Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte. Auerbach Berthold

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Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte - Auerbach Berthold


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habe um die Tochter Martha’s gefreit, die Mutter aber habe ihn für sich behalten. Bald nachdem die Tochter auf den Kohlenhof, zwei Stunden von Buchenberg, verheirathet war, feierte Martha ihre Hochzeit mit Diethelm. Dieser, obgleich zwölf Jahr jünger, schien überaus glücklich mit seiner rüstigen wohlhäbigen Frau, er ehrte und erfreute sie, wo er es nur immer vermochte und schien sich noch immer fast als Knecht zu betrachten, denn er verfügte über Nichts in Haus und Feld, ohne vorher die Frau darum zu befragen.

      Buchenberg gehört noch zu jenen Dörfern, wo Alles mit einander verwandt ist, weil die grossen Bauern nur unter sich heirathen. Um so glücklicher durfte sich Diethelm schätzen, vom fremden Knechte zum reich angesessenen Hofbauern erhoben zu sein. Er schien das auch zu erkennen. Bald aber erhielt Martha die Kunde, wie er hinter ihrem Rücken über Grosses verfügte und namhafte Summen seinen Verwandten schenkte. In seltsamer und doch so häufig vorkommender Verkehrtheit ging sie Tage ja Wochen lang mit tiefem, immer sich steigerndem Zorn in der Seele umher, und unversehens, bei den geringsten Anlässen, brach sie in Verwünschungen, in Schelten und Weinen aus, dass Alles zu Grunde gerichtet werde. Die Erwartung, dass Diethelm endlich selber seine geheime Schuld bekennen würde, konnte immer schwerer in Erfüllung geben, denn Diethelm sah nun auf Einmal in seiner Frau ein verändertes zänkisches Wesen, sah sich für sein ganzes Leben ans Unglück geschmiedet und freute sich im Stillen doppelt, dass er in der Aufhülfe seiner Familie doch noch eine Freude habe, während ihm sonst nur Leid bevorstand. Er wusste doch jetzt, wofür er das zu erdulden habe. Dem allzeit keifenden Wesen seiner Frau setzte er unverbrüchliches Stillschweigen gegenüber; und als er dies endlich brach, da die Frau ihn im Beisein des Metzgers über den eigenmächtigen Verkauf eines Kälbchens hart anliess, erfuhr er endlich die lange verhaltene Ursache vom Zorn seiner Frau. Jetzt aber war der gerechte Grund ihres Unwillens längst in ihm vernichtet und abgebüsst, und mit schneidendem Spott erklärte er seiner Frau, dass er nicht, wie sie, kein Herz für die ihm angehörige Familie habe.

      So verkehrt es auch war, dass Diethelm seiner Frau ein Verhältniss zum Vorwurf machte, das doch nur um seinetwillen, eingetreten war, so wirkte dies doch so erbitternd auf Martha, dass sie, ohne ein Wort zu sagen, mit hervorgequollenen Augen, mit knirschenden Zähnen und zitternd gekrallten Fingern auf Diethelm eindrang, als wollte sie ihn in Stücke zerreissen. Diethelm stand starr und regungslos bei diesem Anblicke. So hatte er sich nie gedacht, dass seine Frau werden könne. Als sie nun ihm ganz nahe war, verzerrten sich ihre Mienen zur grimmigsten Fratze; aber sie letzte nicht Hand an ihn, sondern stiess nur einen unartikulirten Schrei höchster Verachtung aus und verliess die Stube.

      Von jenem Tage an und gerade aus dem Ausbruch von so mächtigen Zorn- und Hassgedanken war eine seltsame und doch wieder so leicht erklärliche Einkehr in den Gemüthern der beiden Ehegatten vorgegangen. Diethelm erkannte und sprach es aus, dass er seiner Frau Unrecht gethan, da sie vollberechtigt sei, in der Verwendung ihres Besitzthumes darein zu reden. Er erklärte ihr nun die Hülflosigkeit seiner Angehörigen, und wie er sich schämen müsste, selber im Ueberflusse zu leben, während seine Nächsten darbten. Auch Martha erkannte dies und dass sie ungerecht gegen ihren Mann gewesen, aber ausdrücklich bekennen konnte sie das nicht, obgleich sie oftmals auf Diethelms Gutherzigkeit zu sprechen kam und dabei das zum Verzweifeln karge Wesen ihres verstorbenen Mannes erwähnte. Sie schickte nun selbst, so oft sie Gelegenheit gab, Allerlei nach Letzweiler, und Diethelm, nun vollkommen gedeckt, wollte allen seinen Angehörigen gründlich aufhelfen. Ein wirklich ungewöhnlich mächtiger Familiensinn, dabei aber auch die Lust, frei und offen über ein grosses Besitzthum zu verfügen und vor Allem die Ehre und der Ruhm, der ihm dadurch ward, liessen ihn fast keine Grenzen mehr kennen.

      Das Haus des Grobbauern, das ehedem von den Bettlern gemieden war, zeigte sich seit Diethelms, Zeiten als die reichste Quelle der Wohlthaten, und es wurde viel gerühmt, dass Martha nie einem Armen eine abgerahmte Milch gab.

      Eine Eigenschaft zeigte sich bei Diethelm in Allem: es war eine unersättliche Ehrbegierde; er hätte lieber das tiefste häusliche Elend ertragen, ehe er davon etwas in der Welt verlauten und so seine Ehre blossstellen liess. Als nun nach fünf Jahren kinderloser Ehe die kleine Fränz geboren wurde, war er voll steten Jubels und an dem Kinde schien immerwährend sein ganzes Leben zu hängen. Aus dem Gespräche der beiden Schäfer ist uns noch erinnerlich, welch’ eine seltsame Lebenswendung Diethelm einschlug und wie bald keine Spur mehr davon übrig war, dass er einst das Besitzthum seiner Frau wie ein Dienstbote betrachtet hatte. Er schien fortan keine Ruhe mehr in seinem Hause und in seinem ganzen Leben zu haben; es kam hierüber zu heftigen Erörterungen, und Diethelm behauptete ein für allemal, er habe es versäumt, seine jungen Jahre zu geniessen und müsse das jetzt nachholen. Von jener Zeit an sah Martha, welch’ ein Leben ihr geworden war, sie liess Alles ohne Widerrede geschehen, den Güterverkauf, den Fruchthandel, die Schafhalterei; sie hatte einen Mann, der sie des Reichthums wegen geheirathet, und der nun, dessen gewohnt, ihrer kaum mehr achtete und seine Freude ausser dem Hause suchte. Das war aber nicht immer der Fall, denn Diethelm, hatte Zeiten, da er voll Ehrerbietung gegen seine Frau war und sie scherzweise Meisterin nannte, und die Frau hatte bei all’ ihrem vergrämten Wesen doch oft Mitleiden mit dem Mann, der vielleicht mit einer jungen minder begüterten Frau glücklicher geworden wäre. So lebten diese Leute schon zwei und zwanzig Jahre in der Ehe und hatten noch ihre Einigung nicht gefunden, und doch strebte eigentlich im Innersten ein Jedes dem Andern zu Gefallen zu leben und war auch viel Streit und Zank zwischen ihnen: war das Eine vom Andern entfernt, gedachten sie mit inniger Sehnsucht einander und die Frau besonders war dann bestrebt, gegen Jedermann ihren Diethelm zu preisen. An Fränz, wenn sie zu Haus war und nicht nach ihrer Gewohnheit den Vater überall geleitete, hatte sie keine Stütze; denn das Mädchen hatte das hoffärtige Wesen ihres Vaters geerbt: Grossthun, die Welt in Neid von sich reden machen, war ihr ewiges Dichten und Trachten, und sie schalt wie Diethelm die Grämlichkeit und das Schwarzsehen der Mutter eine Alterskrankheit, die sie höchstens bemitleidete.

      Martha sass jetzt allein, rückwärts schauend in die Vergangenheit und vorwärts nach ihrer einzigen Sehnsucht: dem Tod. Da hörte sie einen Wagen die Strasse daherfahren, eine Männerstimme rufen, und mit der Freude eines Mädchens, das den Bräutigam erwartet, rief sie zum Fenster hinaus in die Nacht: willkommen Diethelm! Es antwortete Niemand, sie steckte schnell die Ampel in die Laterne, eilte hinab und als sie die Ankommenden sah, schrie i sie jammernd laut auf.

      ,,Was habt Ihr, Meisterin?“ fragte der Schäfer, dem sein Bruder voraufgegangen war.

      „Was will der Landjäger?“ fragte die Frau.

      ,,Das ist kein Landjäger, das ist ja mein Munde,“ antwortete der Schäfer, und Munde sasste die Hand der Frau, die zitternd, und kalt war.

      Als Medard in der Stube die Vorgänge in der Stadt erzählte, presste die Frau die Lippen und ihre, vogelartige Nase wurde kreideweiss; sie sprach, kein Wort und schüttelte nur mehrmals mit dem Kopf. Als sie endlich in ihrer Kammer allein war, warf sie sich auf die Kissen und weinte hinein und schrie die Worte: „Ausborger! Vergantet! Letzweiler Lump.“ Dann richtete sie sich wieder schnell auf, riss die Kissen vom Bett und schrie wie rasend: „Das Alles wird versteigert, Ales. Auf’s Stroh, auf’s Stroh bringst du mich.“ Sie warf sich auf das Stroh und weinte lange, bis sie endlich einschlief.

      ––––––––––

      Siebentes Kapitel.

      Von Trompeten- und Posaunenschall erweckt schlug Diethelm am Morgen die Augen auf; es schien ihm fast, als ob es die Stadtzinkenisten gerade auf ihn abgesehen hätten und ihm war jetzt so schwer, als ob die ganze Last des Erkauften leibhaftig auf ihm läge: er überschaute jetzt nochmals die Zahlen in seiner rothen Schreibtafel und erkannte, dass er mehr eingethan als ins Mäss will. Jetzt galt es aber muthig einzustehen. Fränz war sehr misslaunisch, sie hatte sich in den vornehmen Kleidern doch ausnehmend gefallen und kam sich wie erniedrigt vor in der gewohnten Tracht. Sie musste nun den Vater zu dem Kaufmann Gäbler begleiten, wo man feines blaues Tuch zu einem Mantel für die Mutter einkaufte, und von den Zureden Gäblers unterstützt liess sie nicht ab, bis auch für sie mehrere städtische Kleider eingekauft wurden. Gäbler war überaus freundlich und sagte, Diethelm habe mit Recht den Ruhm, dass gut mit ihm handeln sei und er etwas an sich verdienen lasse. Als Diethelm die Waare bezahlen wollte, lehnte Gäbler dies mit dem höflichen Beisatz ab, solche


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