150. Die fälsche Braut. Barbara Cartland
Читать онлайн книгу.stattgefunden, in dem der Premierminister ihm erklärt hatte, man werde ihm das Amt des Außenministers antragen, sobald Lord Palmerston von seinem Posten zurückgetreten sei.
Sir Rupert Wroth war überwältigt gewesen von dieser Nachricht.
Schon seit Jahren arbeitete er auf dieses Ziel hin, aber nicht einmal im Traum hatte er eine so rasche Verwirklichung seiner hochfliegenden Pläne für möglich gehalten. Nicht einmal nach den phänomenalen politischen Erfolgen, auf die er trotz seiner Jugend zweifellos zurückblicken konnte.
Von dem Augenblick an, da er Mitglied des Parlaments geworden war, hatte er im Licht des öffentlichen Interesses gestanden - zunächst als Hinterbänkler und später als Unterstaatssekretär.
Er war siebenundzwanzig gewesen, als man ihn mit dem Auftrag in die Kolonien schickte, dort die Regierung Ihrer Majestät zu vertreten.
Der Außenminister war über Nacht erkrankt, und außer Sir Rupert Wroth hatte es niemanden gegeben, der dessen Platz hätte einnehmen können.
Eine einmalige Chance für den jungen Politiker, seine Fähigkeiten demonstrativ unter Beweis zu stellen.
Und Sir Rupert hatte diese Chance genutzt, hatte das Vertrauen, das seine Freunde in ihn setzten, voll und ganz gerechtfertigt.
Die Reise war ein triumphaler Erfolg gewesen - so triumphal, daß Ihre Majestät ihn nach seiner Rückkehr in den Ritterstand erhoben hatte.
Von da an galt er als der vielversprechendste junge Politiker im Unterhaus.
Das diplomatische Geschick, das er bei seiner Mission bewiesen hatte, wurde nicht vergessen! Im Gegenteil, der Premierminister betraute ihn immer wieder mit schwierigen Sonderaufträgen, die Sir Rupert alle mit Bravour ausführte.
Und dann - das Jahr 1850 hatte sich gerade mit den gewohnten internationalen Zwischenfällen, einer Kriegsdrohung und Dutzenden von diplomatischen Krisen eingeführt - schickte Lord John Russell nach ihm und setzte ihn von einem entscheidenden Plan in Kenntnis: Er sei entschlossen, eröffnete der Premierminister dem fassungslos lauschenden Unterstaatssekretär, Lord Palmerston seines Amtes zu entheben. Die Königin, die schon seit längerer Zeit nicht gut auf den Außenminister zu sprechen sei und seine Amtsführung wiederholt kritisiert habe, müsse endlich zufriedengestellt werden.
»Ich habe Lord Palmerston des Öfteren deutlich gemacht, daß ich das Mißbehagen der Königin an seinem Verhalten teile«, sagte der Premier. »Aber der Mann stört sich nicht daran.«
Er fuhr fort, von den Schwierigkeiten in der Außenpolitik zu sprechen, von der angespannten Lage in Europa, der heiklen Position, in der die britische Regierung sich befand.
Sir Rupert hörte aufmerksam zu. Seine Hoffnung wuchs, er glaubte das angestrebte Ziel in greifbarer Nähe.
Doch seine Hoffnung, Lord Palmerston würde zurücktreten, sollte einen schweren Rückschlag erleiden.
Die geplante Absetzung Lord Palmerstons schlug fehl. Schuld daran waren einmal die verschärften Angriffe der Opposition gegen die Außenpolitik der Regierung und zum anderen die Rechtfertigung derselben durch den Angegriffenen selbst. Lord Palmerston verteidigte seine Politik nämlich derart überzeugend, daß er großes Lob in der Öffentlichkeit erntete. Seine Popularität nahm zu, das Echo auf seine Reden im Parlament war so positiv, daß an seiner Stellung nicht mehr zu rütteln war.
Sir Rupert mußte sich also auf eine längere Wartezeit einrichten, was er auch mit der ihm eigenen Geduld und Gelassenheit tat.
Er wartete - und versuchte sich die Wartezeit damit zu verkürzen, daß er sich mit den Damen amüsierte - oder genauer gesagt, daß er ihnen gestattete, sich mit ihm zu amüsieren.
Seine Liebesabenteuer waren seit langem zum Tagesgespräch in London und zum Gegenstand mannigfacher Spekulationen geworden. Sich ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt mit Lady Clementine Talmadge abzugeben, war - wie sich jetzt herausstellte - ein verhängnisvoller Fehler gewesen.
Lady Clementine war eine bekannte Schönheit und stand als solche im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Außerdem besaß sie den Ruf, kein Blatt vor den Mund zu nehmen, was ihr die Mißbilligung der puritanischen und leicht zu schockierenden jungen Königin eintrug.
Lady Clementine hatte den Sommer auf dem Land verbracht, und Sir Rupert war es schleierhaft, wie das, was im ländlich-abgelegenen Norden zwischen ihr und ihm geschah, so rasch nach London oder Windsor gelangen konnte. Offensichtlich hatte er - vielleicht zum ersten Mal im Leben - sowohl seine Feinde als auch seine Freunde unterschätzt ...
Während er nun Richtung St. James's Street ging, spürte er, daß sein Zorn langsam verebbte und nüchternen Überlegungen Platz machte. Er war sich bewußt, daß die Äußerung der Königin sich längst bei sämtlichen auf dem Empfang anwesenden Gästen herumgesprochen hatte.
Eine Tatsache, die einen Rattenschwanz von Mutmaßungen, Spekulationen und Gerüchten nach sich ziehen mußte. Man würde über eine heimliche Verlobung oder gar Heirat tuscheln. Das Rätselraten um die Auserwählte begann, das Forschen nach den Gründen für die vermeintliche Heimlichtuerei. Je weniger die Leute wußten, um so mehr würde ihre Phantasie ins Kraut schießen und sich von dem entfernen, was die Königin ihm klar und unmißverständlich zu verstehen gegeben hatte.
Ihre Majestät wünschte, daß er auf der Stelle Ordnung in sein Privatleben brachte. Andernfalls war der Traum, als Nachfolger Lord Palmerston das Amt des Außenministers zu übernehmen, ausgeträumt. Er war also gezwungen, seine Affäre mit Lady Clementine zu vergessen - und bereits bei seinem nächsten Besuch bei Hof in Begleitung einer Braut zu erscheinen, die von der Gesellschaft akzeptiert wurde, die würdig war, die Gemahlin des zukünftigen Außenministers Ihrer Majestät zu werden.
Die Unverschämtheit eines solchen Ansinnens nahm ihm regelrecht den Atem. Und doch konnte er nicht umhin, tief in seinem Inneren die selbstverständliche Direktheit zu bewundern, mit der die Königin stets auf ihr Ziel zusteuerte. Tatsächlich gab es selten irgendwelche Zweifel über das, was ihre Majestät von den Leuten erwartete, die sie auf eine so lapidare und unverblümte Art und Weise ansprach.
Oft genug war er in schallendes Lachen ausgebrochen, wenn er davon hörte, daß sie wieder einmal mit wenigen Worten und nur mit der Kraft ihres Willens einen ihrer Gegner in die Schranken verwiesen oder seine Pläne durchkreuzt hatte. Jetzt allerdings, da er selbst das Objekt des königlichen Durchsetzungsvermögens geworden war, fand er das Ganze keineswegs mehr ergötzlich.
Sir Rupert verhielt den Schritt. Er schaute auf, um festzustellen, wo er sich befand. Er stand vor dem Eingang von White's und hatte bereits den Fuß auf die erste Stufe der Treppe gesetzt, als gedämpftes Gelächter an sein Ohr drang. Er hatte keine Ahnung, worüber die Clubmitglieder sich amüsierten, vermochte jedoch nicht auszuschließen, daß er selbst der Anlaß zu ihrer wiehernden Heiterkeit war.
Hastig zog er seine Uhr aus der Tasche. Es war kurz vor zehn. Zu früh, um schon zu Bett zu gehen.
Ganz plötzlich wußte er, was er zu tun hatte. Er mußte zu Clementine und sie von dem Vorgefallenen unterrichten. Unausdenkbar, wenn sie von jemand anderem über seine Begegnung mit der Königin erfuhr!
Die Talmadges weilten im Augenblick auf dem Land, wo sie sich bereits den ganzen Sommer über aufhielten. Ungeduldig wandte Sir Rupert der Eingangstür des Clubs den Rücken. Er hatte London satt, und würde ebenfalls aufs Land fahren. Mit schnellen Schritten überquerte er den Piccadilly und ging zum Berkeley Square hinunter. Unterwegs wurde er mehrmals von Bettlern angesprochen; und Frauen, die dem ältesten Gewerbe der Welt nachgingen, versuchten seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Aber er hörte und sah nichts. In seinem Hirn arbeitete es. Mit dem glasklaren, präzis arbeitenden Intellekt, den alle kannten, die mit ihm im Unterhaus zu tun hatten, entwarf er seine Pläne.
Es stand für ihn fest, daß er vorsichtig sein mußte nach dem, was an diesem Abend im Palast geschehen war. Wenn er bei der Kontaktaufnahme mit Clementine auch nur den kleinsten Fehler machte, spielte er denen in die Hände, die mit einem solchen Schritt rechneten und nichts Eiligeres zu tun haben würden, als es der Königin zu melden.
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