Das Paradies der Damen. Emile Zola

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Das Paradies der Damen - Emile Zola


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aufgeregt durch diese Unterhaltung, drehte Frau Marty schon seit einer Weile ihre rote Ledertasche fieberhaft auf den Knien hin und her. Sie hatte ihre Einkäufe noch immer nicht gezeigt und brannte darauf, sie auszukramen. Endlich konnte sie sich nicht länger beherrschen; sie vergaß ganz die Anwesenheit ihres Mannes, öffnete die Ledertasche und holte einige Meter schmale, auf einen Karton gerollte Spitzen hervor.

      »Das sind die Valenciennes für meine Tochter. Drei Zentimeter breit. Köstlich, nicht wahr? Einen Franken neunzig der Meter.« Die Spitzen wanderten von Hand zu Hand. Die Damen waren ganz hingerissen. Mouret versicherte, daß er diese kleinen Garnituren zum Fabrikpreis abgebe. Frau Marty hatte inzwischen ihre Ledertasche wieder geschlossen, wie um Sachen darin zu verbergen, die man nicht vorzeigt. Als sie aber den Beifall sah, den die Spitzen gefunden hatten, konnte sie dem Verlangen nicht widerstehen, noch etwas hervorzuholen.

      »Diese Taschentücher habe ich ebenfalls gekauft. Brüsseler Arbeit, meine Liebe! Rein geschenkt! Zwanzig Franken!«

      Und nun erwies sich die Tasche als unerschöpflich. Frau Marty errötete vor Vergnügen, jedes Stück, das sie hervorholte, bereitete ihr sichtlich einen neuen Genuß. Da war vor allem ein Halstuch für dreißig Franken; sie hatte es gar nicht kaufen wollen, allein der Verkäufer hatte ihr geschworen, es sei das letzte und sie kämen nicht mehr nach. Dann tauchte ein Schleier aus Chantillyspitzen auf; ziemlich teuer: fünfzig Franken. Wenn sie ihn nicht tragen sollte, so konnte sie ihrer Tochter etwas daraus machen.

      »Mein Gott: Spitzen sind gar so hübsch!« wiederholte sie immerfort mit nervösem Lachen. »Wenn ich einmal dabei bin, möchte ich das ganze Warenhaus leerkaufen.«

      »Und was ist das?« fragte Frau von Boves und betrachtete ein großes Stück Gipüre.

      »Ach, das habe ich so nebenher gekauft, es sind sechsundzwanzig Meter Besatz, der Meter zu nur einem Franken, was sagen Sie dazu?«

      »Sieh an!« bemerkte Frau Bourdelais überrascht. »Was wollen Sie damit anfangen?«

      »Das weiß ich noch nicht ... Aber das Muster war so entzückend.«

      In diesem Augenblick schaute sie auf und erblickte ihren Mann, der mit versteinertem Antlitz dastand. Jedes neue Stück Spitze war für ihn ein Unglück, verschlang die Früchte langer Arbeitstage, bedeutete die Jagd nach neuen Privatstunden. Als sie das steigende Entsetzen in seinen Blicken las, wollte sie rasch alles wieder einpacken: die Taschentücher, den Schleier, das Halstuch; sie fuchtelte nervös herum und meinte mit verlegenem Lächeln:

      »Sie werden es noch dahin bringen, daß mein Mann mich ausschilt ... Dabei versichere ich dir, daß ich sehr vernünftig war. Da gab es eine große, wunderbare Spitze zu fünfhundert Franken je Meter!«

      »Warum haben Sie sie denn nicht gekauft?« fragte ruhig Frau Guibal. »Sie haben doch den zuvorkommendsten aller Gatten.«

      Herr Marty verneigte sich und erklärte, seine Frau sei in ihren Entscheidungen völlig frei. Allein beim Gedanken an die erwähnte große Spitze überlief ihn ein eiskalter Schauer. Und als er hörte, wie Mouret sagte, die Warenhäuser trügen ein gut Teil zum Wohlstand der mittleren Bürgerkreise bei, warf er ihm einen haßerfüllten Blick zu.

      Die Damen betrachteten noch immer die Spitzen und fanden ihr Vergnügen daran. Die Stücke wurden auf- und zugerollt, gingen von Hand zu Hand. Sie überhäuften Mouret mit neuen Fragen. Da es langsam dunkel wurde, mußte er sich von Zeit zu Zeit zu ihnen niederbeugen, um eine Spitze zu begutachten, ein Muster zu erklären. Aber trotz des Entzückens, das er heuchelte, blieb er inmitten des warmen Dufts ihrer Schultern stets ihr Herr. Er schien selbst zur Frau zu werden, sie fühlten sich durchdrungen und hingerissen von dem Zartgefühl, mit dem er ihr innerstes Wesen erfaßte, und überließen sich ganz seiner Verführung.

      Henrierte hatte sich zurückgezogen und sprach in der Fensternische leise mit dem Baron.

      »Er ist ein reizender Junge!« versicherte Hartmann.

      »Nicht wahr?« rief sie mit dem unwillkürlichen Ausdruck einer verliebten Frau.

      Er lächelte und betrachtete sie nachsichtig. Es war das erstemal, daß er sie so sehr gefangen fand; zu überlegen, um deswegen gekränkt zu sein, bedauerte er vielmehr, sie in den Händen dieses so galant auftretenden und doch so kühlen Burschen zu sehen. Er fühlte sich verpflichtet, sie zu warnen, und murmelte scherzhaft:

      »Nehmen Sie sich in acht, meine Liebe, er wird Sie alle verschlingen.«

      Eine eifersüchtige Flamme blitzte in den schönen Augen Henriettes auf; sie begriff ohne Zweifel, daß Mouret sich ihrer nur bedient hatte, um mit dem Baron in Verbindung zu treten, und beschloß, ihn nun erst recht wahnsinnig vor Liebe zu machen.

      »Oh«, erwiderte sie und schlug auch ihrerseits einen scherzhaften Ton an, »am Ende frißt doch noch das Lamm den Wolf.« Der Baron ermutigte sie mit einem Kopfnicken. Vielleicht war sie die Frau, die bestimmt war, die übrigen zu rächen.

      Mouret hatte unterdessen Vallagnosc noch einmal eingeladen, doch einmal seine Firma zu besichtigen. Nun kam er heran, um sich zu verabschieden. Da hielt ihn der Baron in der Fensternische zurück. Er war endlich der Verführung erlegen, der Anblick des jungen Mannes inmitten dieser Damen hatte ihn überzeugt. Die beiden plauderten einen Augenblick mit gedämpfter Stimme. Dann erklärte der Bankier:

      »Gut, ich will die Sache prüfen ... Sie können das Geschäft als abgeschlossen betrachten, wenn Ihr Sonderverkauf am nächsten Montag wirklich ein solcher Erfolg wird, wie Sie hoffen.«

      Sie drückten einander die Hand, und Mouret nahm mit entzückter Miene Abschied.

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