Wo die Seele atmen kann. John Eldredge
Читать онлайн книгу.so etwas Geringfügiges fertigbringt, warum macht ihr euch dann Sorgen um all das Übrige?“ (Lukas 12,25-26). Für Jesus ist es sehr wichtig, dass wir ihm alles überlassen. Er will das wirklich und meint es wörtlich. Deshalb hier noch einmal seine Einladung:
Bist du müde? Ausgelaugt? Hast du genug von toter Religion? Mach dich mit mir zusammen auf den Weg, dann wirst du dein Leben zurückgewinnen. Ich werde dir zeigen, wie man sich richtig ausruht. Lebe mit mir und arbeite mit mir – und schau mir zu, wie ich es mache. Von mir lernst du, wie entspannt man aus Gnade leben kann. Ich werde dir keinen Druck machen und nichts von dir verlangen, was nicht zu dir passt. Bleibe einfach in meiner Nähe, dann wirst du lernen, frei und unbeschwert zu leben. (Matthäus 11,28-30, frei nach der englischen „Message“-Übersetzung)
Legt alle eure Sorgen bei ihm ab, denn er sorgt für euch.
(1. Petrus 5,7)
Lebt sorglos vor Gott, er geht sehr vorsichtig mit euch um.
(1. Petrus 5,7, frei nach der englischen „Message“-Übersetzung)
Das sind keine Vorschläge. Die Bibel ist grundsätzlich kein Buch, das Vorschläge unterbreitet.
Es ist wirklich notwendig, dass wir innerlich immer wieder zu allen Nöten der ganzen Welt auf Abstand gehen und alle anderen Menschen samt allen Krisen, Verletzungen und Intrigen Gott überantworten. Jeden Tag müssen wir Zeiten einplanen, an denen wir uns bewusst von allem distanzieren. Alle Probleme dieser Welt, alles Leid, der jüngste Amoklauf, das letzte Erdbeben – unsere Seele ist nicht dafür angelegt, das alles zu ertragen. Grundsätzlich wurden wir nicht für so eine Welt geschaffen, wie wir sie jetzt erleben. Das ist alles viel zu tragisch. Die Kapazität unserer Seele ist begrenzt. Nur Gott kann die Last der ganzen Welt tragen, seine Kapazität ist grenzenlos. Das müssen wir uns jeden Tag neu klarmachen. Jesus trägt die Lasten, wir geben sie ihm.
Was für ein Angebot: Gott lädt uns zu einem unbeschwerten Leben ein. Wer schwere Lasten trägt, darf sie bei ihm ablegen. Alle unsere Sorgen übernimmt er. Unsere Bestimmung ist ein unbesorgtes, sorgloses Leben. Ist das nicht wie die Einladung zu einer gigantischen Party? Diese Zusammenhänge werden viel zu oft übersehen. Umso schöner, wenn wir sie jetzt gemeinsam entdecken dürfen. Wir können in eine ungeahnte Freiheit treten und Gott im Alltag in ganz neuer Weise erleben.
Man braucht etwas Übung, um diesen inneren Abstand zu allem Schweren herzustellen. Die Technik der einminütigen Pause ist ein guter Einstieg. „Gott, ich gebe dir alle Menschen und alle Themen, die mich belasten.“ Oft hilft er mir, hier konkreter zu werden. „Ich gebe dir die Verantwortung für das Wohl meiner Kinder“, wenn ich mir Sorgen um die Kinder mache. „Bitte kümmere du dich um diese Besprechung.“ „Ich gebe dir die Verantwortung für dieses Buch.“
Während wir so im Gebet die Lasten bei Gott abzulegen versuchen, können wir an der Reaktion unserer Seele genau ablesen, ob es uns wirklich gelungen ist, innerlich loszulassen. Wenn wir direkt nach unserem Gebet immer noch über dieselben Probleme nachdenken, haben wir uns noch nicht wirklich von ihnen gelöst. Dann dürfen wir noch einmal von vorne anfangen und alle Dinge erneut Gott anbefehlen, so lange, bis wir spüren, dass die Last wirklich verschwunden ist.
Vor dem Schlafengehen ist eine besonders gute Zeit für diese Übung. Meine Frau und ich machen das jeden Abend. „Jesus, wir geben dir alle unsere Lieben und alle unsere Probleme.“ Meistens zählen wir dann einiges auf. „Wir geben dir die Sorge um unsere Kinder, um unsere alt gewordene Mutter und wir befehlen dir auch das Drama an, das sich heute bei der Arbeit abgespielt hat. Bitte kümmere du dich um unseren Dienst und um die weltweiten Arbeitszweige, die uns so am Herzen liegen – überall sind so viele Menschen beteiligt, die dich brauchen. Auch diese letzte Schießerei mit all den Opfern legen wir vor dir nieder. Wir können damit nicht umgehen, es ist zu schwer für uns. Wir vertrauen das alles deiner Fürsorge an.“
Wenn wir das zu unserer Gewohnheit machen, verschaffen wir unserer Seele Raum. In unserem Denken und Fühlen entsteht Platz für Gott, den er einnehmen und ausfüllen kann.
Unsere Aufgabe ist es, Raum für Gott zu machen. Dann kommt er, denn er kommt gerne zu uns.
Übrigens tun wir auch den Menschen, um die wir uns sorgen, einen Gefallen, wenn wir sie in Gottes Hand legen. Viel zu oft belasten wir die anderen mit unseren besorgten Erwartungen, Hoffnungen und Bedürfnissen. Meistens geschieht das unbewusst, trotzdem ist es so. Statt den anderen zu zeigen, wie sehr wir unter ihren Lasten leiden und wie gerne wir von ihnen gefeiert und verstanden werden wollen, geben wir die Verantwortung für ihr Wohlergehen einfach ab. Alle werden erleichtert sein, weil niemand mit uns in einer seelischen Verstrickung leben will.
Es gibt keinen anderen Weg, als sich von allen Lasten zu lösen. Dann laufen wir „so sicher wie Wildpferde in der Steppe“ (Jesaja 63,13).
Drei
Schönheit trinken
Ein Grund, warum ich so gerne in Colorado lebe, sind die Wildblumen, die hier im Sommer blühen. Ich bin in einem Vorort von Los Angeles aufgewachsen, wo sich ein Einkaufszentrum ans andere reiht. Wollten wir Wildblumen sehen, mussten wir eine Stunde mit dem Auto aus der Stadt fahren, den Cajon-Pass hinauf oder nach Osten in die Wüste.
Aber hier, im westlichen Teil der Rocky Mountains, wo ich jetzt wohne, gibt es diese wunderbaren Sommermonate mit einer Fülle an unterschiedlichen Blumen. Alle Schattierungen von Blau bedecken die Landschaft, gemischt mit Rottönen, die von Orange über Rosa bis zu Dunkelrot reichen, dazwischen gelbe und weiße Blüten – es ist, als hätte ein Maler mit einer breiten Farbpalette den Pinsel geschwungen.
Eine meiner Lieblingsblumen ist ein hübsches kleines Pflänzchen, das man leicht übersehen kann: die Erika-Aster. Ihre weißen Strahlenblüten mit der gelben Mitte erinnern an Gänseblümchen. Sie sind klein, nur etwa so groß wie ein Centstück. Im Sommer bedecken diese Astern den Boden wie dicke Kissen, fünfzehn Zentimeter über der Erde. Im Herbst bleiben die Büsche von ihrer Größe her unverändert, werden aber trocken und strohgelb. Die Blüten erinnern dann an winzige Weidenkörbchen. Letzte Nacht gab es Regen und Frost und jetzt ist jedes Körbchen mit einer zarten Eisschicht überzogen. Sie sehen aus wie kleine Kristallgefäße, Hunderte davon, als würden die Feldmäuse zum Bankett einladen.
Menschen brauchen Sauerstoff zum Leben. Sehr viel sogar. Also hat Gott für uns einen Planeten erschaffen, der komplett von Sauerstoff umhüllt ist. Wir schwimmen in lebensnotweniger Luft wie die Fische im Meer. Strecken wir einen Arm aus, ist er von Sauerstoff eingehüllt, auch unsere Füße waten bei jedem Schritt im Sauerstoff. Gott hat dafür gesorgt, dass die Sauerstoffvorräte unseres Planeten täglich neu aufgefüllt werden. Die Wälder und Dschungel, sogar die Algen im Meer sorgen dafür. Wir nehmen rund um die Uhr Sauerstoff auf und Gott sorgt ununterbrochen für Nachschub. Grenzenlos und im Überfluss versorgt er uns mit allem, was gut und lebensnotwendig ist.
Mit dem Wasser ist es ebenso. Wir brauchen es Tag für Tag. Ohne Wasser gäbe es kein Leben. Länger als vier Tage kann kein Mensch ohne Wasser existieren. Denken wir nur daran, was mit Pflanzen passiert, wenn ihnen Wasser fehlt. Die Erde wird auch als der „Blaue Planet“ bezeichnet, weil es auf ihr so viel Wasser gibt. Das Wasser sammelt sich in den großen Weltmeeren, verdunstet und geht als Regen wieder überall auf der Erde nieder. Flüsse und Teiche, Seen und Ströme – auch in Bezug auf die Versorgung mit dem für uns so lebensnotwendigen Wasser sehen wir Gottes Großzügigkeit.
Genauso überreich, wie er uns mit Luft und Wasser versorgt, erfüllt Gott unsere Welt noch mit etwas anderem, das unsere Seele jeden Tag neu braucht: Schönheit. Unsere Welt ist gesättigt mit Schönem, mit atemberaubend vielen großen und kleinen schönen Dingen. Kann es sein, dass Gott uns so viel Schönes gibt, weil wir so viel davon brauchen? Ist Gott der Meinung, dass Schönheit lebensnotwendig ist? Hat er deshalb so viel davon gemacht? Ja wirklich, wir brauchen Schönheit zum Leben.
Doch abgesehen von manchen Künstlern und Dichtern kommen die meisten Menschen gar nicht auf die Idee, dass sie