Auf den Flügeln der Liebe. Barbara Cartland
Читать онлайн книгу.hört sich ja fast wie ein Märchen an«, sagte Armand. »Hoffen wir, daß das Märchen glücklich ausgeht.«
Madame lachte.
»Aha«, meinte sie spitzbübisch, »Monsieur möchten, daß meine Geschichte mit einer Romanze endet! Da werden Monsieur nicht einmal enttäuscht werden, denn man hört, daß die Comtesse schon bald mit einem sehr vornehmen und äußerst wichtigen Mann verlobt werden soll.«
»Ach, wirklich?«
Armands Stimme klang plötzlich kalt. Die Hitze in der Küche und der Essensgeruch verursachten ihm mit einem Mal Übelkeit. Er wandte sich ab und trat gähnend durch die Tür ins Freie. Madame starrte ihm nach, verblüfft darüber, daß er sich so ohne ein weiteres Wort davonmachte.
Armand steuerte zielstrebig und ohne Zögern auf den Stall zu. Er rief den Stallknecht, trug ihm auf, seinen Hengst zu satteln, und wartete ungeduldig, bis der Knecht fertig war.
»Monsieur verlassen uns?« wollte der Knecht wissen.
»Nein! In ein paar Stunden bin ich wieder zurück.«
Damit schwang Armand sich in den Sattel.
Der schwarze Hengst, der nach der langen Nachtruhe erholt und voller Energie war, bäumte sich auf und tänzelte durch den Hof. Als Armand ihn schließlich in der Gewalt hatte, galoppierte er zum Château.
Genauso vernachlässigt, wie die überwucherte Auffahrt wirkte bei näherem Hinsehen auch das Château selbst; Fensterscheiben fehlten, die Fensterstürze bedurften dringend eines neuen Anstrichs, und die Gärten, die sich bergab bis zum See erstreckten, wucherten wild und ungepflegt.
Und doch war das Gebäude, dessen graue Mauern sich im Wasser spiegelten und dessen prächtige Formen auch durch äußeren Makel nicht beeinträchtigt wurden, sehr eindrucksvoll.
Armand stieg vor der Eingangstür ab und zog an der verrosteten Klingelkette. Es dauerte lange, bis die Tür geöffnet wurde.
Er hörte langsame, schlurfende Schritte im Flur, das Rasseln von Ketten und Schlössern, bis sich schließlich die Eichentür öffnete und ein alter Diener in einer schmutzigen, geflickten Livree, mit einer schiefen Perücke und kurzsichtigen, trüben Augen vor ihm stand.
»Oui, Monsieur?«
»Ich bin hier, um Madame la Duchesse de Malessene einen Besuch abzustatten«, sagte Armand.
»Gewiß doch, Monsieur. Würden Monsieur so freundlich sein einzutreten?«
Der alte Mann öffnete die Tür etwas weiter, doch Armand warf einen bedeutsamen Blick auf sein Pferd. Der alte Mann wurde nervös.
»Monsieur sind zu Pferde! Ach je, wie soll ich den Stallknecht nur so schnell hierherkommen lassen? Es ist ein langer Weg - Monsieur müßten warten.«
Er stand unschlüssig und mit besorgter Miene da. Armand schwieg, woraufhin der Diener nach einer Weile heraustrat und die Zügel des Pferdes ergriff.
»Ich werde das Pferd selbst zum Stall bringen. Treten Sie ein, Monsieur, und gehen Sie immer den Gang entlang. Sie treffen Madame im Purpursalon, der zum See hinausliegt, an. Sie müssen entschuldigen, Monsieur, wir haben keinen Besuch erwartet, und uns fehlen Arbeitskräfte - sehr viele Arbeitskräfte sogar.«
Der Alte führte das Pferd davon, und Armand betrat das Château, mit einem leichten Lächeln auf den Lippen.
Er legte seinen Hut auf dem Tisch im Flur ab. Die Möbel waren wertvoll, doch der Gang war weder mit einem Teppich ausgelegt noch gefegt, und Armands Schritte hallten laut wider, während er eine hohe Marmorhalle durchquerte, von der aus eine kunstvolle Treppe nach oben führte.
Niemand war zu sehen. Er zögerte einen Moment, da vor ihm eine ganze Anzahl von Türen lagen; es ließ sich schwerlich erraten, hinter welcher der Purpursalon lag. Endlich entschloß sich Armand zu einem Versuch, öffnete eine Tür und betrat ein riesiges Zimmer, dessen Wände mit Gobelins behängen waren, das ansonsten jedoch jeder Einrichtung entbehrte.
Er wollte sich schon wieder zurückziehen, als er Stimmen hörte und merkte, daß auf der gegenüberliegenden Seite des Zimmers eine Tür offenstand.
Er ging leise über das Parkett und warf durch eine halbgeöffnete Tür einen Blick in ein Zimmer mit Stühlen und Wandbehängen aus purpurroter Seide.
Die Stimmen kamen vom Fenster. Jetzt sah er eine ältere Dame, die in einem Sessel aus purpurnem Samt mit einer hohen Lehne saß und von den Sonnenstrahlen, die durch das offene Fenster hereinfielen, beschienen wurde. Das mußte die Herzogin sein.
Sie war auffallend klein, wirkte jedoch äußerst ehrfurchtgebietend. Ihre Haut war welk und von Falten durchzogen, und ihre aristokratische Nase mit dem hohen Rücken stach aus ihrem Gesicht wie ein verblichener Elfenbeinturm hervor. Ihre kleinen, stechenden Augen bewegten sich unaufhörlich, als fürchte sie, irgendetwas könne ihr entgehen.
Sie trug die Kleidung einer vergangenen Generation - einen weiten Reifrock und ein Kleid mit einer tiefsitzenden, reich verzierten Taille, und auf ihrem Kopf saß eine scheußliche rote Perücke, die mit Juwelen geschmückt war.
Sie wäre ein wirklich lachhafter Anblick gewesen, hätte sie nicht eine angeborene Würde besessen, die jeden, der mit ihr sprach, augenblicklich ihre äußere Erscheinung vergessen ließ, und einen Sinn für Humor, der für sie selbst und alle, die sie kannten, eine nie versiegende Quelle des Vergnügens und der Freude war.
Auf einem Stuhl neben der Herzogin, eine Stickerei im Schoß, saß Rêve in einem weißen Musselinkleid, das mit blauen Bändern besetzt war.
»Glauben Sie, daß er heute kommen wird?« hörte Armand sie fragen.
Die alte Dame machte eine vielsagende Bewegung mit ihren dünnen Händen; die Sonne glitzerte dabei auf ihren Ringen.
»Wer weiß schon zu sagen, was ein junger Mann tut«, erwiderte sie mit einer spröden, knarrenden Stimme. »Außerdem hat er einen sehr langen Weg zurückzulegen.«
»Ja, das stimmt!« sagte Rêve. »Und auf dem Wege lauern so viele Gefahren, die ihn vielleicht aufgehalten haben. Ich frage mich -«
Sie brach ab, und ihre Augen weiteten sich voll Erstaunen, als sie Armand in der Türöffnung entdeckte.
Einen Augenblick starrte sie ihn fassungslos an, als traue sie ihren Augen nicht; dann erhob sie sich langsam, und die Röte schoß in ihre Wangen.
Im Sonnenlicht ist sie sogar noch schöner, dachte Armand. Der Mond war nicht stark genug, um ihre feine weiße Haut und ihre Augen, die unter den dunklen Wimpern in einer außergewöhnlichen Mischung aus Grün und der Farbe des Bernsteins schimmerten, zu zeigen. Doch als Armand das Zimmer betrat, blickte er nicht Rêve, sondern deren Großtante an, die ihn durch eine goldgerahmte Lorgnette musterte.
Armand schritt mit äußerster Gelassenheit zum Sessel der Herzogin, verbeugte sich und sagte: »Ich bitte Eure Hoheit, meinen unangekündigten Besuch zu entschuldigen, aber Ihr Diener bringt mein Pferd zum Stall, er sagte mir, daß ich Sie hier finden könne.«
»Und Ihr Name, junger Mann?« fragte die Herzogin.
»Ich bin Armand de Segury. Mein Vater, Maurice de Segury, trug mir auf, Ihnen einen Besuch abzustatten und meine Aufwartung zu machen.«
»Maurice de Segury...?« wiederholte die Herzogin, als gebe sie sich große Mühe, sich an diesen Mann zu erinnern.
»Es ist viele Jahre her, Eure Hoheit, daß Sie meinen Vater sahen«, sagte Armand. »Aber er hat oft von Ihrer Klugheit und Ihrer Schönheit gesprochen, und jetzt, da ich Sie sehe, kann ich nur zu gut verstehen, daß es für ihn leichter ist, sich Ihrer zu erinnern, als für Sie, sich seiner zu entsinnen.«
Die Herzogin kicherte.
»Ihr Vater hat Ihnen zumindest beigebracht, geschickt zu schmeicheln, junger Mann. Im Moment kann ich mich an Ihren Vater nicht erinnern, aber wenn man einmal so alt ist wie ich, spielt einem das Gedächtnis oft einen Streich.«
Wieder