoider, der sich anscheinend entschlossen hatte, seinen Rausch direkt an diesem Ort auszuschlafen.


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