Nikolas Nickleby. Charles Dickens

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Nikolas Nickleby - Charles Dickens


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konnte doch nicht wissen, daß Mr. Nickleby hier ist, mein Schatz«, entschuldigte sich Madame Mantalini.

      »Dann muß der Bediente ein doppelt verteufelter höllischer Spitzbube sein, mein Herz«, scherzte Mr. Mantalini.

      »Gewiß, mein Schatz, was kannst du auch anders erwarten, wenn du ihm alles durchgehen läßt«, schmollte die Dame.

      »Nun, sei nur nicht ungehalten«, flötete Mr. Mantalini, »zum Teufel, er soll durchgepeitscht werden, bis er nach Gott schreit.«

      Und Mr. Mantalini fügte seinem Versprechen einen Kuß hinzu, und Madame Mantalini kniff ihn scherzhaft ins Ohr. Sodann ließ sich das Ehepaar herbei, zu den Geschäften überzugehen.

      »Also, Madame«, brummte Ralph, der diesen Vorgängen mit einer Verachtung zugesehen hatte, wie sie wohl nur wenige Menschen in ihren Blicken auszudrücken vermögen, »dies ist meine Nichte.«

      »Ah richtig, Mr. Nickleby«, versetzte Madame Mantalini und musterte Kate von Kopf bis Fuß und wieder zurück. »Können Sie Französisch, mein Kind?«

      »Ja, Madam«, antwortete Kate, ohne zu wagen, die Augen aufzuschlagen, denn sie fühlte den Blick des widerlichen Menschen im Schlafrock wieder auf sich ruhen.

      »Auch so verteufelt geläufig wie eine Rassefranzösin?« fragte Mr. Mantalini.

      Miss Nickleby gab keine Antwort und wendete dem Frager den Rücken zu, als sei sie willens, nur auf das zu antworten, was Madame sie fragen würde.

      »Wir haben beständig zwanzig junge Mädchen im Geschäft«, bemerkte die Putzmacherin.

      »Ja, und auch einige verteufelt hübsche darunter«, ergänzte Mr. Mantalini.

      »Mantalini!« rief die ältliche Gattin in verweisendem Tone.

      »Abgott meines Lebens?«

      »Willst du mich unter die Erde bringen?«

      »Nicht um zwanzigtausend Hemisphären, bevölkert mit mit – – mit kleinen Balletteusen«, beteuerte Mr. Mantalini poetisch.

      »Es wird aber geschehen, wenn du fortfährst in dieser Weise zu sprechen. Was wird sich Mr. Nickleby denken?!«

      »Ach, nichts, Madame!« fiel Ralph ein. »Ich kenne seinen und Ihren liebenswürdigen Charakter. Weiter nichts als kleine Bemerkungen, die Ihrer täglichen Unterhaltung einen pikanten Beigeschmack geben. Liebesgetändel, das die häuslichen Freuden versüßen soll, wenn sie langweilig werden wollen. Das ist alles.«

      Wenn eine eiserne Türe mit ihren Angeln in Streit geraten wäre, hätten ihre Töne kaum unangenehmer das Ohr berühren können als diese Worte, so rauh stieß sie Ralph hervor. Selbst Mantalini empfand das und drehte sich erschrocken mit dem Ausruf um:

      »Ist das aber ein verteufelt abscheuliches Gekrächz!«

      »Achten Sie nicht auf das, was Mr. Mantalini sagt«, wendete sich Madame entschuldigend an Kate Nickleby.

      »Ich tue es auch nicht, Madam«, sagte Kate mit ruhiger Verachtung. »Mr. Mantalini kommt mit den jungen Mädchen im Hause nicht weiter in Berührung«, fuhr die Putzmacherin mit einem Blick auf ihren Gatten, aber zu Kate gewendet, fort; »hat er eine von ihnen dennoch gesehen, so muß es auf der Straße gewesen sein, wenn die Mädchen von oder zur Arbeit gingen. In keinem Falle aber im Hause, denn ich gestatte nicht, daß er in das Arbeitszimmer kommt. – An was für Arbeitsstunden sind Sie gewöhnt?«

      »Ich bin vorderhand überhaupt noch nicht an Arbeit gewöhnt«, antwortete Kate schüchtern.

      »Und eben deshalb wird sie jetzt um so fleißiger arbeiten«, fiel Ralph schnell ein, damit dieses Geständnis die Verhandlung nicht beeinträchtigte.

      »Das hoffe ich«, entgegnete Madame Mantalini. »Unsere Stunden sind von neun bis neun; auch noch länger, wenn wir mit Arbeit überhäuft sind, was aber dann besonders bezahlt wird.« Kate nickte eifrig, um anzudeuten, daß sie vollkommen einverstanden sei.

      »Und die Kost, das heißt Mittagessen und Tee, erhalten Sie hier. Ihr Lohn wird sich durchschnittlich auf etwa fünf bis sieben Schillinge pro Woche belaufen. Ich kann mich darüber noch nicht mit Bestimmtheit auslassen, ehe ich gesehen habe, was Sie zu leisten imstande sind.«

      Kate verbeugte sich abermals.

      »Wenn Sie also eintreten wollen«, fuhr Madame Mantalini fort, »so ist es am besten, wenn Sie Montag früh punkt neun Uhr anfangen. Ich werde Miss Knag, der Vorarbeiterin, den Auftrag geben, daß sie Ihnen für den Anfang leichtere Sachen zuweist. – Steht sonst noch etwas zu Diensten, Mr. Nickleby?«

      »Nichts sonst, Madam«, versetzte Ralph aufstehend.

      »Dann glaube ich, haben wir wohl alles verhandelt?«

      Mit diesen Worten sah sich Madame Mantalini nach der Tür um, als wünsche sie sich zu entfernen, aber sie zögerte noch und schien ihrem Gemahl die Ehre, den Gästen das Geleit zu geben, überlassen zu wollen. Ralph half ihr aus der Verlegenheit und verabschiedete sich unverzüglich. Madame Mantalini erkundigte sich vorher noch gnädigst, warum man so selten die Ehre seines Besuches habe, und Mr. Mantalini verteufelte im Hinuntergehen mit großer Zungengeläufigkeit die Stiegen, in der vergeblichen Hoffnung, Kate zu veranlassen, sich noch einmal umzusehen.

      »So«, sagte Ralph, als sie auf die Straße traten, »jetzt wäre für dich gesorgt.«

      Kate wollte ihm abermals danken, aber er fiel ihr ins Wort:

      »Ich hatte anfänglich vor, deine Mutter in einer hübschen Gegend auf dem Lande unterzubringen (er hatte nämlich das Recht, über einige Freiplätze in den Armenhäusern an der Grenze von Kornwallis zu verfügen), da ihr aber beisammenbleiben wollt, so muß ich sehen, wie sich's anders machen läßt. – Sie hat wohl noch ein wenig Geld?«

      »Sehr wenig«, versetzte Kate schüchtern.

      »Auch wenig wird weit reichen, wenn man sparsam damit umgeht. Sie muß sich eben so gut wie möglich nach der Decke strecken. Die Miete soll sie nichts kosten. – Ihr zieht am nächsten Samstag aus?«

      »Sie sagten doch, daß wir es tun sollten, Onkel.«

      »Ganz recht. – Also, ich habe gegenwärtig ein leeres Haus zur Verfügung, wo ich euch unterbringen kann, bis es vermietet ist; und dann steht mir eventuell noch ein anderes zu Gebote, wenn sich die Umstände ändern sollten. – Ihr müßt vorderhand dort hinziehen.«

      »Ist es weit von hier, Onkel?« fragte Kate.

      »Ja, ziemlich weit. In einem andern Stadtteile – im Ostend. Aber ich werde euch Samstag abends meinen Schreiber schicken. Der soll euch hinführen. Adieu jetzt. – Du weißt doch den Weg? – Nur immer geradeaus!«

      Damit verließ Ralph seine Nichte am Eingang in die Regent Street mit einem kalten Händedruck und bog, fortwährend auf Gelderwerb sinnend, in eine Nebengasse ein, während Kate traurig in ihre Wohnung zurückkehrte.

      Mit düsteren Ahnungen blickte Kate Nickleby in die Zukunft, während sie so dahinschritt. Das Benehmen ihres Onkels war ebensowenig geeignet, die Zweifel und Bedenken, die sich ihr bereits von Anfang an aufgedrängt, zu zerstreuen, wie der Blick, den sie in Madame Mantalinis Etablissement geworfen hatte.

      Wären Worte des Trostes imstande gewesen, ihr Gemüt ein wenig aufzuhellen, so hätte dies notwendigerweise geschehen müssen, da es ihre Mutter an solchen durchaus nicht fehlen ließ. Die gute Dame hatte sich während der Abwesenheit ihrer Tochter auf zwei authentische Fälle von Putzmacherinnen besonnen, die es zu einem beträchtlichen Vermögen gebracht, wenn Mrs. Nickleby auch nicht mit Bestimmtheit anzugeben wußte, ob sie es lediglich durch ihr Geschäft erworben hatten. Miss La Creevy, die zum Familienrate zugezogen wurde, wagte zwar einige Bedenken zu äußern, ob es wahrscheinlich sei, daß Miss Nickleby in den Grenzen einer gewöhnlichen Lebensdauer ein so glückliches Ziel zu erreichen imstande sei,


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