Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch). William Shakespeare

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Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch) - William Shakespeare


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Schlich Saturnin heran, wie einst Tarquin,

       Als er vom Heer sich zu Lukretien stahl?

      Marcus.

       Setz dich, Lavinia; – Bruder, setz dich her.

       Apollo, Pallas, Jupiter, Merkur,

       Erleuchtet mich, den Täter zu erspähn! –

       Bruder, sieh her – geliebte Nichte, sieh:

      (Er schreibt seinen Namen mit seinem Stabe, den er mit dem Munde und den Füßen führt.)

      Hier auf dem ebnen Sande, wenn du kannst,

       Schreib du, wie ich jetzt meinen Namen zog,

       Ganz ohne Hilf und Beistand unsrer Hände.

       Verfluchtes Herz, das zu dem Spiel uns zwingt!

       Schreib, süßes Kind! und zieh ans Licht zuletzt,

       Was unsrer Rach entdecken will der Himmel:

       Lenk ihre Feder, Gott! ihr Leid zu schreiben,

       Tu uns den Frevler und die Wahrheit kund! –

      (Sie nimmt den Stab in den Mund, führt ihn mit den verstümmelten Armen und schreibt.)

      Titus.

       O Bruder! Lies, was sie geschrieben hat!

       Stuprum – Chiron – Demetrius.

      Marcus.

       Was? Tamoras verbuhltes Knabenpaar

       Vollbringer dieser blutgen, schwarzen Tat?

      Titus.

       – Magni dominator poli, Tam lentus audis scelera? tam lentus vides?

      Marcus.

       O, ruhig, teurer Bruder; schrieb sie gleich

       Mehr als zuviel auf diesen Boden hin,

       Die Sanftmut selbst zum Aufruhr zu empören

       Und Kinder aufzustürmen zum Entschluß. –

       Knie mit mir nieder, Bruder, Nichte, knie,

       Und Knab, auch du, des römschen Hektors Trost:

       Schwört mir (wie dem unselgen Gatten einst

       Und Vater der entehrten keuschen Frau

       Held Brutus bei Lukretiens Leiche schwur) –

       Ausüben wollen wir nach bestem Rat

       Tödliche Rach an jenen tückschen Goten,

       Sie morden, oder sterben in der Schmach.

      Titus.

       Recht schön von dir, wenn du nur wüßtest, wie?

       Doch triffst du nur die Jungen, dann gib acht,

       Du weckst die Alte; wittert sie den Streich,

       Ei, mit dem Löwen ist sie eng im Bund

       Und wiegt ihn ein, auf ihrem Rücken spielend,

       Und schläft er erst, darin tut sie, was sie will.

       Du bist zur Jagd noch jung, drum laß es gut sein.

       Wart nur! ein Täflein hol ich her von Erz

       Und grabe drauf mit scharfem Stahl die Namen,

       Und berg es: sonst verweht der tücksche Nord

       Wie der Sibylle Blätter diesen Sand,

       Und dann, wie ständs um unsre Lektion?

       Was sagst du, Knabe?

      Knabe.

       Ich sage, teurer Herr, wär ich ein Mann,

       Nicht ihrer Mutter Schlafgemach beschützte

       Dies Knechtsgezücht, das römsche Ketten trug.

      Marcus.

       Recht, wackrer Knab! Oft tat dein Vater schon

       Das gleiche für sein undankbares Volk.

      Knabe.

       Und leb ich, Oheim, tu ich so wie er.

      Titus.

       Komm, geh mit mir in meinen Waffensaal.

       Lucius wird ausgestattet; und mein Knabe

       Soll gleich von mir den Söhnen Tamoras

       Geschenke bringen, die ich senden will.

       Komm, du bestellst die Botschaft; willst du nicht?

      Knabe.

       Großvater ja; mein Dolch für ihre Brust!

      Titus.

       Nein, Kind, nicht so; ich lehr dich andern Weg.

       Lavinia, komm; Marcus, geh in mein Haus.

       Lucius und ich, wir setzens durch bei Hof,

       Ja traun, das tun wir, und wir finden Gunst.

      (Sie gehn bis auf Marcus)

      Marcus.

       Götter! Könnt ihr den Guten weinen sehn

       Und lenkt nicht ein und hegt kein Mitgefühl?

       Marcus, verlaß ihn nicht in diesem Wahnwitz;

       Mehr Narben trägt sein gramverwundet Herz,

       Als Feindesscharten sein zerstoßner Schild;

       Und doch so treu, daß er nicht Rache sucht;

       Rächt Götter denn den Greis Andronicus! (Ab.)

      ZWEITE SZENE

       Inhaltsverzeichnis

       Ein Zimmer im kaiserlichen Palast

      Von der einen Seite treten auf Aaron, Chiron und Demetrius; von der andern der junge Lucius und ein Diener, der ein Bündel Waffen trägt, um welches Verse geschrieben stehn

      Chiron.

       Demetrius, hier ist des Lucius Sohn,

       Der eine Botschaft uns bestellen soll.

      Aaron.

       'ne tolle Botschaft wohl vom tollen Alten!

      Knabe.

       Ihr Herrn, mit aller schulden Demut meld ich

       Titus Andronicus' ergebnen Gruß;

       (Beiseite.) Und fleh die Götter Roms, euch zu verderben.

      Demetrius.

       Hab Dank, mein artges Kind! Was Neues gibts?

      Knabe (beiseite).

       Daß wir euch beid entlarvt, das Neue gibts,

       Als räuberische Schurken. – (Laut.) Edle Herrn,

       Mit Vorbedacht schickt mein Großvater euch

       Die schönsten Klingen seines Waffensaals

       Als eurer würdgen Jugend Lust und Schmuck,

       Der Hoffnung Roms: denn also sagt' ers mir,

       Und so bestell ichs jetzt, und liefr' euch ab

       Sein Gastgeschenk: daß, wenn ihrs einst bedürft,

       Ihr stattlich seid gerüstet und bewahrt. –

       Und somit laß ich euch (beiseite) als blutge Schurken. (Ab.)

      Demetrius.

       Nun, was ist dies? Ein Blatt rundum beschrieben?

       Laßt sehn:

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