150. Die fälsche Braut. Barbara Cartland
Читать онлайн книгу.an, die es wagt, dich mir wegzunehmen.«
Sir Rupert hob ihre Finger an die Lippen.
»Ich wußte gar nicht, daß du so für mich empfindest, Clementine. Ich glaubte, ich wäre nur einer der vielen Narren, die sich von dir den Kopf verdrehen ließen.«
»Du hast nichts dergleichen geglaubt«, erwiderte sie. »Ich mache dir eine Szene, und ich weiß, daß du das nicht magst. Aber heute Nachmittag kann ich nicht anders. Einmal muß ich dir sagen, wie es um mich steht und was ich von dir denke.«
»Und ich antworte dir darauf, daß du Unsinn redest«, sagte Sir Rupert. »Ja, du redest Unsinn, und ich werde es dir beweisen. Wirst du dich heute Abend mit mir treffen? An der üblichen Stelle?«
»In der Laube?« fragte Lady Clementine atemlos. »Glaubst du, wir könnten es wagen? Vielleicht spioniert meine Schwiegermutter hinter uns her. Vielleicht hat sie einen der Gärtner beauftragt, uns im Auge zu behalten!«
»Unsinn, niemand kann uns gesehen haben«, erklärte Sir Rupert. »Mag sein, deine Schwiegermutter hat einen Verdacht, aber bestimmt hat sie keine Beweise. Sag einfach, du würdest früh zu Bett gehen, aber zieh einen dunklen Umhang über. Niemand wird dich sehen, wenn du einen Weg wählst, der vom Haus aus nicht einzusehen ist. Ich werde wie üblich auf dich warten.«
»Rupert, du weißt, wie gerne ich kommen würde. Es ist nur, daß ich schreckliche Angst deinetwegen habe - deinetwegen und unseretwegen. Wenn Montagu dahinterkommt, wird es einen Skandal geben. Und das wäre dein Untergang, das weißt gut genau!«
»Ja, das weiß ich«, erwiderte Sir Rupert. »Aber beruhige dich, es wird keinen Skandal geben. Wirst du also kommen?«
»Ja, ich werde kommen!« Lady Clementines Stimme klang voller Wehmut. »Vielleicht ist es das letzte Mal. Wenn du demnächst verheiratet bist, sehe ich dich bestimmt nicht wieder.«
»Clementine, rede nicht ein solch dummes Zeug! Du weißt genau, daß meine Heirat nichts an unserer Beziehung ändern wird. Warum auch? Du hast selbst gesagt, daß dieses Mädchen eine gehorsame und leichtgläubige Ehefrau sein wird!«
»Ja, ich glaube, bei Elisabeth trifft dies zu. Wirst du um ihre Hand anhalten?«
»Natürlich«, erwiderte Sir Rupert. »Habe ich deinen Befehlen nicht immer gehorcht?«
»Ja, so bedingungslos, wie du den Befehlen Ihrer Majestät gehorchst«, sagte Lady Clementine mit einem Unterton von Spott in der Stimme.
»Gut, dann werde ich jetzt also gehen und ein Wort mit meiner zukünftigen Gemahlin sprechen. Wir haben uns lange genug hier aufgehalten, Clementine. Jemand könnte unsere Abwesenheit inzwischen bemerkt haben.«
»Ich werde mich unter die Zuschauer des Krocketspiels mischen. Und du wirst doch ganz bestimmt heute Abend kommen?«
»Kannst du dir auch nur einen Moment lang vorstellen, daß ich bis dahin nicht die Stunden zähle?« erwiderte er.
»Ich frage mich, ob du das wirklich tun wirst«, sagte sie und seufzte schwer. »Ich jedenfalls werde sie zählen, ja. Aber oft denke ich, daß das bei dir ganz anders ist.«
»Du stellst dein Licht unter den Scheffel, meine Liebe. Du weißt gar nicht, welch eine Anziehung du auf mich ausübst«, antwortete Sir Rupert. »Und nun sollten wir uns wirklich trennen. Wie gesagt, man könnte uns vermißt haben.«
»Aber natürlich. Au revoir, bis heute Abend, du niederträchtiger, hinreißender, anbetungswürdiger Geliebter!«
Er blickte in ihre Augen und erkannte darin die Flamme der Leidenschaft. Ihr Geschäft hatte sich verändert. Die Maske der vornehmen Frau von Stand war verschwunden.
An ihre Stelle war der Ausdruck schamlosen Begehrens getreten. Es war ein so wilder, hungriger und unbeherrschter Ausdruck, daß Lady Clementines sonst so schöne Züge förmlich entstellt und häßlich wirkten.
Sir Rupert hielt den Atem an, und die Frau dachte mit einem Gefühl des Triumphes, daß sie sein Verlangen aufs heftigste angestachelte hatte.
»Laß mich nicht zu lange warten«, sagte er herrisch und erhob sich von der Bank, auf der sie gesessen hatten.
Isabel - noch immer auf ihrem Lauschposten - hörte ihre Schritte auf den Holzdielen, dann auf den Stufen, die zum Rasen hinunterführten. Dort trennten sich Lady Clementine und Sir Rupert, ohne sich noch einen Blick zu gönnen. Lady Clementine schritt langsam und anmutig auf die Leute zu, die immer noch dem Krocketspiel zuschauten. Sir Rupert wandte sich nach der anderen Seite und ging zum Partyzelt hinüber.
Isabel blickte ihnen nach. Als die beiden außer Hörweite waren, veränderte sie mit einer heftigen Bewegung ihre Sitzstellung. Sie hatte sich steif gesessen, und in ihren Beinen steckten Tausende von spitzen Nadeln. Dennoch achtete sie kaum darauf, denn sie kochte vor Wut und Empörung. Auf ihren Wangen brannten rote Flecken, und ihre Augen sprühten Funken. . .
Was sie soeben unfreiwillig gehört hatte, war so empörend und gemein, daß es ihr die Schamröte ins Gesicht getrieben hatte.
Das also war Sir Rupert Wroth!
Sie hatte ihren Onkel und ihre Tante oft über ihn, den reichen Eigentümer von Wroth Castle, reden hören. Kein Wunder, daß ältere Leute beim Nennen dieses Namens die Köpfe zusammensteckten und hinter vorgehaltener Hand zu tuscheln begannen! Daß oft genug ein Ton der Mißbilligung in ihren Stimmen lag, wenn sie auch nur den Namen Wroth aussprachen.
»Dieser Schurke«, stieß Isabel zornig hervor, »denkt an eine Ehe mit der lieben, sanften Elisabeth, die tatsächlich so unterwürfig und leichtgläubig ist, wie Lady Clementine das annimmt. Aber wenn ich es verhindern kann, wird nichts aus diesem teuflischen Plan. Ich werde diesem sauberen Pärchen schon einen Riegel vorschieben, das schwöre ich bei allem, was mir heilig ist!«
Isabel war so aufgebracht, daß es sie in dem niedrigen Speicherraum nicht mehr hielt. Sie kroch durch die verborgene Luke und kletterte eilig nach unten.
Die Entrüstung über das Gehörte war so stark in ihr, daß sie ihre eigenen Probleme vergaß und schnurstracks auf die Wiese lief, um Elisabeth zu suchen. Aber ihre Kusine schien nicht mehr draußen zu sein.
Isabel wollte eben ins Haus laufen, als sie hinter sich eine Stimme hörte, in der sich Erstaunen und Mißbilligung mischten.
»Isabel, was tust du denn hier?«
Isabel drehte sich um und stand vor ihrer Tante, die die Lorgnette vor die Augen hob und sie fassungslos anstarrte.
Isabel knickste.
»Ich bin eben erst angekommen, Tante Anne.«
»Angekommen? Und wieso?«
Lady Cardon machte eine Pause, aber noch bevor Isabel antworten konnte, fuhr sie fort: »Nein, nicht nötig, mir irgendetwas zu erklären! Spar dir die Erklärungen für deinen Onkel auf. Ich weiß nicht, was er sagen wird, wenn er von deinem Hiersein erfährt. Aber bevor ich ihm die Neuigkeit mitteile, gehst du auf dein Zimmer, und zwar unverzüglich. Und dort bleibst du, verstanden! Du wagst dich nicht mehr vor die Tür!«
»Aber, Tante Anne.. .« begann Isabel.
»Du hast gehört, was ich gesagt habe, Isabel. Du bleibst auf deinem Zimmer, bis ich dich rufen lasse! Sei so gut, und richte dich danach!«
Isabel wußte, wann sie verloren hatte. Sie knickste und ging wortlos zum Haus. Mehrere Gäste, an denen sie vorbeikam, schauten neugierig zu ihr hin. Isabel war unter dem scharfen Tadel der Tante erbleicht, aber stolz hatte sie den Kopf in den Nacken geworfen und so durchquerte sie die Halle. Sie stieg die Treppen hoch und betrat ihr Zimmer. Krachend warf sie die Tür hinter sich ins Schloß und blieb zitternd vor Zorn mitten im Raum stehen.
Es war immer das gleiche! Was immer auch geschah, sie war im Unrecht! Eine Klärung brauchten diese Menschen nicht! Sie, Isabel, hatte einfach keine eigene Meinung und keinen eigenen Willen zu haben.
»Es ist nicht fair«, sagte sie laut und begann unruhig im Zimmer auf und ab zu gehen.
»Es