Mami Staffel 12 – Familienroman. Sina Holl
Читать онлайн книгу.ein paar Stunden, daß sie und Stefan längst kein Paar mehr waren.
Als sie zu vorgerückter Stunde aufbrachen, fragte Stefan: »Wo steht dein Wagen?«
Sie kicherte albern. »Noch immer vor dem Fürstenhof. Hast du vergessen, daß wir mit deinem Wagen hierhergefahren sind?«
Stefan sah sich orientierungslos um und fuhr sich durchs Haar. »Und wo steht mein Auto?«
»Da vorne. Aber ich denke, ich werde dich nach Hause fahren. Du hast etwas getrunken, und bis zum Fürstenhof sind es nur ein paar Meter zu Fuß.«
»Du meinst wohl ein paar Kilometer«, murrte er, ließ sich jedoch von Silvia mitziehen.
»Ach, jetzt stell dich nicht so an! Ein kleiner Spaziergang und die frische Luft wird Ihnen guttun, Herr Richter.«
Auch auf dem Weg zu Silvias Wagen schwelgten beide in Erinnerungen an vergangene Tage.
»Ich habe mich heute abend köstlich amüsiert«, meinte Stefan schließlich. »Vielleicht ist es ganz gut, daß Sonja nicht mitkommen konnte. Ich denke, sie hätte kein Verständnis, daß wir leichte Hausmannskost einem luxuriösen Mahl vorgezogen haben.«
Silvia nickte lachend. Sie stellte fest, daß sie die Freundin überhaupt nicht an diesem Abend vermißt hatte.
Stefan dirigierte Silvia zu der Straße, in der er wohnte. Vor einem eleganten Mehrfamilienhaus sagte er: »Hier ist es.«
Mit einem Schlag war Silvias Heiterkeit verschwunden, und die graue Wirklichkeit hatte sie wieder. Hier würde Stefan also bald mit seiner geliebten Anke leben!
Sie spürte, daß Stefan sie betrachtete und wagte nicht, den Kopf in seine Richtung zu wenden.
»Silvia«, sagte er plötzlich sanft. »Es war ein wunderschöner Abend.« Er beugte sich zu ihr hinüber und streichelte zärtlich ihr Haar.
»Ich glaube, es ist besser, wenn du jetzt aussteigst«, erwiderte sie mit beklommener Stimme. »Es war wirklich sehr schön, in der Vergangenheit zu schwelgen, aber nun sind wir wieder in der Gegenwart.«
Augenblicklich ließ Stefan seine Hand sinken. Er räusperte sich und sagte tonlos: »Du hat recht. Wir müssen die Vergangenheit ruhen lassen. Komm gut nach Hause.«
Erst, als er im Hauseingang verschwunden war, startete Silvia ihren Wagen. Mit tränenverschleiertem Blick lenkte sie ihn durch die leeren Straßen.
Es war ein Fehler gewesen, sich mit Stefan zu treffen; jetzt tat es noch mehr weh, daß er nicht mehr frei war. Daß er sie zum Abschied küssen wollte, hatte sicherlich nichts zu bedeuten. Stefan schien wohl für einen kurzen Moment geglaubt zu haben, daß sie wieder die verliebten Jura-Studenten von einst gewesen waren.
Als Stefan am Mittag vor dem Gerichtsgebäude gefragt hatte, ob sie und Sonja, die ebenfalls im Gericht zu tun gehabt hatte, dem armen Strohwitwer bei einem feinen Essen Gesellschaft leisten wollten, hatte Silvia gezögert. Sonja jedoch hatte sofort begeistert eingewilligt. Sicher, so glücklich wie an diesem Abend war Silvia schon lange nicht mehr gewesen, aber der Preis, den sie nun dafür zu zahlen hatte, war zu hoch. Nun wußte sie mit letzter Bestimmtheit, daß Stefan der einzige Mann auf der Welt war, der sie glücklich machen konnte – und dabei tat er unbewußt genau das Gegenteil.
*
In den nächsten Tagen hörte und sah Silvia nichts von Stefan, und sie war erleichtert darüber. Der nächste Gerichtstermin war erst in einigen Tagen, und sie würde es dann mit Richter Löhrmann zu tun haben.
Sonja hatte mehrmals versucht, Silvia wegen des Abends auszufragen, doch diese antwortete stets: »Es war nett mit ihm, wir hatten endlich mal die Ruhe, von früher zu erzählen.«
»Frau Kirstein, ein Herr möchte Sie sprechen«, schnarrte plötzlich Verena Böttchers Stimme durch die Sprechanlage.
Stefan! dachte Silvia im ersten Impuls und bat die Sekretärin, den Besucher zu ihr zu schicken, ohne nach dessen Namen zu fragen.
Doch nicht Stefan, sondern Robert betrat wenig später den Raum.
»Du?« fragte sie verdutzt. »Was treibt dich denn hierher?«
»Darf ich mich erst mal setzen?« Ohne eine Antwort abzuwarten, zog sich Robert einen der Besucherstühle heran und ließ sich darauf nieder. »Wir müssen etwas bereden.«
»Aha, und warum suchst du mich in meiner Kanzlei deswegen auf?«
»Am Telefon läßt sich das schlecht erklären – und bei dir zu Hause hat man auch keine Ruhe.«
»Also, was willst du?« Inzwischen konnte sie Robert gelassen begegnen, als wären sie nie etwas anderes als flüchtige Bekannte gewesen.
»Ich habe vor, nach der Scheidung die Stadt zu verlassen. Ich werde wieder heiraten.«
»Herzlichen Glückwunsch«, gab sie spöttisch lächelnd zurück. »Wer ist denn die Glückliche?«
»Das spielt doch keine Rolle.« Er machte eine ärgerliche Handbewegung. »Es geht um das Sorgerecht für Alex.«
Silvia setzte sich kerzengerade hin. »Wie meinst du das? Wir waren uns doch einig, daß ich das Sorgerecht für beide Kinder bekomme.«
»Das war, bevor ich Diana kennengelernt habe. Sie ist die perfekte Frau für mich; leider hat sie in München ihre Modeboutique. Also werde ich zu ihr ziehen.«
»Und was hat das mit Alex zu tun?« fragte Silvia, obwohl sie bereits ahnte, auf was Robert hinauswollte.
»Ich möchte ihn mitnehmen; schließlich ist er auch mein Sohn.«
Aufgebracht sprang Silvia von ihrem Stuhl. »Das kannst du nicht machen.«
»Und aus welchem Grunde nicht?«
»Er würde nicht nur Jana, sondern auch mich schrecklich vermissen. Außerdem war er sehr schockiert, als er dich mit dieser Manuela zusammen gesehen hat.«
»Ach, darüber brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Er wird sich schon an Diana gewöhnen, sie ist eine wirklich bezaubernde, warmherzige Frau – und in den Schulferien kann er dich und Jana doch besuchen. Außerdem wirst auch du eines Tages sicherlich wieder heiraten, da müßte sich der Junge auch an deinen neuen Partner gewöhnen.«
»Ich werde ganz bestimmt nicht wieder heiraten, und selbst wenn, könnte ich es niemals übers Herz bringen, die Kinder zu trennen.«
»Sie werden es überstehen.« Er stand auf, und Silvia bemerkte flüchtig, daß er viel zuviel seines teuren After shaves aufgetragen hatte. »Ich habe heute morgen bereits mit meinem Anwalt gesprochen. Du wirst von ihm hören. Einen schönen Tag wünsche ich noch.«
Fassungslos ließ sich Silvia auf den Stuhl zurückfallen. Nachdem sie sich einigermaßen von dem Schock erholt hatte, wählte sie Sonjas Nummer.
»Der spinnt wohl!« war ihre direkte Reaktion. »Mach dir keine Sorgen, damit wird Robert niemals durchkommen.«
»Ich habe aber Angst, daß er es doch schafft. Sein Anwalt ist sehr gerissen.«
»Na, hör mal! An mir hat sich schon so mancher gegnerische Anwalt die Zähne ausgebissen!«
»Entschuldige, ich wollte nicht deine Kompetenz kritisieren«, gab Silvia lahm zurück. »Glaubst du wirklich, wir können Robert daran hindern, daß er mir Alex fortnimmt?«
»Immerhin gibt es Gesetze, die auch dein lieber Mann zu beachten hat – das solltest du als Anwältin eigentlich wissen.«
»Ach, wenn es um die eigene Familie geht, bin ich ziemlich ratlos«, sagte Silvia seufzend.
»Dafür hast du ja mich«, gab Sonja zuversichtlich zurück. »Laß den Kopf nicht hängen. Wenn du von Roberts Anwalt Bescheid bekommen hast, melde dich bei mir.«
»Das werde ich.«
Nachdenklich stützte Silvia nach dem Gespräch den Kopf in die Hände. Alles war so kompliziert geworden, nichts schien