Deutsche Geschichte (Band 1-3). Ricarda Huch

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Deutsche Geschichte (Band 1-3) - Ricarda Huch


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Wähler waren und die ihm die Mannschaft für seine Feldzüge nach Italien lieferten. Er konnte nicht wohl die Städte in ihren häufigen Kämpfen gegen die Bischöfe, wo sie meist dem Buchstaben nach Rebellen waren, unterstützen. Dazu kam, daß die Kaiser selbst aus dem Fürstenstande stammten und in den Fürsten die Ebenbürtigen sahen. Wenn sie auch einzelne hart bekämpften, so mußten sie doch einer zustimmenden Mehrzahl gewiß sein, und auch der Bekämpfte und Geächtete wurde, sowie er sich unterwarf, wieder in Gnaden aufgenommen als ein Gleicher. Während Heinrich VI. auf dem Wege war, das Kaisertum erblich zu machen, hat Friedrich II. die Unabhängigkeit der Fürsten gesetzlich verstärkt, die der Städte gemindert. In den bischöflichen Städten verbot er den Bürgern, einen Rat zu bilden, und den Handwerkern, sich in Einungen zusammenzuschließen, worauf die städtische Selbständigkeit zum größten Teil beruhte. Die despotisch-zentralistische Richtung, die der Kaiser in Italien verfolgte, ließ er in Deutschland, soweit es da möglich war, gleichsam durch die Fürsten vertreten, was sich denn zwar auch gegen ihn selbst richten mußte; doch war er ein zu guter Staatsmann, um nicht gelegentlich, wenn es nützlich schien, auch die Städte zu fördern. Wölflin, sein großer Landvogt im Elsaß, hat dort gewiß nicht ohne seine Billigung viele Städte, darunter Kolmar und Schlettstadt, gegründet.

      Bis in die Zeit der Hohenstaufen war die Geschichte der Deutschen wesentlich eine Geschichte des Adels. Der König und seine Umgebung, die Fürsten, Grafen und Ritter, die Bischöfe, Äbte, Mönche und Nonnen gehörten dem Adel an. Von den Söhnen und Töchtern des Adels wurde immer ein Teil irgendeinem Benediktinerkloster gelobt, und das Standesbewußtsein hätte nicht gelitten, daß sie in eine andere als ebenbürtige Gesellschaft eingetreten wären. In manchen Klöstern, wie zum Beispiel in Sankt Emmeran, Obermünster und Niedermünster zu Regensburg, gehörten die Äbte und Äbtissinnen dem Reichsfürstenstande an.

      Die Päpste haben wohl verschiedentlich gegen diese Ausschließlichkeit geeifert, und einige Orden, namentlich die Cisterzienser und Franziskaner, nicht deutschen Ursprungs, haben sie durchbrochen und ein demokratisches Element in die Kirche eingeführt. Aber sie führten es nur in die Kirche ein; innerhalb der Weltlichkeit waren es die Städte, durch die in die glanzvolle, schwertklirrende, erhabene Geschichte des deutschen Adels eine neue Kraft eindrang, die Freiheit. Die Adligen waren die Freien, Adel und Freiheit fielen zusammen, sie brauchten die Freiheit nicht zu betonen, so ähnlich, wie Adlige untereinander den Adelstitel weglassen. Das bewußte Erleben der Freiheit, die Freiheit als Befreiung, als Losung, als Ideal brachte die Stadt. Nicht als ob nicht die Menschen in der Stadt auch Deutsche mit lebhaftem Standesgefühl gewesen wären. Niemand dachte an Gleichheit. Die das städtische Leben beherrschenden Familien waren frei, ritterbürtig, vermischten sich nicht mit den Handwerkern, die an der Regierung und Verwaltung der Stadt keinen Anteil hatten. Die städtischen Handelsherren und Gutsbesitzer nahmen an den Turnieren der Ritter teil und gingen mit dem Landadel eheliche Verbindungen ein, waren ebenso hochmütig wie jener, wenn auch, besonders in späterer Zeit, zuweilen der Landadel dem Stadtadel die Ebenbürtigkeit absprach. Trotzdem bildete sich in den Städten allmählich ein neuer Stand, eine neue Kultur, die von der aristokratischen und klerikalen verschieden waren, der Stand und die Kultur des Bürgers. Insofern Gutsbesitzer, Kaufleute, Handwerker, Ackerbauer eine Stadt bewohnten, bildeten sie eine Gemeinschaft, die eine gemeinsame Aufgabe hatte, ihre Arbeit, ein gemeinsames Interesse, die Erhaltung von Frieden und Recht, die ihre Arbeit ermöglichte, einen gemeinsamen Gegensatz gegen die Fürsten und den Adel, die Frieden und Recht so häufig störten. Wie auch der in den Städten herrschende Stand, den man später Patrizier nannte, die Handwerker verachten mochte, Handwerk und Handel erzeugten den Wohlstand der Stadt durch Arbeit. Das Selbstgefühl des Bürgers beruhte nicht so sehr oder nicht allein auf dem Standesbewußtsein und auf dem Schwert, sondern auf der eigenen Kraft in der Arbeit, im Werk. Daß Stadtluft frei mache, konnte man nicht nur sagen, weil der Hörige, der in die Stadt zog, wenn er nach Verlauf eines Jahres von seinem Herrn nicht zurückgefordert war, frei wurde, sondern auch weil der Gedanke hier einen freieren Flug nahm. Im Wesen des Geldes liegt es, frei zu machen; unmittelbar, weil mit Geld den Bischöfen und Fürsten, die Geld gebrauchten und nicht hatten, ihre Rechte abgekauft werden konnten, mittelbar, weil auf der Grundlage des Besitzes Bildung erworben und Vorurteile überwunden werden können, und andererseits, weil durch die Beweglichkeit des Geldes ein rascher Wechsel von Reichtum und Armut möglich wird und dadurch der Unwert von Geld und äußerem Ansehen und der Wert der Persönlichkeit vor Augen geführt wird. Die wohltätige Macht des Geldes, die eigentümlichen Vorzüge der Stadt entfalteten sich am reichsten in den Jahrhunderten, wo die Städte zwar durch Mauern, aber nicht durch ihren Charakter entschieden vom Lande getrennt waren. Noch im 13. und 14., ja noch im 15. Jahrhundert glichen die Städte sehr dem Dorf. Es war nicht so, daß steinerne Häuser und steinernes Pflaster die Erde verdeckten: mitten in der Stadt rauschten die Eichen und dufteten die Linden, die Kühe trabten in ihre Ställe und die Schweine grunzten über die schmutzigen Straßen. Neben wenigen Häusern aus Stein standen strohgedeckte Hütten aus Lehm und Holz. Nicht selten kam es vor, daß Dörfer in die Städte einbezogen wurden, die noch lange dorfähnlich blieben. Draußen vor den Mauern erstreckten sich Gärten und Äcker, deren Besitzer Bürger waren, die sie bebauten. Ebenso wie der Bürger bäuerliche Art behielt, so behielt er auch ritterliche. Die Geschlechter waren beritten, die Handwerker kämpften zu Fuß, jeder hatte Wehr und Waffen und war darin geübt. Die Handwerker bildeten den Kern des städtischen Heeres, das der Bürgermeister anführte; sie waren kriegerisch, ungestüm, ja grausam im Kampf, wie irgendein Ritter. Der Unterschied war der, daß die Bürger, die im allgemeinen friedliebend waren, nur zur Verteidigung ihrer städtischen Freiheit Krieg führten. Die den Fürsten unterworfenen Landstädte bedangen sich, wenn sie unabhängig genug waren, aus, nur so weit Kriegsfolge leisten zu müssen, daß sie abends wieder hinter ihren Mauern sein konnten. Der Bürger wurde zu einem runderen, vielseitigeren Menschen, als die anderen waren; in ihm mündeten die vereinzelten Kulturströmungen, bis schließlich das Ideal des vollendeten, des humanen Menschen entstand, der frei aus den Schranken des Standes, der Nation, der Konfession hervortritt, aber doch gebunden bleibt durch das Gefühl und Bewußtsein der Menschlichkeit.

      Noch immer gab es Klöster im Reiche, die die Wissenschaft pflegten, und solche, die die Wildnis kulturfähig machten, Klöster, in denen die unverheirateten Töchter des Adels sich in die Geheimnisse Gottes versenkten, kunstvolle Stickereien ausführten, fromme Betrachtungen niederschrieben. Andere Klöster erregten durch Ausgelassenheit oder Faulheit Ärgernis, und auch die besten waren nicht mehr die einzigen Sterne, von denen Licht und Wärme ausgingen. Der Wanderer, der im 12. und 13. Jahrhundert durch das Reich pilgerte, fand Schutz und Herberge in den Städten. Zu den alten Römerstädten am Rhein und an der Donau, zu den von den Ottonen gegründeten Städten am Rande des Harzes waren viele neue gekommen. Nachdem die großen Städtegründer, die Zähringer und Heinrich der Löwe, das Beispiel gegeben hatten, als die Fürsten gesehen hatten, welche Vorteile sich aus verkehrsreichen Plätzen ziehen ließen, beeiferten sich alle, in ihrem Gebiet schon bestehende Ansiedelungen zu Städten zu erheben oder neue anzulegen. Die Städte waren sehr klein, manche nicht viel größer als ein einzelnes großes Kloster. Sie hatten etwa 3000 bis 4000 Einwohner, die größten nicht mehr als 15 000 oder 20 000. Manche bestanden aus einem alten Dorf, mit dem ein Markt verbunden wurde, manche aus mehreren Siedelungen, die allmählich durch Mauern zu einem Ganzen verbunden wurden. Die Stadt Braunschweig zum Beispiel bestand aus fünf Städten: der ursprünglich dörflichen Alten Wiek, der Altstadt, dem von Heinrich dem Löwen gegründeten Hagen, der Neustadt und dem Sack. Jede von ihnen hatte ihren Bürgermeister, ihr Rathaus, ihre Kirchen. Den Mittelpunkt aller Städte, wenn auch nicht immer den topographischen, bildete der Markt, ihr Herz, wo die Verkehrsadern ausgingen und mündeten. Dort wurden Lebensmittel und andere Waren zum Verkauf ausgelegt. Er war umrahmt vom Rathaus, von den vornehmsten Gildehäusern und den Häusern der reichen Kaufleute; zuweilen gliederte auch das Rathaus, mehr oder weniger in der Mitte liegend, den Platz. Der Rechtsschutz, der vom König den Kaufleuten, die den Markt besuchen wollten, verliehen wurde, stellte den Markt unter Königsfrieden, machte ihn zu einer Stätte, wo ohne Verzug Recht gesucht und gefunden werden konnte. Der rechtliche Charakter des Marktes wurde durch ein Kreuz bezeichnet, wie sich ein solches noch auf dem Markt in Trier befindet; es ist von einer Granitsäule getragen und zeigt in der Mitte das Gotteslamm. Später symbolisierten den Rechtsgedanken im Norden des Reichs die seltsamen Rolandsfiguren, die, sollten sie auch mit anderer Bedeutung entstanden


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