Zenjanisches Feuer. Raik Thorstad
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Deutsche Erstausgabe (ePub) Juli 2020
© 2020 by Raik Thorstad
Verlagsrechte © 2020 by Cursed Verlag
Inh. Julia Schwenk, Taufkirchen
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,
des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung
durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit
Genehmigung des Verlages.
Satz & Layout: Cursed Verlag
Covergestaltung: Hannelore Nistor
Coverillustration: creationwarrior
Druckerei: CPI Deutschland
Lektorat: Anne Sommerfeld
ISBN-13: 978-3-95823-832-9
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Klappentext:
Heimatlos und doch gemeinsam versuchen Sothorn und Geryim ihr neu gefundenes Glück zu genießen, doch das Schicksal lässt sie nicht zur Ruhe kommen. Nicht nur der immer knappere Vorrat an Lotus schürt ihre Sorgen, sondern vor allem die neu erwachten Fähigkeiten in Sothorn, die ihn und alle Mitglieder der Bruderschaft in Gefahr bringen. Er begibt sich mit Geryim auf die Suche nach dem Ursprung des Feuers in sich und folgt dabei den rätselhaften Stimmen, die ihn schon lange begleiten. Doch keiner der beiden ahnt, dass sie auf dem Weg sind, das Schicksal Sundas für immer zu verändern.
Prolog
Es gab an diesem Ort weder Ratten noch Vögel, selbst Spinnen hielten sich fern. Die Wurzeln der nahestehenden Bäume strebten ahnungsvoll in eine andere Richtung. Kein Mensch setzte den Fuß über die einstige Schwelle, selbst die nimmermüden Schatzsucher zweifelhafter Gesinnung blieben aus. Das Leben war verschwunden.
Nur tief im Geröll besserer Tage regte sich etwas.
»Es ist Zeit anzunehmen, was geschehen ist, Liebste. Du darfst nicht länger in die Ferne schweifen.« Sorge ließ die ferne Stimme barsch klingen. Schmerz lag darin – und Angst vor einem Verlust, der nicht verwunden werden konnte.
Die Antwort war wie das Rascheln eines fallenden Blattes. »Vertrau mir. Uns hat sich ein Weg eröffnet. Nach all der Zeit steht das Tor einen Spaltbreit offen. Ich kann die Gelegenheit nicht verstreichen lassen, ohne…«
»Du hast getan, was du konntest. Aber jetzt musst du zurückkehren«, unterbrach er sie drängend. »Er unterwirft sich dir nicht.«
Ein Knarren hallte durch die finsteren Gänge. Kaum mehr als ein Echo, aber es hatte genug Kraft, um Staubkaskaden von Türstürzen und zerborstenen Säulen rieseln zu lassen. Asche legte sich auf verkohlte Holzreste, die aus dem Felsen ragten wie schwarzes Gebein.
»Ich will nicht seine Unterwerfung«, erwiderte sie sanftmütig. Mit jedem Wort wurde die Anstrengung in ihrem Singsang offensichtlicher. »Er soll nicht vor mir knien. Ein gebrochener Ast hält das Gewicht der Äpfel nicht, das gelingt nur einem gesunden Trieb. Und er braucht mich.«
Für einen Herzschlag breitete sich verwundertes Schweigen zwischen den Welten aus. Dann gellte ein Fluch durch den Stein. »Der lange Schlaf muss deinen Geist verwirrt haben. Du schenkst ihm deine Kraft? Einer Hoffnung wegen, die längst verweht ist? Dazu hast du kein Recht!«
»Ich habe jedes Recht!«, antwortete die weibliche Stimme. »Es ist meine Kraft, die ihn nährt, nicht deine. Zum ersten Mal seit einer Ewigkeit dürfen wir hoffen. Und ich gebe ihn nicht auf. Ich habe ihn gerettet, als er im Sterben lag. Ich habe ihn getröstet, als er geschrien hat. Und ich werde an ihn glauben, bis er mich eines Besseren belehrt.«
Ein Grollen im Untergrund zeugte von den heißen Quellen, die unter dem Geröll brodelten, und spiegelte die Empfindungen des Unsichtbaren wider. Ihm war nach Toben und Schreien zumute. Was, wenn er sie verlor? Was, wenn sie nach all den Jahrhunderten mühsamsten Darbens auseinandergerissen wurden? Was, wenn er allein zurückblieb?
Er zwang sich zur Ruhe. »Was immer du ihm gibst, er wird es nicht schaffen. Sein Leib ist zerbrechlich, seine Seele beschädigt. Er ist ein allzu kleines Gefäß und wird zerbersten wie ein überbeanspruchter Krug. Ich dachte, dir liegt an ihm.«
Ihr Lachen klang wie Silber. Dafür hatte er sie stets geliebt. Für ihr Gelächter – und für ihre Bereitschaft zu schonen, wo andere rücksichtslos nahmen. Aber mit der Zeit waren sie alle hart geworden. Manchmal glaubte er, dass sie nichts anderes verdient hatten.
»Mir liegt an ihm. Dessen kannst du dir sicher sein«, erklärte sie. »Aber ich bin von seiner Stärke überzeugt. Ich glaube an ihn, wie die Frau mit der gebrochenen Stimme an den Tierkrieger geglaubt hat. Er hat Schaden genommen, aber er weiß seinen Weg zu gehen.« Sie verstummte, bevor sie stimmlos hinzufügte: »Die Zeit nagt an uns. Zu viele von uns erwachen nicht mehr, wenn sich die Mondgöttin am Himmel zeigt. Bald wird niemand mehr da sein, von dem der Bann genommen werden kann.«
Zum ersten Mal erlaubte sie ihm, in ihre Seele einzutauchen und ihre Ängste zu sehen.
Sie spürte die Zeit, die sich wie ein gieriges Nagetier zum Baum der Ewigkeit fraß. Mochten ihre Körper auch unzerstörbar sein, ihr Geist war es nicht. Wahn und Schwermut waren ihre ärgsten Feinde.
Sein Seufzen war ein Luftwirbel in einem leeren Raum. Schweren Herzens berührte er sie mit seiner Macht. Er erschrak, als er merkte, wie schwach sie geworden war.
Behutsam schob er Bilder vergangener Zeiten in ihr Bewusstsein. Die Talsenke von F'Bal im Frühjahr, erleuchtet von schwärmenden Glühwürmchen, die über dem Sumpfwasser tanzten. Erdige, betörende Gerüche, die zum Verweilen einluden. Das Rascheln und Singen ungezählter Kreaturen, die die umliegenden Wälder belebten. Über ihnen die Mondgöttin mit ihrem Kind.
Das innere Beben seiner Gefährtin ließ ihn wissen, dass er sie zu lang allein gelassen hatte. Sie flehte ihn um Hilfe an. Wäre er in der Lage gewesen, sich zu bewegen, hätte er den Kopf geschüttelt. So aber schwieg er und ließ ihr seine Kraft zukommen, damit sie sich erholen und fortsetzen konnte, was sie begonnen hatte.
Kapitel 1
Spuren im Schnee
Der Sud aus Schwefeldolde und altem Wein roch würzig, zu süß und so faulig, dass sich Geryims leerer Magen verkrampfte. Dennoch stand die heiße Flüssigkeit für das vage Gefühl von Heimat, dem er verbissener denn je nachjagte.
Zitternd und benommen vor Hunger hob er den Blick, noch nicht bereit, den Becher mit dem Sud zu leeren. Er war allein auf der Lichtung. Die krumm gewachsenen Fichten und das dornige Buschwerk im Umkreis waren ebenso von dichtem Schnee bedeckt wie der unebene Erdboden. Das allgegenwärtige Weiß blendete Geryim, als er sich einem tief verankerten Instinkt folgend nach der dunklen Gestalt eines gewissen Blauschwanzadlers umsah. Doch Syv war ebenso wenig in der Nähe wie einer seiner Kameraden. Er selbst hatte sie fortgeschickt. Sie lagerten an der Küste, wärmten sich am lodernden Feuer und warteten auf seine Rückkehr.