Toni der Hüttenwirt Paket 2 – Heimatroman. Friederike von Buchner
Читать онлайн книгу.hinweg und vergißt mich.«
Kilian schüttelte Titus die Hand.
»Titus! Ich wünsche, daß ihr alle glücklich werdet. Wer auch immer hier auf dem Hof einzieht, du oder dein Bruder Thomas – mögen die Engel vom ›Engelsteig‹ immer schützend die Flügel über euch ausbreiten.«
»Dir auch Gottes Segen, Kilian! Vielleicht besuche ich dich einmal – in einigen Jahren!«
»Ich würde mich freuen!«
Der Dunst lag noch über den Wiesen. Titus sah Kilian nach, wie er den Weg entlangging. Kilian drehte sich nicht mehr um.
*
Kilian hatte Glück. Er bekam den letzten freien Sitzplatz auf dem nächsten Flug nach Wellington, der Hauptstadt Neuseelands. Dann flog er mit einer Inlandsmaschine weiter nach Christchurch. Er rief einen Schulfreund an. Dieser holte ihn vom Flugplatz ab und brachte ihn mit dem Auto in die Berge.
»Halte hier! Ich will die restlichen paar Meilen zu Fuß gehen!«
»Ganz wie du willst, Kilian!«
Kilian stieg aus. Der Freund wendete den Geländewagen und fuhr zurück.
Kilian ging nicht auf dem Weg weiter, der hinauf zur Farm führte und den auch sein Großvater angelegt hatte. Er schlug sich links ins Feld und wanderte den Hang hinauf. Oben ging er am Waldrand entlang, bis er zu der Bank oberhalb der Farm kam, dem Lieblingsplatz seines Großvaters. Kilian streifte den Rucksack ab. Er setzte sich.
»So, dann bin ich wieder daheim!« flüsterte er leise.
Kilian erforschte seine Gefühle. Er war glücklich, Europa und Waldkogel hinter sich gelassen zu haben. Der alte Bernreither Hof war verkauft. In ein bis zwei Wochen konnte Großvater die fehlenden Dokumente nach Waldkogel schicken. Den Kauf konnte man auch schriftlich abwickeln.
»Das Kapitel ist abgeschlossen!« seufzte Kilian.
Gleichzeitig war ihm bewußt, daß er sich etwas vormachte. Immer wieder mußte er an Lotti denken. Es geht nicht anders, sagte er sich vor. Sie würde hier nicht glücklich, wenn ich sie überreden würde. Ihre Wurzeln sind in Waldkogel. Was soll ich mit einem Madl anfangen, dessen Herz nur zum Teil hier ist? Das belastet nicht nur sie, sondern auch die ganze Familie.
Kilian ärgerte sich im Nachhinein über seinen Leichtsinn. Aber seine Gefühle waren mit ihm durchgegangen. Er bereute tief, sie geküßt zu haben, ihr seine Zuneigung gestanden zu haben.
»Das kommt davon, wenn man sein Gehirn ausschaltet!« sagte Kilian vor sich hin.
Er schwor, in Zukunft mit Liebesschwüren vorsichtiger zu sein.
Kilian schaute über das Tal, das seine Heimat war. Auf den Wiesen am gegenüberliegenden Hang weideten die Schafe. Weiter oben lagen die schwarzweiß gefleckten Kühe im Gras. Der Mais stand hoch. Die Gerste konnte bald geerntet werden. Die Kiwisträucher und Avokadobäume trugen reichlich Früchte.
Gut, daß ich hier bin. Es gibt viel Arbeit, dachte Kilian. Das wird mich ablenken. Er beschloß, nichts von Lotti zu erzählen. Sicherlich, ganz unerwähnt konnte er sie nicht lassen, schließlich war sie die Tochter des Käufers. Aber wie nah sie sich gekommen waren, das wollte Kilian für den Rest seines Lebens im Herzen bewahren.
Er stand auf und schulterte sein Gepäck. Dann lief er quer über die Wiesen zum Wohnhaus. Bevor er eintrat, schaute er an der Giebelfront hinauf.
»Wie in Waldkogel, nur höher, breiter, länger!« sagte er leise.
»Sogar die Haustür ist genauso bemalt!«
»Hallo! Ich bin wieder da!« rief Kilian laut und fröhlich und betrat die große Wohnküche.
»Kilian! Du hier?« staunte seine Mutter.
Sie blieb zuerst regungslos stehen. Dann lachte sie, ging auf ihn zu und schloß ihren Ältesten in die Arme.
»Warum hast du nicht angerufen? Wir hätten dich abgeholt!«
Kilian streifte den Rucksack ab. Geduldig ließ er die Umarmungen aller über sich ergehen. Er lachte.
»Ihr tut gerade so, als sei ich unendlich lange fort gewesen. Dabei war es erst eine knappe Woche.«
Seine Großmutter stellte einen weiteren Teller auf den Tisch. Sie war inzwischen mit Kilians Schwestern früher aus dem Urlaub zurückgekommen.
»Wie war es in Europa?«
»Warum bist du nicht länger geblieben?«
»Bist ganz schön dumm, Kilian. Wie kannst du dir so eine Chance entgehen lassen?«
»Europa! Paris, London, Mailand, Rom, Athen!«
»Also, wenn Großvater uns geschickt hätte, wären wir nicht so schnell zurückgekommen!«
Kilians Zwillingsschwestern zeigten kein Verständnis. Sie redeten und redeten und fragten und fragten. Kilian hob abwehrend die Hände.
»Meine Aufgabe war erledigt! Der Hof ist verkauft. Der Rest bedeutet nur noch Formalitäten!«
Kilian lächelte in die Runde.
»Also, ich gestehe es: Ich war ja zum ersten Mal so weit fort. Ich hätte nie gedacht – ich hätte jeden ausgelacht – aber ich gestehe es! Ich litt grausam unter Heimweh!«
Kilians Schwestern schauten ihn an. Sie lachten.
»Ja, so war es! Jetzt bin ich froh und glücklich, wieder daheim zu sein! Nun laßt uns essen! Das Essen im Flugzeug war zwar nicht schlecht, aber ich habe richtigen Hunger!«
Willi Bernreither beobachtete seinen Enkel genau. Der Bub macht uns etwas vor. So aufgedreht und aufgekratzt wie er ist, so kenne ich ihn nicht. Heimweh hin und Heimweh her, da stimmt etwas nicht.
»Geht es dir auch wirklich gut, Kilian?« fragte ihn auch seine Mutter.
»Ja! Der Flug war anstrengend. Dann zweimal Zeitumstellung innerhalb weniger Tage, das macht auch müde.«
»Dann ruhst du dich erstmal aus. Du kannst uns alles später berichten! Jetzt essen wir!«
Der Großvater sprach das Tischgebet. Dann aßen sie. Während des Essens fing Kilian an zu erzählen. Er sprach vom alten Alois, der sich sehr über das Geschenk gefreut hatte. Ausführlich beschrieb Kilian Waldkogel, das jetzt ein richtig schönes großes Dorf war mit Neubaugebieten. Er erzählte vom alten Bernreither Hof.
»Zwei Koffer werden mir nachgeschickt. Darin habe ich verschiedene Dinge zusammengetragen, von denen ich hoffe, daß du dich ein wenig darüber freust. Ich glaube, sie hatten dich sehr vermißt, als du fortgegangen bist. Alle deine Sachen waren in einem Zimmer und auf dem Speicher. Vielleicht dachte dein Bruder doch, daß du irgendwann zurückkommst.«
»Das sind unnötige Spekulationen! Ich hatte längst mit diesem Kapitel in meinem Leben abgeschlossen, Kilian. Wenn die Sache mit der Erbschaft nicht gekommen wäre, dann hätte ich nie mehr etwas erfahren. Aber es ist anders gekommen. Ich will damit nicht sagen, daß ich nur schlechte Erinnerungen habe. Es gab auch glückliche Zeiten in Waldkogel. Meine Kindheit, die war sehr glücklich.«
Kilian erzählte von dem alten Fotoalbum, das er gefunden hatte.
»Du scheinst wirklich glücklich gewesen zu sein. Auf allen Bildern schaust du richtig fröhlich und unbeschwert aus.«
»Das war ich auch, Kilian! Es war damals eine schöne Zeit.«
Nach dem Essen zog sich die ganze Familie ins Wohnzimmer zurück, als wäre es ein Feiertag. Kilian erzählte und alle hörten zu.
»Den Bauern vom Haltinger Hof, den kannte ich gut. Mit seinem Sohn war ich befreundet. Das muß – laß mich überlegen – das muß dann der Vater vom Helmut Haltinger gewesen sein. Da kann man nur sagen, wie klein die Welt ist. Seinen Vater würde es bestimmt freuen, daß der Helmut den Hof kauft. Die Haltingers waren schon damals arbeitsame Leute. Da ist der Bernreither Hof in guten Händen.«
»Das