Wo die Seele atmen kann. John Eldredge

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Wo die Seele atmen kann - John Eldredge


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ist nichts als eine Hohlform, die von Gott ausgefüllt wird.“7 Statt „Hohlform“ könnte man auch „Gefäß“ sagen und an ein kunstvolles, schönes Behältnis denken. Unsere Seele ist ein Kunstwerk, eine von Gott geschaffene Schale, die er hergestellt hat, um sie zu füllen. Ich stelle mir das oberste, geschwungene Becken eines eleganten Etagenbrunnens vor, aus dem unaufhörlich Wasser herabfließt, überfließt wie nie endendes Leben. Hat Gott uns nicht genau das versprochen? „Wenn jemand an mich glaubt, werden aus seinem Inneren, wie es in der Schrift heißt, Ströme von lebendigem Wasser fließen“ (Johannes 7,38).

      Unsere Aufgabe ist es, Bedingungen herzustellen, unter denen seine Hilfe uns erreichen kann. Dann wird er unsere niedergedrückte, erschöpfte Seele wiederherstellen und unsere innere Kraft erneuern. Wir werden übernatürliche Freude und viele andere wunderbare Früchte seiner Gnade genießen können. Gleichzeitig wird unsere Seele immer mehr von Gott aufnehmen können, was allein schon eine Gnade ist. So werden wir dieses sprühende Leben und die unerschütterliche Beständigkeit erlangen, nach der wir uns sehnen. Lebendiges Wasser wird aus unserem Innern sprudeln und wir werden unsere Lebensfreude und Lebenskraft zurückgewinnen.

      Aber das geht nicht über Nacht. Es ist ein Prozess, der umsetzbar und nachhaltig sein muss. Was haben wir nicht schon alles versucht – Sport, Diäten, Bibelleseprogramme … Immer sind wir voller Elan gestartet, doch irgendwann ist alles wieder im Sand verlaufen und jeder neue Anlauf wurde zwischen den Mühlen des Alltags zerrieben.

      Ja, ich gehöre auch zu denen, die für die Mitgliedschaft in einem Fitnesscenter bezahlen, ohne hinzugehen. In meiner Wohnung liegen Bücher, die ich nie zu Ende lesen werde, auf dem Handy füllt sich der Speicher mit ungehörten Vorträgen, die ich mir heruntergeladen habe. Ich kenne das.

      Von daher – machen Sie sich keine Sorgen: Was ich hier beschreiben werde, sind Gnadengeschenke, die mit dem ganz normalen, alltäglichen Leben vereinbar sind. Sie werden überrascht sein, wie einfach, nachhaltig und erfrischend sie sind.

      Gott will uns stärken und unsere Seelen erneuern; Jesus möchte sich immer wieder neu an uns verschenken. Willkommen sind alle Erschöpften, alle, die schwere Lasten tragen. „Kommt alle her zu mir, die ihr euch abmüht und unter eurer Last leidet! Ich werde euch Ruhe geben. Vertraut euch meiner Leitung an und lernt von mir, denn ich gehe behutsam mit euch um und sehe auf niemanden herab. Wenn ihr das tut, dann findet ihr Ruhe für euer Leben. Das Joch, das ich euch auflege, ist leicht, und was ich von euch verlange, ist nicht schwer zu erfüllen“ (Matthäus 11,28-30 Hfa).

      Wir können uns das Leben zurückerobern und wieder frei und unbeschwert leben. Die Welt bleibt grausam, aber Gott ist sanft; er weiß, was es heißt, in dieser Welt zu leben. Wir müssen nur die Orte aufsuchen, an denen seine Hilfe uns erreichen kann. An diese Orte möchte ich Sie jetzt führen.

      Eins

       Eine Minute Pause machen

      Unsere Pferde sind heute sehr unruhig. Mit gewölbtem Nacken, erhobenem Schweif und nervös schnaubend rennen sie wie wild über die Koppel. Etwas hat sie in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Ich bin mir ziemlich sicher – in der Nacht muss ein Löwe in der Nähe gewesen sein.

      Meine Frau und ich haben im Moment zwei Pferde, eines davon ist ein sogenannter Pinto. Es ist ein prächtiges Tier, braun-weiß gescheckt, mit weißer Mähne und schwarzem Schweif. Wer den Westernfilm Silverado gesehen hat, weiß, was ich meine – das Pferd, das Kevin Costner dort reitet, sieht ganz ähnlich aus. Die Indianer fanden diese Schecken so schön, dass sie tatsächlich ihren einfarbigen Pferden Flecken aufs Fell malten.8

      Unser zweites Pferd ist ein Brauner mit schwarzer Mähne und schwarzem Schweif. Sein Fell ist so dicht und glänzend, dass es an einen Biberpelz erinnert. Früher hatten wir insgesamt acht Ponys, aber als unsere Söhne nach und nach das Elternhaus verließen, reduzierten wir den Bestand, bis unsere Herde immer überschaubarer wurde. Heute sind uns selbst die zwei Pferde fast schon zu viel.

      Pferde sind kraftstrotzende, beeindruckende Wesen, aber das ist ihnen selbst gar nicht bewusst. Sie wissen um ihre Verletzlichkeit. Als Beutetiere nehmen sie, ähnlich wie Elche und Hirsche, ihre Welt auf ganz bestimmte Weise wahr. Sie sind immer auf der Hut, immer bereit zur Flucht. Egal ob sie in den Weiten Nordamerikas oder in Europa leben: Sie wissen um die Gefahr, die ihnen von den großen Raubtieren droht, deren Nahrung sie sind.

      Im späten Pleistozän waren die endlosen nordamerikanischen Steppen das Jagdrevier riesiger Löwen, die viel größer waren als ihre afrikanischen Verwandten. Mit ihnen konkurrierten verschiedene Arten von Geparden, tonnenschwere Riesenfaultiere, blutrünstige Wölfe, gefräßige Kurznasen-Bären und eine ganze Schar weiterer superschneller Raubtiere. Unter diesen Lebensbedingungen erwarben die Pferde ihr nervöses, leicht zu verunsicherndes Wesen. Wenn sie sich zwischen Kampf und Flucht entscheiden müssen, dann wählen sie die Flucht.

      Den Sommer verbringen meine Frau und ich immer in unserem Ferienhaus im Westen Colorados, die Pferde nehmen wir mit. Dort gibt es auch heute noch eine Menge Raubtiere – ganze Rudel von Kojoten leben dort, dazu Schwarzbären, Rotluchse und andere Luchsarten. Berglöwen gibt es auch. Sehr viele sogar. Einmal ritt ich durch die Landschaft, als mein Pferd aus heiterem Himmel in Panik geriet. Vermutlich hatte es plötzlich einen Löwen gewittert. Es war gar kein Löwe in der Nähe, aber die männlichen Tiere hatten dort wohl ihr Revier markiert. Mein Pferd explodierte förmlich unter mir, ich landete im Dreck und das Pferd war weg.

      Raubtiere nutzen den Schutz der Nacht. Für die Pferde bedeutet das, in der Dunkelheit besonders aufmerksam sein zu müssen. Wollen wir am Morgen mit ihnen ausreiten, müssen wir sie zuerst beruhigen. Wir führen sie am Halfter, als würden wir den Acker pflügen – so lange, bis sie sich innerlich auf uns eingestellt haben und wieder ruhig und sicher sind. Ist dieser Zustand erreicht, stoßen sie einen wunderbaren Seufzer aus. Aus ihren großen Nüstern kommt ein tiefer, langer Schnaufer. Gleichzeitig entspannt sich ihre Muskulatur und sie senken den Kopf. Sie haben ihre Wachsamkeit aufgegeben, die Alarmbereitschaft abgeschaltet. Ich liebe diesen Moment. Wer mit Pferden zu tun hat, kennt dieses Seufzen und wünscht sich so oft wie möglich diesen Zustand bei seinem Tier.

      Auch Menschen können so seufzen, wenn sie an einem sicheren Ort gut angekommen sind.

      Ich denke, Sie kennen das von sich. Nach einem langen Tag kommt man nach Hause, kickt die Schuhe in die Ecke, schnappt sich etwas zu trinken, vielleicht noch eine Tüte Chips, lässt sich in den Lieblingssessel fallen und zieht sich eine Decke über die Beine. Das ist der Moment, in dem dieses tiefe Seufzen aufsteigt.

      Auch in besonders schönen Augenblicken seufzen wir so – am Strand bei Sonnenuntergang oder wenn der Wanderweg plötzlich den Blick auf einen Bergsee freigibt, der unbewegt wie ein glänzender Spiegel vor uns liegt. Überwältigt von der Schönheit der Natur atmen wir tief durch. So ein Moment ist wie ein tiefer Trost. Alles ist gut. Manchmal stoßen wir diesen langen Seufzer auch aus, wenn wir uns an eine kostbare Wahrheit erinnern. Wir lesen einen Satz, der uns sagt, wie sehr Gott uns liebt. Dann lassen wir das Buch sinken, lehnen uns zurück und atmen auf, während die Seele Trost empfängt. Erst heute Morgen ging es mir so.

      Gut, wenn wir so seufzen können. Es zeigt, dass wir zur Ruhe gekommen sind und den Alarmzustand hinter uns gelassen haben.

       Kampf oder Flucht

      Wir leben in einer Welt, in der unsere Seelen viel zu oft in Alarmbereitschaft sind. Das Leben ist komplex geworden, die Anforderungen sind überwältigend. Ständig wechseln wir die sozialen Settings, laufend wird ein anderes Verhalten von uns verlangt. Dazu begleiten wir unzählige Menschen gleichzeitig durch traumatische Erfahrungen. Auch die Geräusche der Stadt erhöhen den Stresspegel rund um die Uhr, die dröhnenden Bässe aus dem Auto, das vier Fahrspuren neben uns unterwegs ist, lässt unseren ganzen Körper vibrieren. Es klingt alarmierend, bedrohlich wie entferntes Gewehrfeuer.

      Dank Smartphone und Internet strömt Tag für Tag eine Flut von Informationen auf


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