Das Leben des Antonio Filarete, Benozzo Gozzoli, Vittore Carpaccio und weiterer Künstler. Giorgio Vasari

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Das Leben des Antonio Filarete, Benozzo Gozzoli, Vittore Carpaccio und weiterer Künstler - Giorgio Vasari


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zwei Bronzeszenen gearbeitet, dessen Stil Lorenzo immer soweit als möglich nachgeahmt hat. Lorenzo hat dann auch besagtes Taufbecken zu letzter Vollendung geführt, indem er dort einige Figuren in Bronze anbrachte, die noch von Donatello gegossen, aber von ihm selbst ganz vollendet worden waren und die als wunderschön gelten. Für die Loggia der Ufficiali in Banchi schuf Lorenzo die lebensgroßen Figuren der Heiligen Petrus und Paulus aus Marmor, die mit größter Anmut gearbeitet und sehr erfahren ausgeführt waren.30

      Die Werke, die er schuf, richtete er in einer Weise her, für die er im Leben wie im Tod viel Lob verdient hat. Er war ein melancholischer und eigenbrötlerischer Mensch, der immer in Gedanken versunken war. Dies war vielleicht der Grund dafür, daß er nicht länger lebte und mit achtundfünfzig Jahren aus dem Leben schied.31

      Seine Werke stammen ungefähr aus der Zeit um 1482.32

      Ende der Lebensbeschreibung von Francesco di Giorgio und Lorenzo Vecchietta.33

      Einleitung zum Leben des Mino da Fiesole

      Die im Gesamtwerk unmittelbar auf die Vita Desiderio da Settignanos folgende Lebensbeschreibung des Bildhauers Mino da Fiesole in den beiden Editionen der Vite von 1550 und 1568 weist nur geringfügige Unterschiede auf. Aus welchen Quellen Vasari seine Informationen über den Künstler schöpfte, bleibt im dunkeln. Außer Francesco Albertinis Opusculum de mirabilibus nove et veteris urbis Romae (Rom 1510), ein Werk, das im 16. Jahrhundert zu den meistgelesenen Büchern gehörte und in kurzer Zeit mehrere Auflagen erlebte, gibt es keine nennenswerten Schriftquellen vor Vasaris Vite, in denen über Mino oder seine künstlerischen Werke berichtet würde. Zwar nennt Pomponius Gauricus in seinem 1506 publizierten Traktat De sculptura einen Meister namens Nino,1 und auch Antonio Filarete erwähnt in seinem 1464 verfaßten und Piero de’ Medici gewidmetem Trattato di architettura neben anderen Florentiner Bildhauern einen Künstler, den er Dino nennt,2 doch ist weder bei Gauricus noch bei Filarete Konkretes zu erfahren. Lediglich Francesco Albertini schreibt das von Kardinal Guillaume d’Estouteville gestiftete und heute nur noch fragmentarisch erhaltene Marmortabernakel für den Hochaltar von Santa Maria Maggiore in Rom, das sogenannte Ciborio della neve, dem Florentiner Bildhauer Mino zu, ein Werk, das Vasari jedoch mit keinem Wort erwähnt.3 Dies ist um so erstaunlicher, als er den Namen des Kardinals in der zweiten Edition sehr wohl ergänzt, allerdings im Kontext seines Grabmals in Santa Maria Maggiore. Francesco Albertini ist es auch, der in seinem mit »De laudibus civitatum Florentiae et Saonenis« betitelten Appendix des Opusculum de mirabilibus nove et veteris urbis Romae Mino neben anderen bedeutenden Malern, Bildhauern und Architekten in einer Aufzählung von Florentiner uomini famosi nennt.4 Dagegen sucht man Minos Namen in Albertinis ebenfalls 1510 erschienenem Memoriale di molte statue e pitture della città di Firenze allen Erwartungen zum Trotz vergeblich.

      Ob Vasari für die vorliegende Biographie die hier genannten Quellen konsultierte, bleibt dahingestellt. Zumindest scheint er oder einer seiner Mitstreiter im Zuge der Revision für die zweite Ausgabe der Vite das seinerzeit nur in Manuskriptform existierende Traktat des Filarete gründlich gelesen zu haben. Darauf deutet die 1568 in den Text eingefügte Notiz hin, manche würden behaupten, der Name des Bildhauers sei Dino und nicht Mino. In dem Bild, das Vasari von seinem Protagonisten entwirft, spiegelt sich deutlich die Verlegenheit und Unsicherheit hinsichtlich der Identität des Künstlers wider. Vasaris Mino da Fiesole ist ein Meister, dessen künstlerische Reifezeit in die zweite Hälfte des Quattrocento fällt und der aus der Nähe von Florenz stammt, ja quasi als Florentiner gelten kann und aus Vasaris Sicht von jenem Bildhauer namens Mino zu differenzieren ist, den er Mino del Reame (an anderer Stelle auch Mino del Regno) nennt – ein Name, der wohl dessen Herkunft aus dem Königreich Neapel andeuten soll. Letzteren erklärt Vasari zum neidgetriebenen Kontrahenten des Bildhauers Paolo Romano (siehe in diesem E-Book »Das Leben der Bildhauer Paolo Romano und Meister Mino sowie des Architekten Chimenti Camicia«). Die von Vasari vorgenommene, jedoch nicht kohärente Differenzierung zwischen Mino da Fiesole und Mino del Reame hat in der Forschung lange Zeit für Verwirrung gesorgt, zumal die meisten jener Werke, die Vasari besagtem Meister aus dem Süden Italiens zuschreibt, traditionell mit Mino da Fiesole in Verbindung gebracht werden und Vasari sich darüber hinaus zuweilen selbst widerspricht.5 Da bislang keine anderen Quellen aufgetaucht sind, die die Existenz eines Mino del Reame verifizieren könnten, herrscht mittlerweile nahezu Konsens darüber, daß es sich bei jenem obskuren Künstler um eine fiktive Gestalt handelt, die Vasaris Phantasie zuzuschreiben ist.

      Auch wenn der angeblich aus Fiesole stammende Meister Mino weitaus positiver als sein fiktiver Namensvetter präsentiert wird, bleibt Vasaris Verhältnis zu seinem Protagonisten doch merkwürdig ambivalent. Einerseits lobt er ihn für die Anmut, für die grazia seiner Werke, was den Künstler auf eine Ebene mit den Vertretern der maniera moderna hebt, die Vasari im dritten Teil seiner Vite behandelt und die gleichsam die höchste Entwicklungsstufe der drei Künste Malerei, Bildhauerei und Architektur repräsentieren. Andererseits bemängelt er dessen kritiklosen Umgang mit künstlerischen Vorbildern. Angeblich sei Mino ein Schüler Desiderio da Settignanos gewesen, was angesichts des nahezu gleichen Alters beider kaum den Tatsachen entsprochen haben kann. Gleichwohl: Vasari macht Mino zu einem servilen Nachahmer von Desiderio. Mino – so der Künstlerbiograph – sei von der »bella grazia« der Figuren, die Desiderio schuf, derart affiziert gewesen, daß er sich in seinem künstlerischen Schaffen ausschließlich am Stil seines angeblichen Meisters orientierte. Schon Castiglione hatte in seinem Il libro del cortegiano hervorgehoben, daß jeder, der den Wunsch habe, ein guter Schüler zu sein, alle Sorgfalt darauf verwenden sollte, sich dem Lehrer anzugleichen, wenn möglich sogar, sich in diesen zu verwandeln.6 Zumindest in der 1550er Version des Textes klingen diese Worte unverhüllt an, wenn ein angebliches Epitaph zu Ehren Minos zitiert wird, das in assoziativer Weise mit dem Namen Desiderio (Verlangen, Begehren, Wunsch) spielt und verkündet, Mino sei von dem Wunsch beseelt gewesen, Desiderio in der schönen Kunst gleichzukommen (»DESIDERANDO AL PARI DI DESIDERIO ANDAR NELLA BELLA ARTE«). Desiderios Stil nachzuahmen ist in Vasaris Augen per se nicht verdammenswert, gehörte die imitatio von Vorbildern als Methode zur Ausformung eines eigenen Motivschatzes und zur Förderung der eigenen Inventionskraft doch traditionell zur praktischen Ausbildung und Schulung von Künstlern.7 Was Vasari jedoch in höchstem Maße kritisiert, ist die sklavische Nachahmung eines einzigen zum Ideal erhobenen Vorbildes. Diese Beschränkung – so Vasaris Ansicht – hätte unausweichlich zur Folge, daß ein eigener Stil nicht ausgebildet werden könne. Der Prototyp des klugen Nachahmers in den Vite wird zweifellos durch Raffael verkörpert, denn ihm sei es dank seiner »imitazione d’altrui« gelungen, aus vielen Stilen einen einzigen zu bilden, der dann als sein eigener galt. Dem Vorbild Michelangelo sei er nur so weit gefolgt, wie es seinem Talent entsprach. Daß Mino sich auf den Stil seines Lehrers versteift haben soll, wirkt dagegen wie ein Akt der Irrationalität. Ungeachtet einer Begabung, die ihm erlaubt hätte, alle seine Vorhaben künstlerisch umzusetzen, hätte er aufgrund einer gewissen Faszination, die Desiderios Werke auf ihn ausübten, und als Folge eines mangelhaften Urteilsvermögens beharrlich an dessem Stil festgehalten. Vor allem hätte er es abgelehnt, sich dem Studium der Natur zu widmen, was in Vasaris Augen eine wichtige Voraussetzung darstellt, um künstlerische Perfektion zu erlangen. Die Frage nach dem Verhältnis und dem Rang von Naturnachahmung und der Nachahmung von Kunstwerken hatte schon Benedetto Varchi 1547 in seiner Lezzione nella quale si disputa della maggioranza delli arti diskutiert: »Man fragt sich, wem ein guter Künstler mehr verpflichtet sei: der Natur oder der Kunst. Es scheint, daß Horaz diese Frage in seiner Poetik kurz und knapp gelöst hat, und zwar in dem Sinne, daß die eine ohne die andere nicht hervorragend sein kann und der ausgezeichnete Künstler deshalb auch beider bedarf.«8 Die Rolle der Natur als Lehrmeisterin und Vorbild ist bei Vasari untrennbar mit seinem Konzept des disegno und dem Prinzip der electio verbunden. Indem der Künstler aus der Natur die schönsten Dinge auswählt, übertrifft er die Natur und kreiert vollkommene Schönheit. Gerade die Vertreter der terza età in Vasaris Vite zeichnen sich im Gegensatz zu jenen der vorangegangenen Epochen durch


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