Adel verpflichtet. Martina Winkelhofer
Читать онлайн книгу.Weihnachten im Kreis der Hausgemeinschaft
IXDas Vermögen der Aristokratie
Aristokratischer Großgrundbesitz – Abschlagszahlungen aus der Grundentlastung als Modernisierungsfaktor – Gewinne aus Forst- und Agrarwirtschaft – Die Aristokratie ist so reich wie nie zuvor – Fideikommisse, die Stiftungen des Adels – Das Erbrecht – Eine Frau hat keinen Anspruch auf das Familienvermögen – Familienbesitz darf nicht verkauft werden – Meterdicke Inventarlisten – Vermögen hat man, ohne zu arbeiten – Strikte Ablehnung von Spekulationsgeschäften – Vermögen als Verpflichtung
XKrankheiten, Schicksalsschläge und Depressionen
Frauenleben im 19. Jahrhundert aus medizinischer Sicht – Schwangerschaft, »Fausse Couche« und Geburt – Tödliche Gefahr: eine schwierige Geburt – Aristokratinnen litten kaum am Kindbettfieber – Gefährliche Kinderkrankheiten – Der Tod eines Kindes – Infektionskrankheiten als größte Gefahr – Operationen – Krebs – Fehlende Diagnosen und wirkungslose Therapien – »Nervositäten« und Depressionen – Psychosomatische Erkrankungen durch gesellschaftlichen Druck
Aristokratinnen im Alter – Kein Zwang zu ewiger Jugend und Schönheit – Die strengen »alten Weiber« – Witwenschaft – Absicherung durch die Heiratsverträge – Eine geringere Stellung in der Familie – Strenge Trauervorschriften – Witwen in der Gesellschaft – Die letzte Phase des Lebens – Das Sterben, ein unaufgeregter Vorgang – Tod im Familienkreis – Die Verstorbene bleibt Teil des Hauses
XIINach dem großen Krieg – das Ende des Adels in Österreich
Der Erste Weltkrieg – Der Krieg aus der Perspektive der Frauen – Nahrungsmittelknappheit und Luxus bei der Aristokratie – Kriegsende 1918 – Die Angst vor Plünderungen – Das Ende der Donaumonarchie – Revolution auf Österreichisch – 1919: Die Republik Deutschösterreich hebt den Adel auf – Es traf die Falschen – Die finanzielle Situation des Adels – Der Adel muss sich nun der Arbeitswelt stellen – Die neue Gesellschaft: die »Stinkeria« – Heiratsverhalten in der Republik – Der Zwang ein standesgemäßes Leben zu führen wird schwächer – Was bleibt?
»Adel verpflichtet« – Wozu?
Dieses Buch beleuchtet die persönliche und gesellschaftliche Lebenswelt adeliger Damen in der ausklingenden Donaumonarchie. Es will aber – wie der Titel verraten soll – nicht nur die besonderen Rechte, die Frauen adeliger Abstammung im Zeitalter Kaiser Franz Josephs genossen, sondern insbesondere auch die Pflichten beschreiben, in die diese oft herausragenden Persönlichkeiten gebunden waren. Dabei zeigen sich die Besonderheiten einer versunkenen Welt. Einer Welt, deren Beurteilung aus späterer Sicht oft recht radikal zwischen nostalgischer Verklärung – ja Kitsch – und scharfer Verurteilung schwankt. Hier einen etwas nüchternen Zugang zu ermöglichen, ist Ziel dieser Arbeit.
Österreichische Adelsgeschichte ist ein Stiefkind der Geschichtsforschung. An einem Mangel an historischen Quellen können diese weißen Flecken in der Geschichtsforschung wohl nicht liegen (eher schon an dem, oben angesprochenen, schwarz/weiß-Zugang zu diesem Thema). Gerade die Quellen über den Adel sind nämlich überreich – eine Folge der privilegierten Stellung dieser Gesellschaftsgruppe, die im Gegensatz zu anderen Gruppen die Möglichkeit, die Mittel und die Muße hatte, Schriftquellen zu verfassen und zu archivieren.
Wenn nun aber schon die allgemeine Geschichte des Adels im 19. Jahrhundert kaum bearbeitet ist, so liegt die Geschichte der Frauen des Adels völlig im Dunkeln. Mit dem immer stärker werdenden Interesse an »Alltagsgeschichte«, sowohl von Seiten der historisch interessierten Leserschaft, als auch der Wissenschaft, rückt nun aber auch das Interesse an historischen »Frauenleben« zunehmend stärker in den Vordergrund. Für dieses Buch wurden daher in jahrelanger Archivarbeit Briefe, Korrespondenzen, Tagebücher und andere Aufzeichnungen bedeutender aristokratischer Zeitzeuginnen gesichtet, beurteilt und verarbeitet.
Daraus ergibt sich ein Bild, das das Leben einer Frau in der österreichischen Aristokratie zu Zeiten Kaiser Franz Josephs, gemessen an heutigen Maßstäben, durch extreme Gegensätzlichkeiten gekennzeichnet zeigt. Die Frauen lebten zwischen äußerlichem – teilweise unermesslichem – Reichtum und gleichzeitig einer extrem beengten persönlichen Lebenswelt. Bildlich gesprochen stand der Weitläufigkeit der adeligen Güter eine enge gesellschaftliche und familiäre Rolle in einer Männerwelt gegenüber.
Dieses Buch zeichnet die wichtigsten Stationen eines »standesgemäßen« adeligen Frauenlebens von Kindheit und Jugend über Heirat und Familie bis zu Alter und Tod nach und stellt sie in den historischen Rahmen der ausklingenden Donaumonarchie. An vielen Stellen kommen dabei – in Form von Zitaten – die Protagonistinnen selbst zu Wort und vermitteln so ein lebhaftes Bild des adeligen Frauenalltags zu jener Zeit. So ersteht eine Welt wieder auf, die es nicht mehr gibt, deren positive Werte, wie auch negative Seiten jedoch durchaus in der heutigen Zeit noch lehrreich sein können.
Wien, 2009
I Kindheit und Jugend
Die Geburt eines Mädchens – Eltern-Kind-Beziehungen im 19. Jahrhundert – Ammen und Kindermädchen – Kinder haben sich anzupassen – Standesgemäß: eine äußerst strenge Erziehung – Die Erziehung der Mädchen – Tanzstunden und Kinderbälle – Erziehung zur Selbstdisziplin – Armenfürsorge von klein auf – Sommeraufenthalte auf dem Land – »Tanzerl«: der Adoleszentenball – Ein Jugendball bei Hof – Weltfremde Mädchen
Die Geburt eines Mädchens wurde in der Aristokratie stets mit großer Freude aufgenommen. Von Enttäuschungen oder gar Ärger über das Ausbleiben eines Knaben erzählen die Quellen wenig. Zwar freute sich jeder Familienchef über einen, im besten Fall mehrere männliche Nachfolger, doch waren Mädchen genauso willkommen. Einerseits, weil man Kinder generell als Krönung einer Ehe betrachtete; andererseits, weil die Vielzahl der Geburten, die eine Frau im 19. Jahrhundert hatte, in den meisten Fällen auch Buben hervorbrachte oder zumindest auf weitere Kinder hoffen ließ. War eine Familie ohne männliche Nachfolger, so lag dies in der Regel nicht