Die Löwenskölds. Selma Lagerlöf

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Die Löwenskölds - Selma Lagerlöf


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Quetschwunde aber nicht auch von dem groben Knüppel herrühren, den Paul Eliasson in der Hand trug?

      Der Rittmeister stand düster da und schaute zu Boden. Ein Kampf hatte sich in seinem Innern erhoben. Er hatte von den drei Männern immer nur Gutes gehört, und es widerstrebte ihm, ihnen Totschlag und Diebstahl zuzutrauen.

      Alle seine Leute hatten sich um ihn versammelt. Ein paar von ihnen schwangen sogar schon ihre Waffen. Niemand von allen dachte, es werde jetzt ohne Kampf und Streit abgehen.

      Da trat Erik Ivarsson zu dem Rittmeister und sagte: »Wir Brüder und auch Paul Eliasson, der unser Pflegesohn ist und bald mein Schwiegersohn werden wird, verstehen wohl, was der Herr Rittmeister und seine Leute von uns denken. Deshalb meinen wir, wir sollten jetzt nicht auseinandergehen, ohne dass der Herr Rittmeister auch unsere Taschen und Kleider hat untersuchen lassen.«

      Bei diesem Anerbieten hellte sich das Dunkel in der Seele des Rittmeisters etwas auf. Er machte Einwendungen und sagte, die Ivarssöhne und ihr Pflegesohn seien Männer, auf die kein Verdacht fallen könnte. Aber die Bauern wollten die Sache zu Ende bringen. Sie fingen selbst an, ihre Taschen umzudrehen und ihre Schuhe auszuziehen, und da gab der Rittmeister seinen Leuten einen Wink, ihnen den Willen zu tun.

      Doch kein Ring wurde entdeckt, nur in einer Rindenbütte, die Ivar Ivarsson auf dem Rücken trug, wurde ein kleiner Beutel aus Ziegenleder entdeckt.

      »Gehört dieser Beutel euch?«, fragte der Rittmeister, als er den Beutel untersucht und leer gefunden hatte.

      Wenn nun Ivar Ivarsson mit Ja geantwortet hätte, wäre die Sache damit abgeschlossen gewesen; er aber erklärte mit der größten Ruhe von der Welt: »Nein, er lag auf dem Pfad nicht weit von der Stelle, wo Ingilbert zu Boden fiel. Ich hob ihn auf und warf ihn in die Bütte, weil er noch neu und unbeschädigt aussah.«

      »Aber gerade in so einem Beutel lag der Ring, als der Propst ihn Ingilbert zuwarf«, sagte der Rittmeister, und jetzt lag der düstere Ausdruck wieder in seiner Stimme und auf seinem Gesicht. »Es scheint also wohl nichts anderes übrig zu bleiben, als dass ihr Ivarssöhne mit mir zum Lehnsmann kommt, falls ihr den Ring nicht gutwillig herausgeben wollt.«

      Doch jetzt war es aus mit der Geduld der Olsbymänner. »Der Herr Rittmeister hat nicht das Recht, uns zu verhaften«, erwiderte Erik Ivarsson. Zugleich ergriff er seinen Spieß, der neben Ingilbert lag, um sich einen Weg zu bahnen, und sein Bruder und sein Schwiegersohn schlossen sich ihm an. In der ersten Verblüffung wichen die Leute von Hedeby mit Ausnahme des Rittmeisters rasch zurück. Der Rittmeister aber, der vor Behagen lächelte, weil er seinem Zorn nun die Tat folgen lassen konnte, zog seinen Säbel und hieb den Spieß mitten durch.

      Das war aber auch die einzige Waffentat, die in diesem Kriege vollbracht wurde. Die eigenen Leute des Rittmeisters zogen diesen zurück und entrissen ihm seine Waffe. Es war nämlich so, dass auch der Lehnsmann Carelius es für angezeigt gefunden hatte, sich an diesem Morgen in den Wald zu begeben. Und er war eben jetzt, von einem Gerichtsdiener begleitet, auf dem Pfad zum Vorschein gekommen.

      Nun gab es neue Untersuchungen und neue Verhöre, die schließlich damit endigten, dass Erik Ivarsson sowie sein Bruder Ivar und ihr Pflegesohn Paul als des Raubes und Mordes stark verdächtig ins Gefängnis geführt wurden.

      Siebentes Kapitel

      Eines lässt sich nicht leugnen: Bei uns in Värmland waren die Wälder weit und die Äcker klein, die Hofplätze waren groß, die Häuser aber eng, die Wege schmal, die Hügel aber steil, die Haustüren niedrig, die Schwellen aber hoch, die Kirchen unansehnlich, die Gottesdienste aber lang, die Lebenstage kurz, die Sorgen aber zahllos. Darum waren die Värmländer aber doch keine Kopfhänger oder Jammerlappen.

      Wohl raffte der Frost die Ernte dahin, wohl wüteten die wilden Tiere in den Herden und die rote Ruhr in der Kinderschar, aber trotzdem hielten die Leute den Mut und die gute Laune so lange wie möglich aufrecht. Wohin wäre es sonst auch mit ihnen gekommen?

      Dies beruhte aber vielleicht darauf, dass es in jedem Haus einen Tröster gab. Es gab einen, der sowohl zu den Reichen als auch zu den Armen kam, einen, der nie versagte und nie müde wurde.

      Aber glaubt doch ja nicht, dieser Tröster sei etwas Feierliches oder Großartiges gewesen, so wie Gottes Wort oder Gewissensfrieden oder Liebesglück! Und glaubt auch nicht, es sei etwas Gemeines und Gefährliches gewesen, wie Trunksucht oder Würfelspiel! O nein, es war nur etwas ganz Unschuldiges und Alltägliches, nämlich nichts anderes als das Feuer, das an den Winterabenden auf dem Herd flammte.

      Lieber Gott, wie machte es doch in der kleinsten Hütte alles so schön und behaglich! Und wie trieb es mit den Leuten seinen Spaß, den ganzen Abend hindurch! Es knisterte und prasselte, es war, als lachte es sie aus. Es zischte und sprühte, und dann war es, als wollte es jemand nachmachen, der misslaunig und zornig war. Bisweilen wusste es durchaus nicht, wie es mit einem knorrigen, alten Klotz fertig werden sollte. Dann füllte es die ganze Stube mit Rauch und Dunst an, wie wenn es den Leuten zu verstehen geben wollte, dass es von der Kost, die ihm dargereicht werde, nicht leben könne. Bisweilen, und gerade, wenn die Leute im besten Arbeitseifer waren, nahm es die Gelegenheit wahr und sank plötzlich zu einem Gluthaufen zusammen, sodass die Leute die Hände in den Schoß legen und hell auflachen mussten, bis es sich wieder zum Aufflammen bequemte.

      Am allermutwilligsten aber war es, wenn die Hausfrau mit dem dreibeinigen Kochkessel daherkam und das Essen kochen wollte. Ein einziges Mal zeigte es sich da willig und dienstfertig und machte seine Sache rasch und gut, sehr oft aber tanzte es stundenlang leicht und ausgelassen um den Kochtopf, ohne ihn zum Sieden zu bringen.

      Oh, wie leuchtete es in den Augen des Hausvaters auf, wenn er nass und verfroren aus dem schmutzigen Schnee heimkam und ihn das Feuer mit Wärme und Behaglichkeit empfing! Wie gut war es für ihn, an das wachende Licht zu denken, das gleich einem Leitstern für arme Wanderer in die dunkle Winternacht hinausströmte, zugleich aber auch ein Zeichen zum Erschrecken für Luchs und Wolf war!

      Das Herdfeuer aber konnte noch mehr als wärmen und leuchten und Essen kochen. Es verstand sich auf noch merkwürdigere Dinge als Funkeln, Sprühen, Prasseln und Treiben von Unsinn. Es war auch imstande, die Lust zum Spiel in der Menschenseele zum Leben zu erwecken. Denn was ist die Menschenseele, ja auch sie, anderes als eine spielende Flamme! Sie flattert in und über und um den Menschen her, wie die Feuerflamme über und um das raue Holz, ja, in ihm drinnen flackert. Wenn nun die an einem Winterabend um das Herdfeuer Versammelten eine Weile schweigend dagesessen und in die Flammen geschaut hatten, dann begann das Feuer mit jedem Einzelnen in seiner eigenen Sprache zu reden: »Bruder Seele«, sagte die Feuerflamme, »bist du nicht auch so eine Flamme wie ich? Warum bist du so traurig und bedrückt?« – »Schwester Flamme«, antwortete wohl die Menschenseele, »ich habe Holz gespalten und den ganzen Tag den Haushalt versorgt. Jetzt kann ich nichts anderes mehr tun, als still dasitzen und dich ansehen!« – »Ja, das weiß ich wohl«, antwortete dann das Herdfeuer. »Jetzt ist Feierabend. Mach es wie ich, flackere, und leuchte! Spiele, und wärme!«

      Und die Seelen gehorchten dem Herdfeuer und begannen zu spielen. Sie erzählten Geschichten, sie gaben einander Rätsel auf, sie strichen die Geigensaiten. Sie ritzten Ranken und Rosen in Werkzeuge und Ackergeräte. Sie spielten allerlei Spiele und sangen Lieder. Sie lösten Pfänder aus und erinnerten sich an alte Sprichwörter. Und unterdessen taute die Eiseskälte in ihren Gliedern, die Missgestimmtheit in ihren Herzen auf. Sie lebten wieder auf und wurden vergnügt. Das Herdfeuer und das Spiel vor dem hellen Feuer weckten in ihnen wieder die Lust, das karge, mühselige Leben fortzusetzen.

      Was aber vor allem zu dem Herdfeuer gehörte, das war doch wohl das Erzählen von merkwürdigen Heldentaten und Abenteuern. Das war es, was Alt und Jung erfreute, ja, es war etwas, wovon sie nie genug bekommen konnten. Denn Heldentaten und Abenteuer hat es ja, Gott sei Dank, von jeher genug auf dieser Welt gegeben.

      Niemals aber gab es deren so viele wie zur Zeit des Königs Karl. Er war der Held unter den Helden, und von ihm und seinen Mannen gab es eine Überfülle von Geschichten zu berichten. Sie vergingen nicht mit ihm selbst und mit seiner Herrschermacht, nein, sie lebten nach seinem Tod weiter, und sie waren seine beste Hinterlassenschaft.


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