G.F. Barner 1 – Western. G.F. Barner
Читать онлайн книгу.uns zu diesem Camp gehen, stehlen wir dort zwei Pferde!« keuchte Charly. »Das ist näher, viel näher!«
»Ehe wir da sind, ist dort alles auf den Beinen. Gute Pferde finden wir da nicht. Zudem holt man uns nicht ein, wenn wir auch nur etwas Glück haben. Wir legen eine falsche Spur, Charly, dann ab nach Osten. Mit guten Pferden können wir jeden Verfolger an der Nase herumführen. Die Rancher haben jetzt alle Hände voll zu tun, ihre Mavericks zu brennen, die Weidenauftriebe zu machen und Zäune zu flicken. Ich wette, von Shermans Söhnen ist keiner auf der Ranch. Vielleicht finden wir nur seine Frau, dann haben wir jede Chance, ungesehen davonzukommen.«
»Du hast recht – gehen wir«, nickte Charly. »Vier Stunden – bist du sicher?«
»Ja, Tooney hat mir die Ranch damals genau beschrieben. Er wollte doch, daß wir mit ihm noch einmal hinritten. Da sollen prächtige Pferde sein!«
Mort Dillon ging in Richtung Bach zurück. Er war sicher, daß sie zur Sherman Ranch kommen würden. Und wenn sein Bein noch so schmerzte, sie hatten es zu schaffen.
*
Das Bein war jetzt so angeschwollen, daß auch das Wasser nicht mehr half, obgleich Mort immer wieder sein linkes Hosenbein netzte.
»Warte!« zischte er. »Charly, warte! Ich gehe voraus!«
Es war so still hier, daß die Dillons das leise Blubbern des Waschkessels im Waschhaus der Sherman Ranch hören konnten. Die Ranchgebäude lagen in der sengenden Sonne wie tot vor ihnen. Ein Blick in den Corral hatte den Dillons gereicht. Dort gab es genug gute Pferde. Außerdem waren Spuren am Weg, der neben dem Bach herführte. Vier Reiter hatten die Ranch also am frühen Morgen verlassen. Weit hinten im Norden stieg eine kleine Rauchfahne zum Himmel. Dort mußte die Weide sein. In der Weidehütte bereitete einer der Shermans sicher das Essen vor – oder es war ein Brandzeichenfeuer.
Mort biß die Zähne zusammen, als er geduckt an Charly vorbeiging. Sie hatten die alte Frau, sie mochte etwa sechzig Jahre alt sein, vom Bach aus gesehen. Dort flatterte Wäsche im Wind. Der Waschdunst schlug aus der Tür des Waschhauses. Das Waschhaus war nur ein Anbau des Hauses, dessen Vorderfront nach Süden lag. Im Osten schloß sich nach einer Durchfahrt der Stall an. Scheune und Schuppen lagen nach Westen hin – alle Gebäude bildeten ein offenes Rechteck.
Es war das typische Adobeziegelhaus eines sehr früh in dieses Land gekommenen Mannes. Es hatte kleine Fenster und ein Flachdach, auf dem eine Dachzisterne das Wasser speicherte.
»Los!« zischte Mort. Er schob sich an der Mauer entlang zur Ecke. Hinter ihr, kaum einen Schritt entfernt, war die Tür des Waschhauses. Die Frau war vor ein paar Minuten mit einem Holzkübel herausgekommen und hatte das Schmutzwasser in eine Rinne rechts neben der Tür gekippt.
Sie ist ziemlich groß und knochig – und sicher hat sie noch Indianer erlebt und wird sich nicht so leicht erschrecken, dachte Mort, aber das soll mich den Teufel kümmern. Sie wird ohnehin nicht viel sagen. Sobald ich weiß, wann ihre Männer zurückkommen, bringe ich sie um.
Der Boden war wellig, er war in eine Bodendelle getreten, und der Schmerz schoß, als der Fuß umknickte, bis in seine Hüfte hoch. Mort biß sich auf die Unterlippe. Er war nur noch einen Schritt von der Ecke entfernt, hörte jetzt ein Platschen und dann ein seltsam dumpfes Geräusch hinter sich. Es klang, als wäre Charly durch dasselbe Bodenloch gestolpert und gegen die Wand gefallen.
Der verfluchte Narr, er hat wieder mal keine Augen, was?
Mort sah sich um und im gleichen Moment den Mann hinter Charly.
»Das Gewehr weg!«
Es war Mort, als fiele ihm irgend etwas auf den Kopf. Der Mann hatte den Colt in der Faust und war sicher ein Geist, denn Mort hatte ihn eigenhändig begraben.
Dort stand Bill Logan, der Marshal.
»Nicht Sherman, nicht…«
Hinter Dillon, der entsetzt herumgewirbelt war, keuchte jemand. Etwas knirschte auf dem Sand, ein Schatten fiel um die Ecke, und als sich Dillon instinktiv duckte, traf ihn auch schon ein fürchterlicher Hieb über die rechte Schulter. Der Schmerz war so gewaltig, daß Dillon im Hinstürzen die Hand schloß. Sein Zeigefinger hatte am Abzug gelegen, der Schuß brüllte durch den wilden Schrei eines Mannes in Dillons Rücken.
Was dann geschah, sah Mort Dillon nur noch verschwommen. Sein Gewehr hatte die Kugel gegen die Wand und hoch über den am Boden liegenden Charly hinweggejagt. Plötzlich taumelte Logan zurück, das grelle Heulen des von der Waschhauswand abgeirrten Querschlägers endete.
Der lebt, dachte Dillon noch verstört, der lebt? Der ist tot, er kann gar nicht mehr am Leben sein, der ist…
In diesem Moment traf ihn der zweite verheerende Hieb und ließ seinen Kopf explodieren. Aus der Seitentür des Schuppens, hinter der Bill Logan gestanden und auf die Dillons gewartet hatte, stürzte Matt Sherman, der älteste Sohn des Ranchers. Sein jüngerer Bruder Tabe erschien jetzt in der Stauluke der Scheune.
»Um Gottes willen, Mann, was ist passiert?« fragte Mrs. Sherman verstört. Sie blieb genauso entsetzt wie ihr Mann und ihre Söhne stehen, denn der Marshal lag mit blutendem Kopf mitten in der Durchfahrt. »Mann, du solltest ihn doch an der Ecke abfangen, warum bist du…«
»Hol mich der Teufel, wenn ich warte, bis so ein Mörder von einem Marshal erwischt wird!« grollte der Alte. Er war über sechs Fuß groß, ein bärtiger Riese mit wildem eisgrauem Bart und langem Haar, das er sich nur alle acht Wochen einmal beschneiden ließ. »Hier bestimme ich – hier tue ich, was ich will!«
Er war immer so gewesen, eisenhart, grimmig entschlossen seinen Besitz zu verteidigen und sich sein Recht selbst zu nehmen. Als der Marshal vor kaum einer Stunde im vollen Galopp auf der Weide erschienen war, hatte ihn der Alte wie einen Irren angesehen.
»Lebend haben – lebend haben!« knurrte der Oldtimer ergrimmt. »Wir hätten sie vor der Ranch am Bach stellen und abknallen sollen. Die schlimmsten Mörder lebend fangen – sie hängen sie ja doch. Immer an den Ast mit dem Gesindel!«
William Sherman hastete zum Marshal, hob ihn an und sagte schroff:
»Muß der Narr seinen Kopf ausgerechnet einem Querschläger in den Weg halten? Frau sieh mich nicht so entsetzt an, der hat nur einen Kratzer, davon stirbt der noch lange nicht. Matt, Tabe, bindet die Kerle so fest, daß sie nicht mehr loskönnen.«
Er warf sich Logan über den Rücken und trug ihn ins Haus.
»Jetzt ist er wütend – er wird nie zugeben, daß er einen Fehler gemacht hat«, sagte Tabe leise zu seinem Bruder Matt. »Wenn ihn jetzt noch etwas ärgert, erleben wir etwas!«
Sie sahen ihre Mutter ins Haus gehen und blickten auf die besinnungslosen Banditen und Mörder hinab.
»Du kannst sagen was du willst«, knurrte Matt finster. »Vater hat recht. Mörder und Pferdediebe hängt man auf und steckt sie nicht ins Jail, um sie dann nach zweieinhalb Jahren freizulassen. Wenn die Halunken geahnt hätten, daß dieser Morris noch lebte, hätten sie ihn auch noch umgebracht. Eine Frau und drei Männer. Na gut, die Burschen haben auch nichts getaugt, sagt der Marshal, aber jetzt sind sie tot – und das hier sind ihre Mörder. Wenn der Marshal nicht wäre, holte ich jetzt einen Strick für sie.«
Sie schleppten die beiden Dillons in den Schuppen, banden sie so, daß die Stricke ihnen die Arme auf den Rücken drückten und waren gerade fertig, als ihr Vater hereinkam. Der Alte brachte einen Wassereimer, blieb vor Mort Dillon stehen und sagte bissig: »Mutter verbindet Logan, Matt. Du kannst nachher zur Stadt reiten und den Doc holen, wenn er bis dahin nicht aufwacht. Die Kugel hat ihm kaum die Kopfhaut aufgerissen, aber ihr Anprall hat genügt. So gesund war er noch nicht.«
Er goß den Eimer langsam über Dillons Kopf, blieb breitbeinig vor ihm stehen und sah zu, wie sich Dillon stöhnend regte.
»Wach auf, Mörder!« knurrte er, als Mort Dillon plötzlich zuckte und dann still war. »Mach die Augen auf, du Strolch – bei mir verstellst du dich nicht, oder ich schlage dir solange etwas mit der Bullpeitsche über das Fell, bis du jubelst.«