Lago Maggiore Reiseführer Michael Müller Verlag. Marcus X. Schmid

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Lago Maggiore Reiseführer Michael Müller Verlag - Marcus X. Schmid


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die teureren Wohnlagen mit See­blick, und noch ein Stück ober­halb wacht die Madonna del Sasso, Locarnos be­rühm­teste Kirche und Wahr­zeichen der Stadt, über die Men­schen am Nordzipfel des Sees.

      Unterhalb der Piazza führt hinter dem Casino die palmenbestandene See­pro­me­nade an einigen Luxushotels vorbei zum Jachthafen. Unweit dahin­ter lädt der Lido mit Freibad und Spiel­wiese zum Entspannen ein. Mit einem ele­ganten Flachbau wur­de er 2013 um eine hypermoderne Wellness-Land­schaft erweitert: Solebäder, Sau­nen und eine Kneippanlage.

      Das relative große Einzugsfeld an Pend­lern sowie seine Lage zwischen Berg und See stellen Locarno vor ein schier unlösbares Verkehrsproblem, zu­mal wenn noch die som­mer­lichen Tou­ris­ten dazukommen. Zwar ist die Stadt untertunnelt, trotz­dem kommt es zu Verkehrsverstopfungen, insbeson­dere auf der von Bellinzona zu­füh­ren­den Stra­ße und im Tunnel selbst, oft auch auf der Ausfallstraße in Richtung Mag­giatal und Centovalli.

      Große Leinwand in Locarno

      In der ersten Augusthälfte wird man in Locarno und Umgebung kein frei­es Zim­mer mehr finden. Dann nämlich dreht sich alles um das „Locarno Film Festival“, das mit Cannes, Venedig und Berlin zu den gro­ßen euro­pä­i­schen Film­festivals zählt. Fern­seh­wagen bringen sich früh­zeitig an der Pi­azza Gran­de in Stellung, nicht nur der eintreffenden Kino­größen, son­dern auch an­de­rer Pro­minenz wegen. Die halbe Schwei­zer Regierung fin­det sich ein, Wirt­schafts­mogule und ein gutes Tausend Journalisten, von denen viele mehr am Event interessiert sind als am einzelnen Kunst­werk. Das 1946 ge­grün­dete Fes­tival - 2023 steht die 75. Ausgabe an - ist mitt­ler­weile mehr als nur ein hoch­karätiges Kunst­er­eig­nis. Es ist auch ein Feld des Lobbying, nicht zuletzt für die Fes­ti­val­orga­ni­sa­toren selbst, die um höhere Sub­ven­tio­nen kämpfen.

      Für den Festivalbesucher aber steht der Film im Zentrum. In den wenigen Ki­nos der Stadt und anderen Sälen werden Spezialreihen, Filme außer­halb des Wettbewerbs und Retrospektiven gezeigt. Das Hauptprogramm aber fin­det auf der Piazza Grande statt, wo vor einer riesigen Leinwand (26 x 14 m) rund 8000 Stühle auf­ge­stellt sind, nicht einfach so, sondern in einer strengen Cho­reo­gra­fie von Gelb und Schwarz, sodass der Besucher beim Blick auf die leeren Stuhlreihen ein Leopardenmuster entdeckt. Die Raub­katze ist schließlich das Emblem des Festivals, und der Traum jedes Re­gis­seurs ist es, den „Pardo d’Oro“, den Goldenen Leo­par­den mit nach Hause zu neh­men. Programm unter www.locarnofestival.ch.

      ♦ Etwas oberhalb der Piazza Grande wurde 2018 in einem umgebauten Schulhaus das PalaCinema Locarno eröffnet. Es soll den Ruf Locarnos als schweizerische Film­haupt­stadt festigen: Festi­val­büro, ein Kinosaal für 500, zwei weitere Säle für je 150 Zuschauer, Fach­bibliothek und Film­archiv - alles unter dem Dach des Leoparden.

      umzuwandeln. Die Politiker hatten wohl eingese­hen, dass das Park­problem auch mit Parkplätzen auf dem berühm­ten Platz nicht zu lösen ist.

      In der ersten Augusthälfte zeigt die Piaz­za zehn Tage lang ein ganz ande­res Ge­sicht. Tau­sende von schwarzen und gel­be Plastikstühlen stehen auf dem Pflas­ter, die Ca­fés sind noch vol­ler, die Park­probleme noch größer - das inter­na­tio­nal berühmte „Locarno Film Fes­ti­val“ geht über die Bühne (→ Kas­ten­text).

      Roy Lichtenstein in der Ghisla Art Collection

      Palazzo del Pretorio: An der Via della Pace, die beim Casino südlich weg­führt, steht eine stattliche Gründer­zeit­villa mit ein paar Palmen davor. Heute sind im Palast, der 1925 im Brennpunkt der Europapolitik stand (→ Kastentext „Als ganz Eu­ro­pa nach Locarno blick­te“), die Polizei, das Gesundheits- und das Finanzamt der Stadt unter­ge­bracht. Einzig eine Tafel mit Foto er­in­nert an die hier aus­ge­han­del­ten Ver­trä­ge, die als Locarnopakt in die Ge­schich­te ein­gingen - und der Name der Stra­ße: Via della Pace. Wer mehr über den Locarno­pakt erfahren will, muss sich ins Cas­tello Visconteo begeben. Dort ist eine ebenso ausführliche wie interes­san­te Do­ku­mentation über die Kon­fe­renz zu sehen.

      Castello Visconteo: Das einstige Schloss der Visconti, Herzöge von Mai­land, be­her­bergt heute in erster Linie das wenig aufregende archäologische Museum der Stadt. In­teressanter sind der „Saal des Pakts von Locarno“, eine aus­führ­liche Dokumenta­tion (auf Ita­lie­nisch) zum Locarnopakt, und der Spa­ziergang durch die historischen Ge­mäuer mit den mittelalterlichen Tor­bögen, aristo­kra­tischen Wappen, Fres­ken­res­ten und Graffiti von Ge­fan­genen.

      Schon die Aufgangstreppe mit ihrem An­betungsfresko versetzt den Be­sucher in an­dere Zeiten. Der darauf folgenden klei­nen Loggia haben die Deutsch­schwei­zer Herr­scher ihren Stempel auf­ge­drückt, von der Veranda der Land­vögte („lan­vocti“) blickt man dann un­ver­sehens auf das Parkhaus des moder­nen Locarno. Ganz oben, im mittel­alter­lichen Turm, der noch bis ins 19. Jahrhundert als Ge­fängnis ge­nutzt wurde. schwört grimmig ein ehe­ma­li­ger Häftling in deutscher Spra­che: „Rache“.

      Andere, viel ältere Graffiti sind im so­genannten „Alphabet von Lugano“ ge­schrie­ben, das sich an der etrus­ki­schen Schrift orientiert, die ent­spre­chende gesprochene Spra­che „Lepon­zia“ ist keltischen Ursprungs.

      Locarno

      Im „Saal des Pakts von Locarno“ sind nicht nur Tintenfass und Stempel für die his­to­rischen Unterschriften zu sehen, sondern auch die täglichen Bulletins der Konfe­renz, die vom 5. bis 16. Oktober 1925 dauerte: Am 11. Ok­to­ber begaben sich die Po­li­tiker auf eine Ver­gnügungsfahrt auf dem Lago, am 15. Oktober hatte der deut­sche Au­ßen­minister Stresemann das letzte Wort, der Protokollant hält auf Fran­zö­sisch, der Sprache der Diplomaten, fest: „Les Allemands sont des gens ter­riblement difficultueux; ils veulent tou­jours avoir le dernier mot“ (Die Deut­schen sind für­ch­ter­lich kom­pli­ziert, sie wollen immer das letzte Wort haben).

      ♦ April-Okt. Di-So 10-12 und 14-17 Uhr. Ein­tritt 10 CHF.

      Ghisla Art Collection: Der zur Straße hin fensterlose Kubus, mit einem fein­ma­schi­gen, roten Drahtnetz verkleidet und rundum von einem Wassergraben um­geben, ist ein Meisterwerk des Ar­chi­tekturbüros Moro & Moro. Dass es sich um ein um­ge­bautes Drei­fami­lien­haus handelt, mag der Betrachter kaum glauben. In diesem auffälligen Würfel machen seit 2014 Martine und Pierino Ghisla ihre private Kunst­samm­lung der Öffentlichkeit zugänglich. Das Museum be­sitzt rund 200 Kunst­wer­ke der Mo­derne: Unter anderem sind Miró, Magritte Picasso, Dubuffet, Appel und Vasarely vertreten. Ein Teil der per­ma­nen­ten Ausstellung ist gänzlich den Ame­ri­ka­nern, insbesondere der Pop- und Graffiti-Art (Roy Lichtenstein, Keith Haring, James Rosenquist u. a.) vor­behalten. Eine jährlich wechselnde Son­derausstellung er­gänzt das An­gebot. Das kunstsinnige Gründerpaar schließt mit seiner privaten Ini­tiative ein­deutig eine Lücke im Kul­tur­an­ge­bot der Stadt.

      ♦ März-Dez. Mi-So 14-19 Uhr; Nov. bis Jan. Fr-So 13.30-18 Uhr. Eintritt 15 CHF.

      Chiesa Sant’Antonio Abate: Die Haupt­kirche der Stadt zeigt eine wuchtige


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