Denkwürdigkeiten des Pickwick-Klubs. Charles Dickens

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Denkwürdigkeiten des Pickwick-Klubs - Charles Dickens


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der Pflege der Damen überlassen?«

      »Sie können mich in keine besseren Hände geben«, sagte Herr Tupman.

      »Unmöglich«, bemerkte Herr Snodgraß.

      Es wurde also beschlossen, Herr Tupman sollte unter der Pflege der Damen zu Hause bleiben, und die übrigen Gäste unter der Führung Herrn Wardles dem Spiele beiwohnen, das Muggleton aus seinem Schlummer geweckt und in Dingley Dell erregendes Fieber hervorgerufen hatte.

      Da ihr Weg, der nicht mehr als zwei (englische) Meilen betrug, durch schattige Heckengänge und über abgelegene Fußpfade führte, und sich ihre Unterhaltung um die reizende Landschaft drehte, die sie rings umgab, war Herr Pickwick beinahe geneigt, den Ausflug, den sie gemacht hatten, satt zu bekommen, als er sich in der Hauptstraße der Stadt Muggleton befand.

      Wer nur einigermaßen einen Sinn für Topographie hat, weiß, daß Muggleton eine Landstadt ist mit einem Bürgermeister, Beigeordneten und bevorrechteten Bürgern, die die durch das Parlament bestimmte Vorrechte einer Korporation genießen. Wer je die Adressen des Bürgermeisters an die Bürger, oder der Bürger an den Bürgermeister, oder beider an den Magistrat oder aller drei an die Stadtverordnetenversammlung gelesen hat, wird daraus ersehen, was er schon zuvor hätte wissen sollen, daß Muggleton eine alte und loyale Stadt ist, die mit einem großen Eifer für die Grundsätze des Christentums eine innige Anhänglichkeit an die Handelsgerechtsame verbindet. Demzufolge haben der Bürgermeister, der Magistrat und andere Einwohner zu verschiedenen Zeiten nicht weniger als tausendvierhundertzwanzig Eingaben wider den Sklavenhandel und eine gleiche Zahl von Eingaben gegen die Abschaffung des Fabriksystems im Vaterland, achtundsechzig für Gestaltung des Verkaufs von Kirchenpfründen und sechsundachtzig für Abstellung des öffentlichen Kaufs und Verkaufs an Sonntagen eingeschickt.

      Herr Pickwick stand in der Hauptstraße dieser berühmten Stadt und betrachtete die Dinge, die ihn umgaben, voll Neugierde und Teilnahme. Er sah einen viereckigen Marktplatz, und mitten darauf einen großen Gasthof mit einem Schilde, der einen in der Kunst sehr gewöhnlichen, in der Natur aber höchst seltenen Gegenstand darstellte: einen blauen Löwen, der drei Beine in die Lüfte streckte, und auf der Spitze der mittleren Klaue seines vierten Beines herumbalancierte. In der Nähe wohnte ein Auktionator, ein Agent der Feuerversicherungsgesellschaft, ein Kornhändler, ein Leineweber, ein Sattler, ein Branntweinbrenner, ein Kolonialwarenkaufmann und ein Schuhmacher. Dieser hatte einen Laden, in dem außer den Erzeugnissen seiner Kunst auch noch Hüte, Mützen, Kleider, baumwollene Regenschirme und gemeinnützige Kenntnisse zu haben waren. Hier stand ein Haus aus roten Backsteinen in einem gepflasterten Hofe, dem jedermann ansah, daß es dem Staatsanwalt gehörte, dort ein anderes aus Backsteinen erbautes Haus mit venetianischen Fensterblenden und einer großen Messingplatte an der Tür, worauf sehr leserlich geschrieben stand, daß hier ein Wundarzt wohne. Einige Jungen eilten dem Schauplätze des Wettspiels zu, und zwei oder drei Krämer standen unter ihren Ladentüren und sahen aus, als hätten sie ebenfalls Lust, der Festlichkeit beizuwohnen, was sie auch ohne große Beeinträchtigung ihres Berufs getrost hätten wagen dürfen. Nachdem Herr Pickwick diese Beobachtungen gemacht hatte, um sie später in sein Gedenkbuch einzutragen, eilte er schnell seinen Freunden nach, die die Hauptstraße verlassen hatten und bereits den Kampfplatz vor sich sahen.

      Die Pfähle waren eingerammt und ein paar Zelte für die Kämpfer aufgeschlagen, worin sie ausruhen und Erfrischungen zu sich nehmen konnten. Das Spiel hatte aber noch nicht begonnen. Zwei oder drei Dingleydeller und einige Muggletoner belustigten sich damit, den Ball mit wichtiger Miene lustig von Hand zu Hand fliegen zu lassen: einige andere Herren in derselben Tracht, mit Strohhüten, Flanelljacken und weißen Hosen – ein Anzug, in dem sie wie Steinmetzen aussahen – standen um die Zelte herum, und Herr Wardle führte seine Gesellschaft eben in ein solches ein.

      Einige Dutzend »Wie geht's?« begrüßten den alten Herrn, und ein allgemeines Hutabnehmen und Hinunterziehen der Flanelljacken folgte der Einführung seiner Gäste, die er als Herren aus London vorstellte. Sie wären außerordentlich begierig, den Feierlichkeiten des Tages beizuwohnen, die, wie er nicht zweifle, ihren vollen Beifall finden würden.

      »Wollen Sie nicht lieber ins Hauptzelt treten, Sir?« sagte ein sehr stattlich aussehender Gentleman. Sein Leib und seine Beine sahen aus, als stünde die Hälfte eines riesigen Flanellballens auf ein Paar ausgestopften Kissen.

      »Sie sehen es hier weit besser«, sagte ein anderer stattlicher Gentleman, der genau der zweiten Hälfte des vorerwähnten Flanellballens entsprach.

      »Sie sind sehr gütig«, versetzte Herr Pickwick.

      »Hierher«, sagte der erstgenannte Herr; »hier wird aufgeschrieben – es ist der beste Punkt auf dem ganzen Felde.« Und der Kricketspieler schritt der Gesellschaft voran in das bezeichnete Zelt.

      »Fabelhaftes Spiel – famoses Vergnügen – schöne Übung – äußerst schön«, waren die Worte, die an Herrn Pickwicks Ohren schlugen, als er in das Zelt trat. Der erste Gegenstand, dem seine Blicke begegneten, war sein grüngekleideter Freund von der Rochester Postkutsche. Er machte die Unterhaltung vor einem erlesenen Kreise der Honoratioren von Muggleton zu nicht geringer Ergötzung und Erbauung seines Auditoriums. Sein Anzug hatte sich etwas gebessert und er trug Stiefel: aber man erkannte ihn auf den ersten Blick.

      Auch der Fremde erkannte seine Freunde sogleich. Er sprang auf, nahm Herrn Pickwick bei der Hand und führte ihn mit seiner gewohnten Hast zu einem Sitze, indem er unaufhörlich schwatzte, als ob das Ganze unter seiner besonderen Leitung und Obhut stände.

      »Hierher – hierher – Kapitalspaß – Bier eimerweise – Rinderportionen – ganze Ochsen – Senf – Wagen voll – glorreicher Tag – setzen Sie sich – tun Sie, als ob Sie zu Hause wären – freut mich, Sie zu sehen – außerordentlich.«

      Herr Pickwick setzte sich, weil man es so haben wollte. Die Herren Winkle und Snodgraß fügten sich ebenfalls in den Willen ihres geheimnisvollen Freundes. Herr Wardle sah mit stummer Verwunderung zu.

      »Herr Wardle – ein Freund von mir«, sagte Herr Pickwick.

      »Ein Freund von Ihnen? – Wie geht es Ihnen, mein Wertester? – Ein Freund von meinem Freunde. Ihre Hand, mein Herr.«

      Und der Fremde ergriff Herrn Wardles Hand mit aller Glut einer mehrjährigen innigen Freundschaft, trat dann einen oder zwei Schritte zurück, als wollte er ihn erst recht genau von Angesicht zu Angesicht betrachten. Dann schüttelte er seine Hand von neuem und womöglich noch wärmer als zuvor.

      »So, so, und wie kommen Sie hierher?« fragte Herr Pickwick mit einem Lächeln, in dem Wohlwollen mit Überraschung kämpfte.

      »Hierher kommen?« erwiderte der Fremde – »in der Krone abgestiegen – Krone zu Muggleton – eine Gesellschaft getroffen – Flanelljacken – weiße Hosen – Sandwichschnitten mit Sardellen – saure Nieren – treffliche Gesellen – fabelhaft.«

      Herr Pickwick war mit dem stenographischen System des Fremden hinlänglich bekannt, um aus diesen abgebrochenen Mitteilungen zu entnehmen, daß er auf die eine oder andere Weise mit den Muggletonern eine Bekanntschaft angeknüpft hatte. Er hatte diese dann mit dem ihm eigenen Verfahren auf den Grad einer Kameradschaft gesteigert, worauf leicht eine allgemeine Einladung erfolgt sein mochte. Seine Neugierde war also befriedigt. Er setzte sich seine Brille auf und schickte sich an, dem Spiele zuzusehen, das eben seinen Anfang nahm.

      Muggleton hatte den Vortritt, und die Teilnahme wurde ungeheuer, als die beiden berühmtesten Mitglieder des ausgezeichnetsten Klubs, Herr Dumkins und Herr Podder, mit den Ballhölzern in der Hand an ihre Pfähle traten. Herr Luffey, der Stolz Dingley Dells, ward aufgestellt, gegen den furchtbaren Dumkins den Ball zu werfen, und Herr Struggles ausersehen, dem niebesiegten Podder denselben Freundschaftsdienst zu erweisen. Einige Spieler wurden beordert, an verschiedenen Stellen des Feldes »aufzupassen«. Jeder nahm die erforderliche Stellung ein, indem er die Hände auf die Knie stemmte, als wollte er eben einen Reiter Huckepack nehmen. Alle ordentlichen Ballspieler verfuhren so; und es gilt allgemein als unmöglich, bei einer andern Stellung gehörig aufzupassen.

      Die Schiedsrichter stellten sich hinter die Pfähle: die Punktzähler waren bereit, aufzuschreiben. Eine atemlose Stille


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