Flammen des Sommers. Madeleine Puljic
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Madeleine Puljic
Roman
Für Joachim, der mir den Rückhalt
und die Herausforderungen schenkt,
die einen großen Bruder eben ausmachen.
Berekh packte den vor Schmerzen stöhnenden Mann mit routiniertem Griff und drückte ihn auf den Tisch. Ehe der arme Kerl überhaupt begriffen hatte, wie ihm geschah, hatte Berekh ihn bereits mit Hanfseilen an der Platte festgebunden.
Blut tropfte zu Boden. Es fiel auf die groben Holzdielen und versickerte in den Ritzen. Aber darüber würde Berekh sich später Gedanken machen. Jetzt musste er sich erst einmal dem Mann widmen, der da bebend vor ihm lag, gebadet in kalten Schweiß.
Er tastete nach dem Messer, das er in Reichweite abgelegt hatte. Seine Finger waren feucht und schmierig von Blut, aber er fand den hölzernen Griff und umfasste ihn so fest, dass ihm das Messer unmöglich entgleiten konnte. Ein letztes Mal sah Berekh dem Mann in die angstgeweiteten Augen. Dann setzte er die Klinge an und tat den ersten Schnitt.
Unter den Fesseln begann der Mann zu zucken. Mit seiner freien Hand presste Berekh das Bein fester auf die Tischplatte und fixierte es dort, ließ sich weder durch das Zittern der Muskeln unter seinen Fingern noch durch die schmerzerfüllten Laute beirren, die der Mann nun ausstieß. Er ging konzentriert und methodisch vor, mit aller Entschlossenheit, die diese Arbeit erforderte.
Bis der Schrei ertönte.
Kurz und grell drang er aus dem Garten herein.
Für gewöhnlich hätte eine solche Unterbrechung Berekh kaum ein Stirnrunzeln entlockt. Schreie gehörten zu seinem Leben wie das Blut an seinen Händen. Der Grund, weshalb er dennoch zusammenzuckte, war die Stimme. Unter Tausenden hätte er sie wiedererkannt. Der Schrecken, den er darin hörte, ließ ihn den blutenden Mann auf seinem Tisch augenblicklich vergessen. Es gab nicht mehr viel, was seiner Frau Angst einjagen konnte.
Berekh ließ das Messer fallen, stürzte los – und knallte prompt mit dem Schienbein gegen die vermaledeite Truhe hinter der Tür, die ihm schon lange unangenehm aufgefallen war. Humpelnd hastete er weiter. Er durchquerte gerade den Vorraum, als er auch den zweiten Schrei zu hören bekam.
»Berekh!«
Diesmal lag eindeutig mehr Zorn als Furcht in dem Ausruf, was seinen Schritt unweigerlich verlangsamte. Wütend war seine Frau eine völlig andere Herausforderung.
Der Grund für ihren Ausbruch wurde offensichtlich, sobald Berekh ins Freie trat. In dem Garten, den seine Frau mit solcher Hingabe angelegt und gepflegt hatte, saß ein Drache.
Er war klein, eigentlich noch ein Welpe. Die Hornfortsätze an seinem runden Kopf waren kaum mehr als eine Reihe von flachen Wölbungen, die Flügel so winzig und unförmig, dass Berekh sich fragte, ob er den weiten Weg hierher überhaupt geflogen sein konnte.
All das änderte jedoch nichts an der Tatsache, dass er bereits die Größe eines kräftigen Ponys besaß und sein schuppiges Hinterteil mitten zwischen die Gurken gepflanzt hatte.
Daena zeigte mit zitternden Fingern auf ihren Besucher. »Was auch immer es ist, schaff es aus meinem Gemüse!«
Berekh wollte sich an die Stirn greifen. Zum Glück erinnerte er sich rechtzeitig an das Blut an seinen Händen – und das wiederum rief ihm seinen Patienten zurück ins Gedächtnis. Mit einem leisen Fluch lief er ins Haus. An der Schwelle hielt er inne und wandte sich noch einmal zu Daena um. »Ich bin gleich wieder da«, versicherte er ihr, ehe er an den Tisch in seinem Arbeitsraum zurückhetzte.
In seiner Eile entging ihm allerdings, dass sich das übermütige Drachenjunge an seine Fersen geheftet hatte. Glückliche Rauchwolken ausstoßend folgte es ihm bis in das Innere des Gebäudes.
Gerade noch hatte der hartgesottene Bauer ohne Mühe den Anblick seines aufgeschlitzten Knöchels ertragen, der ihm unter die eigene Pflugschar geraten war. Berekh hatte das Bein mithilfe des Messers von dem mit Blut und Erdreich verkrusteten Hosenbein befreien müssen, um die Wunde versorgen zu können. Eine schmerzhafte Angelegenheit, die der Mann tapfer ertragen hatte.
Aber ein Blick in die gelben Drachenaugen genügte, und er sank mit einem leisen Wimmern in Ohnmacht.
***
Durch das Fenster starrte Daena den Drachen mit unverhohlener Missgunst an. Das lag weniger an seiner schuppigen Natur – dem Lindwurm Ozlakzbrat gegenüber hatte sie schließlich eine tiefe Freundschaft empfunden. Doch Lrartsnjoks Anwesenheit beschwor eine ungute Vorahnung in ihr herauf, die sie nicht abschütteln konnte, seit er sich als ihr neuer Schützling vorgestellt hatte.
Die mythischen Wesen bevorzugten, unter sich zu bleiben. Dass sie eines ihrer Jungen fortschickten, um die Wege der Menschen zu erlernen, bedeutete für Daena nur eines: Schlechte Zeiten standen bevor.
Lrartsnjok selbst schien sich dessen