Deutsche Geschichte (Band 1-3). Ricarda Huch

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Deutsche Geschichte (Band 1-3) - Ricarda Huch


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das Bild eines bewaffneten Arms, einer bewaffneten Hand deuteten auf den königlichen Rechts- und Friedensschutz und auf die Bestrafung des Gesetzübertreters oder Friedensstörers. Verlieh der König, wie er häufig tat, Markt, Zoll und Münze an Bischöfe oder weltliche Dynasten, so blieb er doch der eigentliche Herr, der Ursprung des Rechtes, und an ihn wandte man sich im Falle der Benachteiligung. Die Nachfolger Ottos des Großen gründeten Märkte an den Plätzen, wo häufiger Aufenthalt ihrer Familie, Klostergründungen und Bischofssitze mehr oder weniger dörfliche Ansiedelungen hervorgerufen hatten; so entstanden Quedlinburg, Nordhausen, Halberstadt und namentlich Magdeburg. Außerdem erhoben sie durch Urkunden Märkte, die schon früher bestanden hatten, zu gesetzlichen, rechtmäßigen. Ein dörfliches Ansehen behielten zwar die Städte, auch die großen, noch lange; dennoch wehte eine andere Luft in der Stadt als auf dem Lande, eine Luft, die frei machte.

      Träger des neuen Geistes, der in das bäuerliche Deutschland eindrang, waren hauptsächlich die Kaufleute, und das Mittel, durch das sie wirkten, war das Geld. Sie waren auf eine andere Art reich als die Herren von Grund und Boden, die sich mit Fleisch und Eiern von ihren Bauern, mit Gewand und Mantel von ihren Lehensherren mußten versehen lassen. Ihr Geld konnte man in die Tasche stecken und damit kaufen, was einem gefiel, Menschen und Dinge, Ansehen und Freiheit. Die altgermanische Anschauung, daß Freiheit und Bürgerrecht an den Besitz von Grund und Boden gebunden sei, wurde durch sie gelockert. Auch der, welcher nichts besaß, auch der Hörige konnte in der Stadt persönlich frei und durch seine Arbeit vielleicht wohlhabend werden. Zwar fühlte sich der Kaufmann, da er frei war, dem Hörigen oder aus der Hörigkeit hervorgegangenen Handwerker ständisch übergeordnet; aber er dachte doch nicht daran, ihn in persönliche Abhängigkeit herabzudrücken, er förderte ihn sogar, indem er die Idee des Stadtbürgertums als einer gleichberechtigten Einheit schuf. Verglichen mit dem Bauer, dem Krieger, dem Geistlichen war der Kaufmann vorurteilsfrei. In den fremden Ländern erlebte er die menschlichen Eigenschaften fremder, auch heidnischer Völker; er nahm zwar seinen Gott und sein Gebet überall mit; aber er hielt sich doch, wenn das gefordert wurde, bescheiden damit zurück und fand sich mit den fremden Göttern ab. Vielleicht liebte er die Heimat inbrünstiger als der, der sie nie verließ; aber er lernte die Vorzüge der Fremden kennen und lernte sich mit ihnen zu verständigen. Obwohl er in den Waffen geübt war, bedurfte er doch noch eines anderen Mutes als der Krieger, der mit dem Schwerte zu entscheiden gewohnt war: in mancher Lage half ihm nur die dreifache Macht des Geldes, des Wortes und der Persönlichkeit. Auch dem Besitz gegenüber, obwohl Geldgewinn sein Geschäft war, war er freier als andere, weil er raschen Wechsel ohne Schuld erfuhr. Er dachte und fühlte in weiteren Grenzen als die meisten seiner Zeitgenossen. Solche Eigenschaften machten den Kaufmann fähig, aus der Stadt einen freien, geordneten Staat zu machen. In gewissem Sinne war er die Stadt: er stand am Steuer, er gab die Richtung, er trug die Verantwortung.

      Wenn die Anziehungskraft, die der hausierende Kaufmann mit seinem bunten Kram und seinen Nachrichten aus nah und fern auf jedermann ausübte, auf die Stadt übertragen wurde, wo er sich ansiedelte, die er bewegter, reizender machte, so dachte doch die Geistlichkeit anders. Es ist begreiflich, daß die Bischöfe denen zürnten, die ihnen ihre Rechte als Stadtherren zu entwinden suchten und meist auch wirklich entwanden, daß der Klerus überhaupt die Neuerer witterte, die ihn aus dem Mittelpunkt der Kultur verdrängen sollten; aber auch ohne den Antrieb der Selbsterhaltung, aus ihrer Weltauffassung heraus war die Kirche dem Kaufmann feind. In kirchlichen und namentlich in mönchischen Kreisen wurde den Kaufleuten nur Böses nachgesagt. Man schalt sie Räuber, Trinker, Meineidige. Thomas von Aquino hat den Handel als erlaubt bezeichnet, wenn der Händler sich damit begnüge, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Wie konnte er das bei der Art des kaufmännischen Geschäftes, das ein bedeutendes Kapital erfordert, bei den Aufgaben, die ihm als der regierenden Schicht in der Stadt gestellt wurden. Die Notwendigkeit, mehr Geld zu verdienen, als er brauchte, reizte den Kaufmann, mehr und immer mehr Geld und Gut aufzuhäufen, bis er schließlich von der Lust am Besitz beherrscht wurde; die Kirche hatte nicht ganz unrecht, wenn sie befürchtete, der Kaufmann möchte nicht nur selbst das Irdische über das Himmlische setzen, sondern durch den Luxus, an den er das Volk gewöhnte, materielle Gesinnung überall verbreiten. Die ungerechte Besitzverteilung, die Kluft zwischen Reichen und Armen, den Wucher und den Luxus hatte der heilige Ambrosius als die Ursachen vom Untergang des Römerreiches bezeichnet; die Kirche behielt das im Sinn und sah mit Unwillen diese Grundschäden von neuem keimen. Sie hielt daran fest, daß das Bauerngewerbe von Gott eingesetzt sei und die hauptsächliche Beschäftigung der Menschen bleiben müsse. Mit weit vorschauendem Blick sah sie Gefahren, die sich viel später auswirkten, Gefahren, die mit dem reicher sich entfaltenden Leben verbunden sind und die man nicht unterdrücken könnte, ohne das Leben selbst in seiner Quelle und Fülle zu verschütten.

      Städte

       Inhaltsverzeichnis

      Als Barbarossa Herzog Heinrich von Sachsen bekämpfte, zog er vor Lübeck und forderte es auf, sich ihm zu unterwerfen. Da die Stadt zu Wasser und zu Lande eingeschlossen und Entsatz nicht zu hoffen war, baten die Bürger den Kaiser, er möge ihnen gestatten, den Herzog, ihren Herrn, zu fragen, was sie tun sollten. Vielleicht in Rücksicht auf das Ansehen ihres Bischofs Heinrich, der ihre Bitte vortrug, vielleicht auch in Rücksicht auf die Bedeutung der Stadt selbst, nahm der Kaiser das treuherzige Ansinnen gnädig auf, wenn er auch nicht unterließ, es als Anmaßung zu bezeichnen. Der Herzog stand dem Kaiser an Billigkeit nicht nach; er erteilte Lübeck die Erlaubnis, zum Kaiser überzugehen. Jubelnd begrüßten die Bürger den Kaiser, als er einzog, und das war nicht Wankelmut des Pöbels, der jede Fahne beklatscht; denn der Kaiser war ja der Herr aller, insbesondere der Herr der Märkte, war der Herr, dessen Herrschaft Freiheit bedeutete. Der König konnte und wollte nicht alle Städte selbst verwalten, es genügte ihm, wenn sie ihm, dem stets Geldbedürftigen, die regelmäßigen Zahlungen leisteten. Selbstverwaltung und eigene Gerichtsbarkeit, das war es, was alle Städte erstrebten; hatten sie es dahin gebracht, die hohe Gerichtsbarkeit, den sogenannten Blutbann, an sich zu bringen, so war die Reichsunmittelbarkeit vollendet, die Stadt war ein sich selbst regierender Staat im Staate geworden. Lag die Stadt nicht von vornherein auf königlichem Grund und Boden, so konnte das Ziel nur allmählich erreicht werden, bald in Kämpfen, bald mit Schmiegen und Beugen. Lübeck ließ sich, als Heinrich der Löwe während der Abwesenheit Barbarossas zurückblieb, seine Herrschaft wieder gefallen und bequemte sich auch unter die Herrschaft König Waldemars II. von Dänemark. Friedrich II. war so sehr in erster Linie König von Italien, daß er der Ausbreitung der dänischen Macht im Norden des Reiches nicht nur nicht entgegentrat, sondern sich damit einverstanden erklärte. Er trat dem dänischen König das allerdings von demselben bereits eroberte Nordalbingien, die Lande jenseits der Elbe und Weser, ab, ausdrücklich betonend, keiner seiner Nachfolger oder der Fürsten des Römischen Reiches dürfe wegen dieser Gebiete, weil sie früher einmal dem Römischen Reiche untertänig gewesen wären, den »viellieben Herrn König Waldemar« beunruhigen. Die Wiedergewinnung dieses so wichtigen Küstenlandes geschah ohne Friedrichs Zutun durch den Grafen Heinrich von Schwerin, dem ein köstlicher Fang glückte: er nahm den Dänenkönig in seinem eigenen Land und Zelt gefangen. Die Schicksalsgunst nützte Friedrich aus, indem er als Bedingung von Waldemars Befreiung Rückgabe Nordalbingiens, ein ungeheueres Lösegeld und den Vasalleneid verlangte; aber erst dem Grafen von Schwerin, dem beherzten kleinen David, gelang es, in den Schlachten bei Mölln und Bornhövede 1225 und 1227 den mächtigen Gegner zu besiegen und das Land wirklich zurückzuerobern, vom Herzog von Sachsen und Grafen von Schaumburg unterstützt. Lübeck, das in der Schlacht bei Bornhövede, der Überlieferung nach unter seinem Bürgermeister Alexander von Soltwedel, tapfer mitkämpfte, hatte schon vorher, sowie es von den Dänen befreit war, Gesandte nach Italien an den Kaiser geschickt, um sich die von Barbarossa verliehenen Privilegien bestätigen zu lassen. Vermutlich beraten von seinem Freunde Hermann von Salza, der die mächtig erblühende Stadt am Baltischen Meer in seine Ostseepläne einbezog, unterzeichnete Friedrich im Jahre 1226 die kostbare Urkunde, die die Grundlage von Lübecks Reichsfreiheit wurde: Concedimus firmiter statuentes ut predicta civitas Lubiciensis libera semper sit – Wir gewähren der Stadt Lübeck, daß sie immer frei sei.

      Grundsätzlich begünstigt hat keiner der Hohenstaufen


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