Führungsinstinkt. Anke van Beekhuis

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Führungsinstinkt - Anke van Beekhuis


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die sie nach wie vor führten, oft an das damalige Projekt und an den Durchbruch.

      Heiko: »Weißt du, was mir damals klar geworden ist?«

      Ronja kannte die Antwort natürlich, aber sie wollte es von Heiko hören und sagte: »Schieß los!«

      Heiko: »Es ist oft gar nicht so wichtig, wer das Sagen hat, sondern wer anderen die Möglichkeit gibt, angstfrei zu sprechen und sich so vor sich selbst zu beweisen.«

      Ronja erwiderte lächelnd: »Das ist für mich noch immer die schönste Erklärung für Empathie, die ich kenne.«

      Spiegelneuronen – unsere unfehlbaren Wahrnehmungshelfer

      Aber wie funktioniert das eigentlich alles? Womit nehmen wir andere – abgesehen von unseren körperlichen Sinnen– wahr? Wo entsteht der Funke der Erkenntnis in uns?

      Hier kommt etwas ins Spiel, das zutiefst menschlich ist, uns aber gleichzeitig fremd bzw. sogar fantastisch erscheint: die menschlichen Spiegelneuronen. Wir müssen lächeln, wenn der andere lächelt. Wir müssen weinen, wenn der andere weint. Wir können durch Beobachtung Verhaltensweisen übernehmen oder »nur« erkennen. Auf den Punkt gebracht: Spiegelneuronen ermöglichen es uns, zu erkennen, was der andere gerade fühlt oder was in ihm vorgeht. Mehr noch: Sie geben uns auch die Möglichkeit zu erkennen, was der andere gerade braucht oder zu tun beabsichtigt.

      Gerade bei Personen, die einander sehr gut kennen, wird dieses Phänomen oft und deutlich sichtbar – bis hin zu dem Punkt, an dem sie gleichzeitig und synchron eine Aussage tätigen. Aber auch bei Menschen, die einander völlig fremd sind, funktionieren Spiegelneuronen und statten uns mit einem einzigartigen Talent aus, das wir auf vielfältige Weise – auch in der Führung – einsetzen können. Denn letztlich »senden« und »empfangen« wir Menschen permanent im Austausch mit anderen.

      Ein kurzer Blick zurück: Menschliche Kommunikation hat ihren Ursprung im motorischen System des Körpers. Das sogenannte »Broca-Areal«, das die Spracherzeugung steuert, liegt im motorischen Teil der Hirnrinde und ist direkt mit dem Spiegelneuronen-System verbunden. Die menschliche Sprache hat sich nicht aus Vokalisation (zum Beispiel aus Warnrufen) entwickelt, sondern aus Gesten (motorischen Aktionen). Daher beruht das Verstehen der Sprache letztlich auf der inneren Nachbildung des motorischen Handelns anderer.

      Der italienische Neurophysiologe Giacomo Rizzolatti und sein Forschungsteam gelten als Entdecker des Spiegelneuronen-Systems. Sie wiesen seine Existenz 2002 im Brodmann-Areal des menschlichen Gehirns nach. Dieses Areal hatte Rizolatti mit »Action Recognition« (Wiedererkennung von Handlungen) und Imitation in Verbindung gebracht.

      Eine 2010 publizierte Studie (»Single-Neuron Responses in Humans during Execution and Observation of Actions«) berichtete dann schließlich über den ersten direkten Nachweis von Spiegelneuronen beim Menschen. Einem Team der University of California unter der Leitung von Roy Mukamel war der direkte Nachweis von Motoneuronen, den Nervenzellen, die das Phänomen der Wechselwirkung möglich machen, gelungen. Das Team beobachtete die Hirnaktivität von 21 Versuchspersonen, denen Elektroden ins Gehirn implantiert worden waren, im Rahmen diverser Wahrnehmungstests.

      Spiegelneuronen zeichnen sich dadurch aus, dass sie sowohl auf das eigene Durchführen einer Aktion als auch auf die Beobachtung dieser Aktion bei anderen Menschen – eine gespiegelte Aktion – völlig identisch reagieren: Sie geben elektrische Impulse ab. Wir erleben das als Intuition.

      Spiegelneuronen helfen uns also intuitiv dabei, Menschen wahrzunehmen. Doch nicht immer läuft diese Gabe einflussfrei ab. Unser persönlicher Rucksack spricht – wie schon erwähnt – immer ein Wörtchen mit. Es ist also nicht ratsam, immer nur auf den Kopf oder nur auf den Bauch zu hören. Darum ist die Kombination unserer Wahrnehmungen auf rationaler Ebene, empathischer Ebene und von körperlichen Reaktionen so wichtig. Oder mit anderen Worten: Das Gesamtpaket der Wahrnehmung muss stimmig sein!

      Ein Beispiel dazu: Wenn Sie einem Mitarbeiter aus Ihrem Team eine Aufgabe übertragen, könnte Ihnen auffallen, dass etwas nicht stimmt. Sein Körper ist angespannt und er wirkt nicht wirklich glücklich. Trotzdem sagt er mehrmals, dass er die Aufgabe gerne übernimmt. Für die rationale Wahrnehmung ist alles in Ordnung. Schließlich hat er ja gesagt, dass es kein Problem gibt. Bauchgefühl und Empathie sind jedoch sicher: Da stimmt etwas nicht.

      Also: Nachfragen!

      Doch der Mitarbeiter sagt erneut, dass er die Aufgabe gerne übernimmt. Wenn Sie sich damit zufriedengeben, hat der Kopf gegen den Körper gewonnen bzw. diesen ausgetrickst.

      Um die anderen Ebenen ins Boot zu holen, wären folgende Fragen zielführend:

       Was würde dich bei deinen Aufgaben unterstützen?

       Was würde dir helfen?

       Du wirkst auf mich nicht ganz glücklich, was geht dir durch den Kopf?

       Schaffst du das im vereinbarten Zeitraum oder brauchst du länger?

      Damit würden Sie auf Ihren Instinkt hören, der ganz klar signalisiert hat, dass irgendetwas nicht stimmt.

      Mit derart in die Tiefe gehenden Fragen fällt es dem Mitarbeiter höchstwahrscheinlich auch leicht, zu sagen, dass er die Aufgabe wirklich gerne machen würde, aber nicht weiß, wie er alles unter einen Hut bekommen soll. Jetzt können sie gemeinsam eine Lösung finden. Wären Sie Ihrem Instinkt nicht gefolgt, wäre der Mitarbeiter mit negativen Gefühlen an die Arbeit gegangen und ein klärendes Gespräch hätte womöglich erst nach dem ersten Scheitern stattfinden müssen.

      Aber natürlich ist es nicht immer nur der Verstand, der in die Irre führen kann: Manche vertrauen ausschließlich auf ihr Bauchgefühl und landen dank dem persönlichen Rucksack erst recht auf dem Hosenboden.

      Stellen Sie sich vor, Sie treffen auf jemanden, der ganz anders tickt als Sie. Noch dazu erinnert Sie der Kleidungsstil der Person auch noch an den aalglatten Typen aus der Buchhaltung, den sie auf den Tod nicht ausstehen können. Für das Bauchgefühl ist klar: Ablehnung! Aufgestellte Nackenhaare! Bloß schnell raus aus dieser Situation! Wir alle kennen das von beruflichen oder privaten Begegnungen, ebenso wie unsere Reaktion darauf. »Instinktiv«– also total irrational – gehen wir diesen Menschen aus dem Weg. Schließlich ist das Urteil unseres Rucksacks klar: »Damit habe ich schlechte Erfahrungen gemacht und ich habe keine Lust auf eine Wiederholung!«

      Nun ist es wichtig, Ihrer rationalen Wahrnehmung Gehör zu schenken. Also nichts wie ran an diese Person! Nur so können Sie ein Gespräch ankurbeln und feststellen, ob diese Person wirklich das ist, was Sie aufgrund Ihrer Erfahrungen zu erkennen glauben. Oft werden Sie feststellen, dass dem ganz und gar nicht so ist.

      Wenn Sie sich nun Situationen, wie Bewerbungsgespräche, vorstellen, können Sie erkennen, dass es eigentlich grob fahrlässig für jede Führungskraft ist, wenn sie dem ersten Instinkt nachgibt, ohne die anderen Aspekte zu berücksichtigen. Denn so würden sie möglicherweise gute Kandidatinnen und Kandidaten wegschicken – nur weil sie eine Person an jemand erinnert, mit dem sie in der Vergangenheit nicht so gute Erfahrungen gemacht haben.

      Stellen Sie sich folgende Fragen:

       Wie weit nehme ich andere wirklich wahr?

       Wie schnell denke ich an etwas anderes bzw. jemand anderen?

       Was hält mich davon ab, meine Aufmerksamkeit auf das Hier und Jetzt zu beschränken?

       Wie anstrengend ist es für mich, andere wirklich wahrzunehmen?

       Was kann ich tun, um meine Wahrnehmung bewusst zu schärfen?

       Was hält mich davon ab?

       Was würde mich dabei besser unterstützen?

      Wahrnehmungsübungen, wie sie in diesem Kapitel beschrieben werden, sind sowohl im Alltag als auch im Berufsleben äußerst nützlich und lohnend. Nehmen Sie andere bewusster wahr, fällt Ihnen das Vermitteln von Respekt, Wertschätzung und Vertrauen leichter, und diese Fähigkeit


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