Hinkels Mord. Christina Bacher

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Hinkels Mord - Christina Bacher


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herumgetrieben und hat gebettelt und gestohlen. Die Mutter tot, der Vater weg. Um die ist es nicht schade, das sag ich Ihnen unter vier Augen. Da trauert keiner. Die hat ihren Tod durch ihr liederliches Verhalten doch selbst verursacht, wenn man so will. Und ihr Kind hat sie noch mit ins Verderben gerissen. Was ihr meinem guten Jungen da anhängen wollt, ist in Wahrheit Hinkels Mord. Dafür müsstet ihr euch schämen. Ihr haltet ihn schon tagelang ohne irgendwelche Beweise bei Wasser und Brot fest. Da geht es doch nicht mit rechten Dingen zu. Mein Bub ist ein Sündenbock, so sieht es nämlich aus. Weil es immer die kleinen Leute trifft, die sich nicht wehren können. Dabei hat er es schon schwer genug gehabt im Leben. Ohne Vater hat er aufwachsen müssen, weil alle aus der Familie so schwach auf der Brust sind und immer früh starben. Und als er tot war, mein Mann, hab ich mit seinen zwei Bälgern hier gesessen. Wir sind fast verhungert. Die Gürtelrose hat den Ludwig fast dahingerafft, da ist er erst elf Jahre alt gewesen. Ich hätt ja noch mal heiraten wollen, aber wer nimmt schon eine alte, krumme Witwe mit zwei Fressern? Aus dem Hettche-Haus hab ich mich aber nicht vertreiben lassen, obwohl die Haddamshäuser alles versucht haben, mich hier rauszuekeln. Krumm und buckelig geschuftet haben wir uns all die Jahre, die Buben und ich, um das Haus zu halten. Dabei pfeift es hier aus jedem Loch. Das Dach ist undicht und das Mauerwerk müsst mal nachgebessert werden. Hilfe bräucht ich. Und keine Scherereien.

      Und jetzt kommen Sie daher und fragen mich, wo der Ludwig am Mordtag gewesen ist? Ja, hab ich das nicht schon Ihren Kollegen erzählt? Hier im Haus ist er gewesen. Gearbeitet hat er, den ganzen Tag, rechtschaffen wie er ist. Dann hat er, und das kann der feine Herr Steuereinnehmer Burk ja bezeugen, unsere Steuern entrichtet. Wie es sich gehört. Sehen Sie.

      Was? Ich kann das gar nicht wissen, ob er zur nämlichen Uhrzeit daheim war, weil ich selbst nicht da war? Ich war beim Hassenpflug, in Gottes Namen. Wäsche waschen. Ja, darf man nicht mal seine Wäsche mehr waschen? Ich sag Ihnen mal was: Sie haben den Falschen in Gewahr. Ich gehe die Tage zum Koburger, sind ja nur ein paar Schritte rüber nach Marburg in die Barfüßerstraße 23, und werde ihn warnen, wen er sich da als Gesellen ins Haus geholt hat. Einen Lügner nämlich, der unbescholtene Familien beschuldigt.

       Und was? Der Bürgermeister von Ockershausen hat Sie hier hergeschickt? ›Annere‹ sollen wir sein? Nur, weil der Ludwig nicht hier geboren ist? Über den feinen Herrn Bürgermeister könnte ich Ihnen auch allerhand erzählen, was nicht ganz koscher ist. Machen Sie schnell, dass Sie hier rauskommen, sonst vergesse ich mich noch. Verschwinden Sie sofort aus unserem ehrbaren Haus. Und bestellen Sie dem Herrn Staatsprokurator Brauns einen schönen Gruß. Seine Schuhe kann er in Zukunft woanders beschlagen lassen …«

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