Das Leben des Antonio Filarete, Benozzo Gozzoli, Vittore Carpaccio und weiterer Künstler. Giorgio Vasari

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Das Leben des Antonio Filarete, Benozzo Gozzoli, Vittore Carpaccio und weiterer Künstler - Giorgio Vasari


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GEMALT.

      IHR HIMMLISCHEN, LASST NUN LEBENDIGE LAUTE AUS [IHREN] MÜNDERN FLIESSEN.17

      Im ganzen Werk sind zahllose nach dem Leben gemalte Porträts verteilt, weil man aber nicht über alle Nachricht hat, werde ich nur jene nennen, die ich darin als bedeutende Persönlichkeiten wiedererkannt habe oder an die ich mich in irgendeiner Form erinnere. So sind in der Szene, in der die Königin von Saba zu Salomon geht, unter mehreren Prälaten Marsilio Ficino, der hochgelehrte Grieche Argyropulos18 und Battista Platina wiedergegeben, den er zuvor schon in Rom porträtiert hatte,19 dazu er selbst in Gestalt eines schon betagten kahlen Mannes zu Pferd, mit schwarzem Barett und einem weißen Papier in der Krempe, vielleicht ein Zeichen, oder weil er darauf seinen Namen schreiben wollte.20

      In derselben Stadt Pisa malte er für die Nonnen von San Benedetto a Ripa d’Arno alle Episoden aus dem Leben jenes Heiligen21 und in der Bruderschaft der Florentiner, die ihren Sitz damals an der Stelle hatte, an der heute das Kloster San Vito steht, auch das Tafelbild und viele andere Malereien.22 Im Dom malte er hinter dem Stuhl des Erzbischofs auf eine kleine, in Tempera ausgeführte Tafel den Heiligen Thomas von Aquin und eine unendliche Zahl von Gelehrten, die über seine Werke disputieren, darunter die Porträts von Papst Sixtus IV. und einer Reihe von Kardinälen und vieler Oberhäupter und Generäle verschiedener Orden; und dies ist das am meisten vollendete und beste Werk, das Benozzo je geschaffen hat.23 Im Sitz der Dominikanermönche Santa Caterina in derselben Stadt schuf er zwei Tafeln in Tempera, die an ihrem Stil bestens zu erkennen sind;24 eine weitere schuf er in der Kirche San Nicola25 und noch zwei andere in Santa Croce außerhalb von Pisa.26 Auch gestaltete er noch als junger Mann in der Pieve von San Gimignano gegenüber der Hauptkapelle den Altar vom Heiligen Sebastian im Zentrum der Kirche.27 Und im Ratssaal gibt es ein paar Figuren, die teilweise von seiner Hand stammen, teilweise aufgrund ihres Alters von ihm restauriert worden sind.28 Für die Mönche des Konvents von Monte Oliveto auf demselben Territorium schuf er ein Kruzifix und weitere Malereien;29 das beste Werk aber, das er an jenem Ort schuf, waren in Sant’Agostino in der Hauptkapelle einige Fresken des Heiligen Augustinus, will heißen von der Bekehrung bis zum Tod,30 ein Werk, das sich, von seiner Hand gezeichnet, vollständig in unserem libro befindet, zusammen mit vielen Blättern der obengenannten Szenen aus dem Camposanto in Pisa.31 Auch in Volterra schuf er einige Werke, die aber nicht weiter erwähnenswert sind.32

      Weil es zu der Zeit, als Benozzo in Rom tätig war, dort einen anderen Maler namens Melozzo gab, der aus Forlì stammte,33 haben viele, als sie den Namen Melozzo geschrieben fanden und die Zeiten miteinander verglichen, geglaubt, Melozzo müsse Benozzo meinen. Darin irren sie sich aber, weil besagter Maler zur selben Zeit lebte und sich intensiv mit der künstlerischen Materie beschäftigte, wobei er besondere Hingabe und Sorgfalt auf die Wiedergabe von Verkürzungen verwendete, wie man es in der Apsishalbkuppel über dem Hauptaltar von Santi Apostoli in Rom sehen kann, wo zur Verzierung des Werks in einem perspektivisch verkürzten Fries einige Figuren beim Traubenernten und ein Faß gezeigt sind, die viel Gutes haben.34 Noch deutlicher sieht man dies allerdings in der Himmelfahrt Jesu Christi inmitten eines Reigens von Engeln, die ihn in den Himmel geleiten, wo die Christusfigur so gut verkürzt ist, daß sie die Wölbung zu durchstoßen scheint, und gleiches gilt für die Engel, die mit vielfältigen Bewegungen durch jenen Luftraum kreisen. Auch die Apostel unten auf der Erde sind in unterschiedlichen Haltungen derart gut verkürzt, daß es ihm damals wie heute viel Lob von den Künstlern eingebracht hat, die aus seinen Bemühungen viel lernen konnten. Auch war er ein großartiger Perspektivenmaler, wie es die gemalten Gebäude in diesem Werk zeigen, das ihm Kardinal Riario, der Neffe von Papst Sixtus IV., in Auftrag gegeben hat und ihn dafür reich belohnte.35

      Um aber zu Benozzo zurückzukehren, fand dieser geschwächt durch die Jahre und Mühen im Alter von achtundsiebzig Jahren schließlich seine wahre Ruhestätte in der Stadt Pisa, wo er in einem Häuschen wohnte, das er sich dort während seines langen Aufenthaltes in der [Via] Carraia di San Francesco gekauft hatte, ein Haus, das er dann sterbend seiner Tochter hinterließ.36 Und von der ganzen Stadt betrauert, wurde er im Camposanto ehrenvoll beigesetzt, mit folgendem Epitaph, das man dort noch lesen kann:

      DIESE GRABSTÄTTE IST DIE DES BENOZZO VON FLORENZ, DER DIESE GESCHICHTEN HIER IN DER NÄHE GEMALT HAT. DIE FREUNDLICHKEIT DER PISANER HAT SIE IHM GESTIFTET. 1478.37

      Benozzo hat als wahrer Christenmensch immer höchst sittsam gelebt und sein ganzes Leben mit ehrenvoller Arbeit verbracht. Dafür und für seinen guten Stil und seine Qualitäten war er in jener Stadt über einen langen Zeitraum wohlangesehen. Als seine Schüler hinterließ er den Florentiner Zanobi Machiavelli und andere, die nicht weiter erwähnenswert sind.38

      Ende der Lebensbeschreibung des Florentiner Malers Benozzo.39

      Einleitung zum Leben des Francesco di Giorgio und des Lorenzo di Pietro, genannt Vecchietta

      Vasaris mangelndes Interesse an der mit Florenz seit jeher rivalisierenden Stadt Siena, die zwischen der ersten und zweiten Edition der Vite ihre politische Eigenständigkeit an Florenz verlor, wird in der Doppelvita von Francesco di Giorgio und Lorenzo di Pietro (genannt Vecchietta) in den knappen Ausführungen, den vielen Auslassungen und den teilweise fehlerhaften Zuschreibungen offensichtlich. Positive Bemerkungen über die südtoskanische Stadt, die man in der ersten Vitenausgabe von 1550 noch finden konnte, wurden getilgt, etwa daß dort viele hochgelobte Künstler miteinander konkurrieren würden. Dieser die Künste fördernde Status galt 1568 nur noch für Florenz und Rom.

      Schon in der ersten Edition hatte Vasari Francesco di Giorgio und Vecchietta je nur eine kurze Abhandlung gewidmet. In der 1568er Ausgabe fügte er sie zusammen, wobei er Francescos Teil wichtige neue Informationen und den Titelholzschnitt mit seinem Bildnis hinzufügte, die Ausführungen zu Vecchiettas Werken aber nahezu unverändert beließ. Während die beiden Künstler in der ersten Edition also separat und durch etliche andere Künstlerviten chronologisch voneinander getrennt aufgeführt worden waren, entsteht nun der Eindruck, Vecchietta sei jünger als Francesco di Giorgio gewesen. Dieser war jedoch fast dreißig Jahre früher als Francesco in Siena geboren und hatte bereits eine Generation vor diesem bedeutende Aufträge in der Stadt erhalten. Vasari, der beider Leben 1480/82 beendet sah, kannte schlichtweg die richtige Reihenfolge nicht.

      Ein häufig vermutetes Lehrer-Schüler-Verhältnis der beiden vielseitigen Künstler ist nicht direkt nachweisbar, doch mögen Francesco und sein Kompagnon Neroccio di Bartolomeo de’ Landi Verrocchios Werkstatt mit eigenen Rechten angehört haben. Dokumentiert ist lediglich eine Zusammenarbeit im Jahr 1460, als sie von der Dombauhütte in Siena gemeinsam für handwerkliche Tätigkeiten bezahlt wurden.

      Vasari strich beim Zusammenfügen ihrer Biographien die jeweiligen moralisierenden Eingangspassagen der ersten Edition und stellt beide Künstler als herausragende Bildhauer vor. Ihre Werke in der Malerei ignoriert er nahezu gänzlich, obwohl Vecchietta seine Skulpturen gerne mit seinem Namen und dem Zusatz »Maler« und umgekehrt seine Gemälde mit Namen und »Bildhauer« signierte. Für Vecchietta wiederum erwähnt Vasari keinerlei architektonische Tätigkeiten.

      Francesco di Giorgio wird schon im Titel als Bildhauer und Architekt bezeichnet, was für seine Rezeption in den folgenden Jahrhunderten einflußreich blieb. Zuvor hatte zwar Raffaels Vater, Giovanni Santi, 1490 Francesco di Giorgio in einer Reimchronik in allen Bereichen seines Schaffens gewürdigt – nämlich als Architekt, Bronzebildner und Maler. Erst im 18. Jahrhundert warf Guglielmo Della Valle jedoch einen kritischen Blick auf Vasaris Vita und fügte ihr einige Gemälde hinzu.

      Tatsache ist, daß in der zweiten Hälfte von Francesco di Giorgios Arbeitsleben die Aufträge als Baumeister überwogen und er als Berater in architektonischen Fragen von Mailand bis Neapel gefragt war. Auch wenn Vasari davon nicht im einzelnen berichtet, lobt er Francescos Fähigkeiten in der Ingenieurskunst und Architektur über alle Maßen. Er schrieb ihm die Alleinverantwortung für den Ausbau des Fürstenpalasts in Urbino zu, ebenso für die


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