Lago Maggiore Reiseführer Michael Müller Verlag. Marcus X. Schmid
Читать онлайн книгу.die teureren Wohnlagen mit Seeblick, und noch ein Stück oberhalb wacht die Madonna del Sasso, Locarnos berühmteste Kirche und Wahrzeichen der Stadt, über die Menschen am Nordzipfel des Sees.
Unterhalb der Piazza führt hinter dem Casino die palmenbestandene Seepromenade an einigen Luxushotels vorbei zum Jachthafen. Unweit dahinter lädt der Lido mit Freibad und Spielwiese zum Entspannen ein. Mit einem eleganten Flachbau wurde er 2013 um eine hypermoderne Wellness-Landschaft erweitert: Solebäder, Saunen und eine Kneippanlage.
Das relative große Einzugsfeld an Pendlern sowie seine Lage zwischen Berg und See stellen Locarno vor ein schier unlösbares Verkehrsproblem, zumal wenn noch die sommerlichen Touristen dazukommen. Zwar ist die Stadt untertunnelt, trotzdem kommt es zu Verkehrsverstopfungen, insbesondere auf der von Bellinzona zuführenden Straße und im Tunnel selbst, oft auch auf der Ausfallstraße in Richtung Maggiatal und Centovalli.
Sehenswertes
Piazza Grande: Richtig angekommen in Locarno ist man erst, wenn man über die Piazza Grande geschlendert ist und sich in eines der zahlreichen Straßencafés gesetzt hat. Der zentrale Platz im lombardischen Stil gehört zu den schönsten Plätzen Europas. Die Locarner sind stolz auf ihn und dies auch mit Recht, seit 2008 im Tessiner Parlament der längst fällige Beschluss fiel, die Piazza Grande in eine Fußgängerzone
Große Leinwand in Locarno
In der ersten Augusthälfte wird man in Locarno und Umgebung kein freies Zimmer mehr finden. Dann nämlich dreht sich alles um das „Locarno Film Festival“, das mit Cannes, Venedig und Berlin zu den großen europäischen Filmfestivals zählt. Fernsehwagen bringen sich frühzeitig an der Piazza Grande in Stellung, nicht nur der eintreffenden Kinogrößen, sondern auch anderer Prominenz wegen. Die halbe Schweizer Regierung findet sich ein, Wirtschaftsmogule und ein gutes Tausend Journalisten, von denen viele mehr am Event interessiert sind als am einzelnen Kunstwerk. Das 1946 gegründete Festival - 2023 steht die 75. Ausgabe an - ist mittlerweile mehr als nur ein hochkarätiges Kunstereignis. Es ist auch ein Feld des Lobbying, nicht zuletzt für die Festivalorganisatoren selbst, die um höhere Subventionen kämpfen.
Für den Festivalbesucher aber steht der Film im Zentrum. In den wenigen Kinos der Stadt und anderen Sälen werden Spezialreihen, Filme außerhalb des Wettbewerbs und Retrospektiven gezeigt. Das Hauptprogramm aber findet auf der Piazza Grande statt, wo vor einer riesigen Leinwand (26 x 14 m) rund 8000 Stühle aufgestellt sind, nicht einfach so, sondern in einer strengen Choreografie von Gelb und Schwarz, sodass der Besucher beim Blick auf die leeren Stuhlreihen ein Leopardenmuster entdeckt. Die Raubkatze ist schließlich das Emblem des Festivals, und der Traum jedes Regisseurs ist es, den „Pardo d’Oro“, den Goldenen Leoparden mit nach Hause zu nehmen. Programm unter www.locarnofestival.ch.
♦ Etwas oberhalb der Piazza Grande wurde 2018 in einem umgebauten Schulhaus das PalaCinema Locarno eröffnet. Es soll den Ruf Locarnos als schweizerische Filmhauptstadt festigen: Festivalbüro, ein Kinosaal für 500, zwei weitere Säle für je 150 Zuschauer, Fachbibliothek und Filmarchiv - alles unter dem Dach des Leoparden.
umzuwandeln. Die Politiker hatten wohl eingesehen, dass das Parkproblem auch mit Parkplätzen auf dem berühmten Platz nicht zu lösen ist.
In der ersten Augusthälfte zeigt die Piazza zehn Tage lang ein ganz anderes Gesicht. Tausende von schwarzen und gelbe Plastikstühlen stehen auf dem Pflaster, die Cafés sind noch voller, die Parkprobleme noch größer - das international berühmte „Locarno Film Festival“ geht über die Bühne (→ Kastentext).
Roy Lichtenstein in der Ghisla Art Collection
Palazzo del Pretorio: An der Via della Pace, die beim Casino südlich wegführt, steht eine stattliche Gründerzeitvilla mit ein paar Palmen davor. Heute sind im Palast, der 1925 im Brennpunkt der Europapolitik stand (→ Kastentext „Als ganz Europa nach Locarno blickte“), die Polizei, das Gesundheits- und das Finanzamt der Stadt untergebracht. Einzig eine Tafel mit Foto erinnert an die hier ausgehandelten Verträge, die als Locarnopakt in die Geschichte eingingen - und der Name der Straße: Via della Pace. Wer mehr über den Locarnopakt erfahren will, muss sich ins Castello Visconteo begeben. Dort ist eine ebenso ausführliche wie interessante Dokumentation über die Konferenz zu sehen.
Castello Visconteo: Das einstige Schloss der Visconti, Herzöge von Mailand, beherbergt heute in erster Linie das wenig aufregende archäologische Museum der Stadt. Interessanter sind der „Saal des Pakts von Locarno“, eine ausführliche Dokumentation (auf Italienisch) zum Locarnopakt, und der Spaziergang durch die historischen Gemäuer mit den mittelalterlichen Torbögen, aristokratischen Wappen, Freskenresten und Graffiti von Gefangenen.
Schon die Aufgangstreppe mit ihrem Anbetungsfresko versetzt den Besucher in andere Zeiten. Der darauf folgenden kleinen Loggia haben die Deutschschweizer Herrscher ihren Stempel aufgedrückt, von der Veranda der Landvögte („lanvocti“) blickt man dann unversehens auf das Parkhaus des modernen Locarno. Ganz oben, im mittelalterlichen Turm, der noch bis ins 19. Jahrhundert als Gefängnis genutzt wurde. schwört grimmig ein ehemaliger Häftling in deutscher Sprache: „Rache“.
Andere, viel ältere Graffiti sind im sogenannten „Alphabet von Lugano“ geschrieben, das sich an der etruskischen Schrift orientiert, die entsprechende gesprochene Sprache „Leponzia“ ist keltischen Ursprungs.
Locarno
Im „Saal des Pakts von Locarno“ sind nicht nur Tintenfass und Stempel für die historischen Unterschriften zu sehen, sondern auch die täglichen Bulletins der Konferenz, die vom 5. bis 16. Oktober 1925 dauerte: Am 11. Oktober begaben sich die Politiker auf eine Vergnügungsfahrt auf dem Lago, am 15. Oktober hatte der deutsche Außenminister Stresemann das letzte Wort, der Protokollant hält auf Französisch, der Sprache der Diplomaten, fest: „Les Allemands sont des gens terriblement difficultueux; ils veulent toujours avoir le dernier mot“ (Die Deutschen sind fürchterlich kompliziert, sie wollen immer das letzte Wort haben).
♦ April-Okt. Di-So 10-12 und 14-17 Uhr. Eintritt 10 CHF.
Ghisla Art Collection: Der zur Straße hin fensterlose Kubus, mit einem feinmaschigen, roten Drahtnetz verkleidet und rundum von einem Wassergraben umgeben, ist ein Meisterwerk des Architekturbüros Moro & Moro. Dass es sich um ein umgebautes Dreifamilienhaus handelt, mag der Betrachter kaum glauben. In diesem auffälligen Würfel machen seit 2014 Martine und Pierino Ghisla ihre private Kunstsammlung der Öffentlichkeit zugänglich. Das Museum besitzt rund 200 Kunstwerke der Moderne: Unter anderem sind Miró, Magritte Picasso, Dubuffet, Appel und Vasarely vertreten. Ein Teil der permanenten Ausstellung ist gänzlich den Amerikanern, insbesondere der Pop- und Graffiti-Art (Roy Lichtenstein, Keith Haring, James Rosenquist u. a.) vorbehalten. Eine jährlich wechselnde Sonderausstellung ergänzt das Angebot. Das kunstsinnige Gründerpaar schließt mit seiner privaten Initiative eindeutig eine Lücke im Kulturangebot der Stadt.
♦ März-Dez. Mi-So 14-19 Uhr; Nov. bis Jan. Fr-So 13.30-18 Uhr. Eintritt 15 CHF.
Chiesa Sant’Antonio Abate: Die Hauptkirche der Stadt zeigt eine wuchtige