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Читать онлайн книгу.anderes als ‚durch die Gnade des Herrn Jesus gerettet werden‘ (V 11)“46.
4 Paulus: Ein Heidenmissionar in Selbstzeugnissen
Während die Apostelgeschichte über die frühchristliche Mission aus der Perspektive der dritten christlichen Generation erzählt, haben wir in den Paulusbriefen Selbstzeugnisse eines der frühesten christlichen Missionare vor uns. Ein Blick in drei seiner Briefe soll exemplarisch zeigen, wie er seine Rolle als Missionar sieht, welche Inhalte ihm wichtig sind und wie er Mission betreibt.47
4.1 Galaterbrief: Berufen, Gottes Sohn unter den Völkern zu verkünden
Im Galaterbrief erzählt Paulus, wie er durch die Christusvision vor Damaskus vom Christenverfolger zum Missionar Christi wurde: „[…] Gott aber gefiel es, der mich schon im Mutterleib auserwählt und durch seine Gnade berufen hat, in mir seinen Sohn zu offenbaren, damit ich ihn unter den Völkern verkünde.“ (Gal 1,15 f.) – Der Apostel sieht sich wie Jeremia (Jer 1,5) und der jesajanische Gottesknecht (Jes 49,5 f.) von Mutterleib an zum Propheten bzw. Licht für die Völker berufen. Gott selber hat in ihm seinen Sohn „enthüllt“ (apokalyptein), ihm die tiefe christologische Einsicht vermittelt, dass Jesus, der Gekreuzigte und Auferweckte, Gottes Sohn ist. Ihn soll Paulus den Heiden (Nichtjuden) als gute Nachricht verkünden (euangelizein) (vgl. Gal 2,9).48 Für die Adressaten seiner Mission ist entscheidend, diese neue Offenbarung Gottes in Christus anzunehmen, wie Abraham zu glauben, Gott zu vertrauen, seinem Walten Raum zu geben (vgl. 3,6–18).49 „Werke des Gesetzes“ hingegen – Identitätsmerkmale des Judentums wie Beschneidung, Sabbatgebot und Speisevorschriften50 – sind nicht notwendig, um gerecht zu sein, also im rechten Verhältnis zu Gott zu stehen: „Wir wissen, dass der Mensch nicht aus Werken des Gesetzes gerecht wird, sondern aus dem Glauben an Jesus Christus.“ (2,16) Diesen „Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat“ (2,20), und die bleibende Verbindung mit Christus (In-Christus-Sein: 3,28) legt der Missionar Paulus seinen Gemeinden in Galatien ans Herz.
4.2 Erster Thessalonicherbrief: Missionspredigt, kurzgefasst im Rückblick
Der erste Thessalonicherbrief, die älteste Schrift des Neuen Testaments (um 50 n. Chr.), gibt Einblick, wie Paulus seine Missionsverkündigung an Heiden begann und als Missionar in der Gemeinde wirkte. In der Eingangsdanksagung blickt er zurück auf seine Missionspredigt (1 Thess 1,9b–10): „Ihr habt euch von den Götzen zu Gott bekehrt, um dem lebendigen und wahren Gott zu dienen und seinen Sohn vom Himmel her zu erwarten, Jesus, den er von den Toten auferweckt hat und der uns dem kommenden Zorn entreißt.“ Unschwer sind hier zwei Stufen der Missionsverkündigung erkennbar, die natürlich eng miteinander verbunden waren: (1) In der polytheistischen Umwelt stand zunächst eine Hinführung zum Monotheismus am Programm, verbunden mit Polemik gegen die „Götzen“ und dem Ruf zur Umkehr zu dem einen Gott. Diese monotheistische Propädeutik knüpfte an ein apologetisch-missionarisches Schema des hellenistischen Diasporajudentums an. (2) Darauf baute die Verkündigung Jesu Christi als des Sohnes Gottes auf. Wichtige Bekenntnistraditionen wie die Auferweckungsformel und die Erwartung der Wiederkunft Christi als des Retters aus dem Gericht kamen Paulus aus der Gemeinde von Antiochien zu und wurden von ihm weiterentwickelt.51 – Die Dankbarkeit des Paulus für seine Gemeinde zeigt, dass seine Missionspredigt Erfolg hatte. Gründe dafür waren der Zug zum Monotheismus in der damaligen hellenistisch-römischen Welt und die Attraktivität des Kerygmas vom Gottessohn und Retter, nicht zuletzt aber auch das Engagement des Apostels und sein gutes Verhältnis zur Gemeinde.52 In 2,1–12 schreibt Paulus, dass er das Evangelium mit Gottvertrauen und freimütig verkündet habe und für ihn nicht unlautere Absichten, Schmeichelei, Habgier oder Ehrgeiz leitend gewesen seien. Er sei der Gemeinde freundlich begegnet und habe gearbeitet, um keinem zur Last zu fallen. Besonders berührend ist, dass Paulus seine Sorge um die Gemeinde mit der Sorge einer Mutter und eines Vaters um ihre Kinder vergleicht: „Wir wollten euch nicht nur am Evangelium Gottes teilhaben lassen, sondern auch an unserem Leben; denn ihr wart uns sehr lieb geworden. […] Jeden Einzelnen von euch haben wir ermahnt, ermutigt und beschworen zu leben, wie es Gottes würdig ist, der euch zu seinem Reich und zu seiner Herrlichkeit beruft.“ (2,8.12) Bei diesem herzlichen Verhältnis überrascht nicht, dass Paulus seine Gemeinde wiederzusehen wünscht (2,17), er seinen Mitarbeiter Timotheus sendet (3,2.5 f.) und mit seinem Brief bei der Gemeinde präsent sein möchte (5,27), um sie zu ermutigen und zu trösten.
4.3 Römerbrief: Das Evangelium als Kraft Gottes für alle Glaubenden
Der Römerbrief beschließt wie ein Vermächtnis des Apostels die Reihe seiner Briefe. An seinem Beginn fasst Paulus programmatisch sein Selbstverständnis zusammen: Er ist zum Apostel berufen, um das Evangelium Gottes von seinem Sohn Jesus Christus unter allen Völkern zu verkünden (Röm 1,1–5). Er will die Adressaten seiner Mission mit geistlicher Gnadengabe (charisma pneumatikon) beschenken, damit sie gestärkt werden (1,11). Für seinen Besuch in Rom wünscht er sich, dass die Gemeinde und er „miteinander Zuspruch empfangen (sym-parakalein: „Mitgetröstet-Werden“) durch den gemeinsamen Glauben, euren und meinen“ (1,12). Und Paulus ist überzeugt: Die Verkündigung des Evangeliums schuldet er allen, Menschen mit und ohne griechische Kultur und Sprache („Griechen und Barbaren“), Gebildeten und Ungebildeten (1,14). Denn das Evangelium „ist eine Kraft (dynamis) Gottes zur Rettung für jeden, der glaubt […]“ (1,16). Das Evangelium bezeugt nicht nur Gottes Heilsmacht – vielmehr wirkt Gott im Wort des Apostels: Es ist gleichsam „der verlängerte Arm Gottes; in ihm vollzieht sich Gottes Rettungshandeln durch Christus am Einzelnen […]“53. Im Evangelium ist Gottes Heil in Jesus Christus gegenwärtig; durch das Evangelium werden die Glaubenden in das Christusgeschehen hineingenommen, und die Bewegung vom Tod zum Leben, die in Jesu Tod und Auferstehung heilvoll begonnen hat, ergreift sie. Diese Neuausrichtung des Lebens durch Gott beschreibt Paulus als „Gerechtigkeit Gottes“ (1,17).54
Paulus selber hat das Evangelium als Kraft, Dynamik und Heilsbotschaft erfahren, welche die ganze Existenz betrifft und die rettet. Er nahm alle Strapazen seiner Missionsreisen auf sich (2 Kor 11,23–33) und wurde allen alles (1 Kor 9,19–23), um Zeuge dafür zu sein.
„Ihr werdet meine Zeugen sein“ – das Wort des Auferstandenen (Apg 1,8) bewahrheitet sich überall dort, wo Jesu gute Nachricht von der nahen basileia Gottes weitergesagt und heilvoll erfahrbar wird, wo sich der Kreis der Jesus-Jüngerinnen und -Jünger weitet im Vertrauen auf den „Gott mit uns“, wo die Jüngerinnen und Jünger Jesus in der Welt präsent machen und sein Heilswirken fortsetzen, wo Gottes Geist das Gottesverhältnis der Menschen erneuert und sie über alle Grenzen hinweg sammelt und wo Glaubende durch das Evangelium in das Christusgeschehen hineingenommen werden, und die Bewegung vom Tod zum Leben, die in Jesu Tod und Auferstehung begonnen hat, sie ergreift.
Der Autor: Michael Zugmann, geb. 1972 in Linz, studierte Theologie in Salzburg und Linz. 2003–2019 Assistent bzw. Assistenzprofessor für Neues Testament an der KU Linz und Lehre an den Universitäten Mainz (2015/16), Wien (2018/19) und Regensburg (2019). Seit Oktober 2019 Leiter der Abteilung Liturgie und Kirchenmusik im Pastoralamt der Diözese Linz. Forschungsschwerpunkte: Paulus, 1. Thessalonicherbrief, lukanisches Doppelwerk, Geschichte des frühen Christentums. Monografien: Hellenisten in der Apostelgeschichte (WUNT II/264), Tübingen 2009; Missionspredigt in nuce. Studien zu 1 Thess 1,9b–10, Linz 2012. Seit 2010 Mitherausgeber der Zeitschrift „Studien zum Neuen Testament und seiner Umwelt“ (SNTU); 2013–2018 Redaktionsmitglied der ThPQ.
Weiterführende Literatur:
– Karl Kertelge (Hg.), Mission im Neuen Testament (QD 93), Freiburg i. Br.–Basel–Wien 1982. Eine nach wie vor lesenswerte Aufsatzsammlung, in der namhafte Autoren das Missionsverständnis der Evangelien, des Paulus und der Spätantike nachzeichnen.
– Jürgen Roloff, Die Kirche im Neuen Testament (GNT 10), Göttingen 1993. Eine brillante, differenzierte Darstellung des Kirchenverständnisses der neutestamentlichen Schriften, die auch viele Einsichten zum Missionsverständnis, z. B. des Matthäus und Lukas, enthält.
– Wolfgang Reinbold,