Dem dunklen Rächer verfallen. Inka Loreen Minden

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Dem dunklen Rächer verfallen - Inka Loreen Minden


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Cole ihn allein mit seinen Gedanken an die heißen Küsse auf sich aufmerksam gemacht. Dessen Gesicht verlor unversehens sämtliche Farbe, und er starrte Cole an, als wäre er ein Toter, der in das Reich der Lebenden zurückgekehrt war.

      Der Lord hatte ihn erkannt. Fuck!

      Die wunderschönen braunen Augen schienen eine Nuance dunkler zu werden, als sich sein Gesicht verdüsterte, und Cole schluckte schwer. Er musste schleunigst hier weg!

      Urplötzlich war es ihm egal, ob er die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sich lenkte. Beinahe rüpelhaft quetschte er sich an der fülligen Frau vorbei, wobei er eine Entschuldigung murmelte, und schlängelte sich so schnell er konnte zwischen den anderen Gästen hindurch. Sein Ziel war die Küche. Dort würde er aus dem Hinterausgang huschen und die Beine in die Hand nehmen. Er konnte jetzt nur noch um sein Leben rennen – ansonsten würde er kämpfen müssen. Der Marquess wirkte ziemlich aufgebracht.

      Fuck!

      Cole war kein Feigling, aber der Adlige war viel größer als er. Und sollte er wirklich der dunkle Rächer sein, dann Gnade ihm Gott! Zwar hatte das der Lord vehement geleugnet, doch Cole wollte nicht darauf vertrauen.

      Zum Glück hatte er das Messer mitgenommen, das er unter seiner Livree verbarg. Während er davoneilte, zog er sich die Handschuhe aus und stopfte sie in eine Tasche seiner Uniform. Nun würde die Klinge besser in seiner Hand liegen. Er wollte sie aber noch nicht herausholen, solange er sich im Haus befand.

      Als er zügig durch die große, geflieste Eingangshalle marschierte, rief ihm ein Mädchen, das von derselben Agentur beschäftigt wurde wie er, zu: »Cole, was ist los?«

      »Muss dringend neue Häppchen holen!«

      »Janett hat gerade wieder welche angerichtet«, sagte sie und verschwand in einem Flur.

      Hektisch warf er einen Blick über die Schulter. Verdammter Mist! Der Lord befand sich direkt hinter ihm. Auch der hatte seine Handschuhe abgelegt, und schon schoss dessen Arm hervor. Cole wurde hinten am Kragen gepackt und durch die nächste Tür gestoßen. Das alles ging so schnell, dass er kaum reagieren konnte.

      Die Tür flog wieder zu, und Dunkelheit umgab ihn. Nur durch die großen Fenster, die zum Garten zeigten, drang schwach das Licht von Fackeln und Feuerkörben. Das gelbliche Schimmern offenbarte deckenhohe Regale voller Bücher. Sie befanden sich in einer riesigen Bibliothek.

      Cole wollte sein Messer ziehen, aber der Marquess gab ihm keine Gelegenheit dazu, denn prompt wurde er mit dem Rücken gegen die Tür gedrückt. Fast schon panisch hob er die Fäuste, um sein Gesicht abzuschirmen, und stieß dabei den Zylinderhut vom Kopf des Adligen. Mit einem dumpfen Laut landete er irgendwo auf dem Boden.

      Cole erwartete den ersten glühenden Schmerz irgendwo an seinem Bauch oder den Rippen. Doch der Lord schlug ihn nicht, sondern packte mit Leichtigkeit seine Handgelenke und pinnte sie über seinem Kopf an die Tür. »Was suchst du hier?«, grollte er. »Spionierst du mir nach?«

      »Sei vorsichtig, die Uniform gehört mir nicht!« Er wollte keinen Kampf, denn wer kümmerte sich um Annie, falls er verletzt wurde?

      Rochfords Nase berührte fast seine, als der zischte: »Bist du mir das letzte Mal nach Hause gefolgt?«

      »Nein«, hauchte Cole, obwohl er tatsächlich mit diesem Gedanken gespielt hatte. Die Nähe zu dem großen Mann machte ihn wehrlos und schwindelig.

      Was war das nur zwischen ihnen? Sein Herz raste, aber nicht nur aus Angst. Denn es fühlte sich auch irgendwie gut an, von dem attraktiven Adeligen bedrängt zu werden – was ihm eigentlich Furcht einjagen sollte, wenn er an seine und Annies Vergangenheit dachte. Er hatte so etwas noch nie empfunden, und das verwirrte ihn.

      »Cole heißt du also, du diebischer Bastard«, knurrte der Lord. »Und wie noch?«

      Cole musste sich beruhigen, einen klaren Kopf bekommen. Aber wie konnte er das, wenn dieser Kerl, der so verteufelt gut nach einem parfümierten Rasierwasser duftete, fast in ihn hineinkroch? Und warum war er bloß so unglaublich sauer?

      Sogar die spürbare Wut seines Gegenübers erregte ihn, obwohl er sich besser gefürchtet hätte. Fast instinktiv entschloss sich Cole zu einem sinnlichen Angriff, schließlich hatte ihm das schon einmal geholfen.

      »Willst du mich diesmal richtig verführen?«, fragte er süffisant, aber seine Stimme zitterte vor Aufregung. Als würde sein Körper ein Eigenleben führen, rieb er seinen Unterleib an den Lenden des Lords. »Hast du mich deshalb hierher gebracht?«

      Blitzschnell ließ der Mann ihn los, wich jedoch kaum zurück, sodass Cole die Hände gegen die breite Brust seines Angreifers drücken konnte. Er wollte ein wenig Abstand zwischen ihnen schaffen, solange er nicht wusste, was hier wirklich gespielt wurde, und säuselte: »Ich werde dir sicher nicht verraten, wer ich bin … Miles.« Nur allerengste Freunde nannten Adlige beim Vornamen oder benutzten den Ortsnamen seines Titels, in dem Fall »Rochford«. Aber Coles Kampfgeist war mit einem Mal erwacht, und er wollte den Kerl provozieren. Mit ihm spielen. Noch einmal von ihm gegen die Tür gedrängt werden. »Oder ist es dir lieber, ich sage Mylord, dunkler Rächer?«

      Ein fast schon animalisches Knurren drang an Coles Ohren, das ihm bis tief in den Bauch fuhr. »Hör auf, mich so zu nennen.«

      »Mylord?«, fragte Cole frech und fluchte innerlich. Er hatte keine Ahnung, warum er sich plötzlich derart leichtsinnig verhielt und den Mann auch noch herausforderte. Cole würde wirklich noch am Galgen baumeln, wenn er nicht sofort damit aufhörte!

      Der Adlige strahlte eine unglaubliche Hitze aus und schwitzte bestimmt unter den zahlreichen Stofflagen. Unter seiner schicken Weste trug er jedoch kein Korsett. Er hatte offenbar von Natur aus eine schmale Taille, einen flachen Bauch und … Coles Finger glitten nicht nur über edle Seide, Musselin und feinstes Leinen, sondern auch über jede Menge harter Muskeln.

      »Beeindruckend für einen Gentleman, der sich überwiegend in Herrenclubs herumtreibt, wie man so hört«, raunte Cole und strich mit der Hand knapp an den Lenden vorbei, um sie auf einen harten Oberschenkel zu drücken. »Oder ist dein lasterhaftes Leben nur die Tarnung für deine nächtlichen Aktivitäten, dunkler Rächer?«

      Der keuchte leise gegen seine Lippen und grollte: »Mit deinen Verführungskünsten kannst du mich nicht mehr ablenken.« Er schlug Coles Arm weg, knöpfte blitzschnell dessen Livree auf und fuhr mit beiden Händen darunter.

      Nun keuchte Cole selbst auf, weil sich die großen, warmen Männerhände, die ihn abtasteten, verdammt gut anfühlten. Doch dann fluchte er, als der Adlige die Klinge hervorzog, die er ihm vor ein paar Tagen gestohlen hatte.

      Diesmal wurde ihm die scharfe Schneide an den Hals gedrückt. »Lord Hastings ist mein Freund. Wolltest du ihn töten?«, knurrte der Marquess.

      »Natürlich nicht!« Cole grub die Finger in den Arm des Mannes, doch der gab keinen Millimeter nach. »Ich wurde von ihm als Dienstjunge eingestellt. Alles hat seine Ordnung!«

      »Und warum trägst du meine Klinge mit dir herum?«

      »Ich wollte sie nicht zu Hause liegen lassen. Leider habe ich keine Bediensteten, die auf meine Sachen aufpassen, solange ich weg bin.«

      Der Lord ließ die Hand sinken, verringerte jedoch weiterhin kein bisschen den Abstand zwischen ihnen. »Wenn hier auch nur eine Gabel fehlt, dann …«

      »Weiß dein Freund, was du nachts so treibst? Oder wen du küsst?«, unterbrach Cole ihn hastig. Falls der Adlige ihn des Diebstahls bezichtigte, würde Cole das nicht nur den Job kosten!

      »Du hast mich zuerst geküsst!«

      »Das war bloß zu meiner Verteidigung, was ja auch wunderbar funktioniert hat. Aber dann hast du mich plötzlich zurückgeküsst! Ich habe gespürt, wie sehr es dich erregt hat.« Cole streckte den Hals und flüsterte dicht an den schönen Lippen des Lords: »Du bist übrigens ein verdammt guter Küsser.«

      Der Mann wich blitzartig ein Stück zurück, so als ob er geschlagen worden wäre, schob die Klinge in einen seiner Stiefel und starrte ihn schweigend an. Was ging in ihm


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