150. Die fälsche Braut. Barbara Cartland

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150. Die fälsche Braut - Barbara Cartland


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bis zum letzten Augenblick gewartet zu haben, und ihre Zofe war scheinbar nicht mehr zum Aufräumen gekommen, da dringendere Aufgaben auf sie warteten.

      Eigentlich paßten Unordnung und Unpünktlichkeit nicht zu Elisabeth. Isabel runzelte die Stirn, hob ein Samtband vom Boden auf und wickelte es um den Finger, um es zu glätten. Dabei fiel ihr Blick in den Spiegel über dem Ankleidetisch. Isabel verzog das Gesicht und streckte ihrem Spiegelbild die Zunge heraus. Sie hatte nicht die geringste Vorstellung davon gehabt, wie verschmutzt sie wirklich war.

      In der Eisenbahn hatte sie sich nur den billigsten Platz in einem offenen Wagen leisten können. Der Rauch, der aus dem Schornstein der Lokomotive drang, war gräßlich gewesen, und der Wind hatte ihr Haar zerzaust, bis nichts mehr in ihrer Erscheinung an eine achtbare und seriöse Gouvernante erinnerte.

      Isabel nahm den Hut vom Kopf. In schweren Locken fiel ihr Haar auf die Schultern hinab und umrahmte das zarte Gesicht wie mit feurigen roten Flammen. Lange, seidige Wimpern umgaben dunkel die großen grünen Augen. Aber Isabel fand sie keineswegs beeindruckend, auch die edel geschnittene Nase und den vollen, schön geschwungenen Mund schien sie nicht wahrzunehmen. Sie sah nur die Rußspuren auf ihrer weißen Haut, und die Angst ließ ihre Lippen beben, so sehr sie auch versuchte, sich zu beherrschen.

      »Ich lasse mich nicht einschüchtern«, sagte sie laut, ballte die Fäuste und warf den Kopf in den Nacken. »Ich habe keine Angst, vor nichts und vor niemandem! Ich hasse die Männer - alle, ohne Ausnahme. Sie sind gemein und teuflisch. Ja, sie sind Teufel, und wenn ich es in meiner Hand hätte, ich würde sie alle für alles büßen lassen, was sie mir angetan haben.«

      Einen Moment lang stand sie hoch aufgerichtet da und wie zu Stein erstarrt. Ihre Fingernägel gruben sich in das weiche Fleisch ihrer Handflächen. Sie hatte die Augen geschlossen, und ihre Zähne waren fest zusammengebissen. Dann lief sie zu dem Waschständer hinüber und tauchte das Gesicht in das frische kühle Wasser der Waschschüssel.

      Sie brauchte einige Zeit, um sich frisch zu machen und umzukleiden, und als sie schließlich fertig war und sich im Spiegel betrachtete, fühlte sie sich ein wenig ruhiger und zuversichtlicher.

      Das frisch gebügelte Musselinkleid ihrer Kusine paßte wie angegossen und gab ihr etwas von ihrem Selbstvertrauen zurück. Tapfer faßte sie den Entschluß, auf der Stelle nach unten zu gehen und ihrem Onkel vor allen seinen Gästen entgegenzutreten. Vielleicht überwand er so am ehesten den Schock über ihre unvermutete Rückkehr. Wenn er dann später eine Erklärung von ihr verlangte, war der erste Zorn in ihm schon verraucht.

      Zielbewußt und mit festen Schritten ging sie den Korridor entlang, der zum großen Treppenhaus führte. Als sie den Treppenabsatz auf dem ersten Stock erreichte, hörte sie, wie draußen vor dem Portal eine neue Kutsche vorfuhr. Wenige Minuten danach betrat ein Mann die Halle.

      Isabel war am Fuß der Treppe stehen geblieben und hatte seine Ankunft beobachtet. Der Fremde war groß und dunkel, und als er den Zylinder abnahm und Isabel das leicht gewellte, rabenschwarze Haar sah, dachte sie unwillkürlich, daß sie nie zuvor einem so gutaussehenden Mann begegnet war.

      Sie sah, wie er die Halle durchquerte und dem Diener durch den Salon auf die Terrasse folgte, wo - wie sie wußte - ihr Onkel und ihre Tante die Gäste begrüßten. Als er an ihr vorbeiging, wandte er den Kopf und blickte wie beiläufig zu ihr hinüber. Auf seinen Zügen lag der Ausdruck von Zorn, Verachtung und Gleichgültigkeit. Es war nur ein kurzer Blick, den er ihr schenkte, und es lag ein Übermaß an Hochmut in seinem Gesicht, als er die Augen wieder von ihr abwandte.

      Noch einer von diesen Halbgöttern, dachte Isabel, und sie wußte, daß sie diesen Mann haßte wie alle seine Geschlechtsgenossen.

      Sie sind alle gleich! dachte sie, während sie langsam weiterging. Scheinheilige Pharisäer in der Öffentlichkeit und gierige Wölfe, wenn sie einer schutzlosen Frau allein gegenüberstehen.

      Isabel verspürte den fast unwiderstehlichen Wunsch, jemanden zu verletzen, so wie sie selbst immer wieder von den Männern verletzt worden war. Sie fragte sich, wie es wohl sein würde, wenn sich einmal die Gelegenheit böte, einen Mann von seiner Sorte zu quälen, ihn sich zu unterwerfen und zu ihrem Sklaven zu machen.

      Doch dann mußte sie lachen. Es war ein humorloses, verzweifeltes Lachen. Ein Mann war immer der Herr und Gebieter. Welche Chance hätte eine Frau schon gegenüber der angeborenen Überlegenheit und der natürlichen Vormachtstellung des sogenannten starken Geschlechts.

      Ein Gefühl der Hilflosigkeit erfaßte Isabel, und sie wußte, daß sie es jetzt wohl doch nicht fertigbringen würde, vor Onkel und Tante hinzutreten. Die beiden würden glauben, einen neuen Gast zu begrüßen, würden ihr unwillkürlich die Rechte entgegenstrecken und dann erst erkennen, wer da vor ihnen stand.

      Rasch durchquerte sie die Halle und öffnete die Tür des Morgenzimmers. Von diesem Raum aus gelangte man in einen Wintergarten, an dessen anderem Ende eine Tür in den Garten führte.

      Niemand beachtete Isabel, als sie nach draußen schlüpfte, und durch den Blumengarten zu der Rhododendronhecke lief, die den Rasen begrenzte.

      Ungesehen von den Gästen umrundete Isabel das Haus in weitem Bogen, und als sie sich schließlich umdrehte und zurückschaute, sah sie die rote Ziegelsteinfassade von Rowanfield Manor, die einen idealen Hintergrund für Lord und Lady Cardons Gäste bildete. In ihren weiten gebauschten Röcken sahen die Damen, die anmutig zwischen den Rosenbeeten einher spazierten, selbst wie große, auf dem Kopf stehende Blumen aus.

      Auf der einen Hälfte des Rasens stand ein offenes Zelt, in dem die Kapelle ihren Platz hatte und die Erfrischungen angeboten wurden. Auf der anderen Hälfte war bereits ein Croquetspiel um Gange.

      Isabel blieb einen Augenblick lang stehen und genoß das bunte Bild, das sich ihr bot. Dann huschte sie weiter. Ihr Ziel war ein kleines Gebäude, das direkt vor ihr lag: ein Sommerhaus, erbaut von Lord Cardons Vater, der sich - allerdings ohne jede Berechtigung - für einen großen Architekten gehalten hatte. Er war achtzehn gewesen, als er es entworfen hatte und entsprechend unausgegoren und bombastisch bot sich das Resultat dar. Eine Mischung aus japanischer Pagode und griechischem Tempel, hatte es jedoch viel von seiner ursprünglichen Häßlichkeit verloren, nachdem es mit der Zeit völlig von Geißblatt und wildem Wein überwuchert worden war.

      Doch wie auch immer es aussehen mochte, für Isabel und Elisabeth war das Sommerhaus eine Quelle unendlicher Freuden gewesen, denn unter dem niedrigen Dach hatten sie einen winzigen Speicherraum entdeckt. Er war gerade hoch genug, daß die beiden Mädchen aufrecht darin sitzen konnten. Ein herrliches Versteck für sie, dessen Zugang keinem anderen bekannt war.

      Hierhin hatten sie sich zurückgezogen, wenn sie vor den Erwachsenen ihre Ruhe haben wollten. Hier hatten sie sich ihre kleinen Geheimnisse anvertraut, ihre kostbarsten Schätze aufbewahrt und heimlich die Leckerbissen verspeist, die sie in der Vorratskammer gestohlen hatten oder die ihnen von der gutherzigen Köchin zugesteckt worden waren.

      Isabel brauchte nur wenige Sekunden, um an der Rückseite des Sommerhauses hochzuklettern, die Luke zu dem niedrigen Speicher zu öffnen, hindurch zu kriechen und die Luke hinter sich wieder zu schließen.

      Überrascht stellte sie fest, daß der kleine Raum einen unerwartet sauberen Eindruck machte. Den Puppendeckchen, Büchern und leeren Einmachgläsern mußte jemand in allerjüngster Zeit ein großes Seidenkissen hinzugefügt haben, das Isabel nie zuvor gesehen hatte.

      Doch sie zerbrach sich nicht den Kopf, wie es hierher gekommen sein konnte. Sie legte es unters Fenster und ließ sich darauf nieder.

      Das Fenster war eigentlich kein Fenster, sondern eine Öffnung, die Elisabeth und sie in die Holzwand gesägt hatten. Das wuchernde Geißblatt verdeckte die Freveltat, und nachdem Isabel nun einige der trichterförmigen Blüten beiseite geschoben hatte, bot sich ihr ein umfassender Blick auf den ganzen Garten.

      Ein Stück entfernt sah sie ihren Onkel und ihre Tante auf der Terrasse stehen. Immer noch erschienen neue Gäste, begrüßten die Gastgeber und schritten darin die breite graue Steintreppe hinunter, um sich zu den anderen auf dem Rasen zu gesellen.

      Am Rande des Spielfeldes stand Elisabeth in ihrem neuen


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