Rosenhain & Dschinnistan. Christoph Martin Wieland

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Rosenhain & Dschinnistan - Christoph Martin Wieland


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Geschlecht von sich abzulehnen, bis um die Zeit, da Alonso alles bei ihm zu gelten anfing, sich in eine Art von Verhältnis gegen sie gesetzt hatte, welches sich (wie jedermann und Doña Rosa selbst zu glauben schien) über kurz oder lang für eine entschiedene Leidenschaft erklären mußte.

      Der schöne Alonso, der so vieles in diesem Hause veränderte, gab auch diesem Verhältnis in kurzem eine ganz andere Gestalt. Don Manuel wurde täglich kälter gegen seine Base und Doña Rosa zusehends wärmer gegen Don Alonso; wenigstens hätte dieser sich ohne Albernheit schmeicheln können, nicht abgewiesen zu werden, wofern seine Umstände es ihm nicht zur Pflicht gemacht hätten, die Leidenschaft, die sie ihm auf den ersten Anblick eingeflößt, in seinem Innersten zu verschließen.

      Die Wahrheit zu sagen, so hatte Doña Rosa, ohne für den Grafen das zu fühlen, was man, im eigentlichen Sinne des Worts, Liebe nennt, sich sehr klar und lebhaft vorgestellt, daß es ohne Vergleichung angenehmer sein müßte, Gräfin Altariva zu werden, als in einem melancholischen Nonnenzwinger aus Liebe zu einem himmlischen Bräutigam ihren Leib zu kasteien und Psalter zu singen. Solange sie sich daher Hoffnung machte, daß Don Manuel eine Absicht auf sie habe, würde der schöne Ritter Don Galaor selbst nicht schön genug gewesen sein, sie zu einer Untreue an – ihrem eigenen Vorteil zu verleiten. Aber von dem Augenblick an, da sie an der Gleichgültigkeit gegen sie nicht länger zweifeln konnte, fand sie keinen Grund mehr, dem Hang ihres Herzens zu widerstehen, und Alonso hätte blinder als Amor selbst sein müssen, wenn er nicht in ihren großen Gazellenaugen gelesen hätte, was sie ihm (vermutlich aus der nämlichen Ursache, die ihn selbst zum Schweigen verurteilte) auf jede andre Weise sorgfältig zu verbergen suchte.

      Indessen schien ihr das Benehmen des Grafen Manuel täglich unbegreiflicher. Sie beobachtete ihn daher immer schärfer, und die Sache wurde ihr um so verdächtiger, da sie zu bemerken glaubte, daß sie selbst von dem Grafen ebenso scharf und argwöhnisch beobachtet werde. Eine Nebenbuhlerin wittert die andre, wenn ich so sagen darf, durch eine siebenfache Verkleidung, und Don Manuel verriet sein Geheimnis unwissenderweise alle Augenblicke. Er heftete bald so zärtliche, bald so finstre und feindselige Blicke auf den schönen Alonso! – seine Stimme wurde zuweilen so ungewöhnlich sanft – oft war es, als ob irgend etwas Unnennbares in seinem Busen arbeite – Doña Rosa hatte sogar einsmals ein paar mit Mühe zurückgehaltne Tränen in seinen trüb funkelnden Augen schwimmen sehen. "Ganz gewiß", sagte sie zu sich selbst, "hierunter liegt ein seltsames Geheimnis – Don Manuel ist ein – Mädchen!" – Und von dem Augenblick an ruhte die schöne Biskayerin nicht, bis sie ihr Gewissen von aller Gefahr, ihm unrecht zu tun, gänzlich erleichtert hatte.

      Welch eine Entdeckung! Aber wo den Schlüssel zu diesem Rätsel hernehmen? – War Alonso in das Geheimnis verwickelt? – Sie verdoppelte ihre Aufmerksamkeit und glaubte augenscheinlich zu sehen, daß die Leidenschaft des verkappten Don Manuels einseitig und Alonso nicht weniger darüber betroffen sei als sie selbst. Was sollte sie auch, wenn sie einverstanden waren, bewogen haben, eine so widersinnische Rolle zusammen zu spielen? Die Unmöglichkeit, sich Licht hierüber zu verschaffen, wurde ihr täglich peinlicher; denn im Schloß war niemand, dem sie sich hätte vertrauen dürfen. Wie gern hätte sie ihre Entdeckungen dem Alonso mitgeteilt! Aber, wofern ihm (wie alles sie glauben machte) Don Manuels wahres Geschlecht noch unbekannt war, wär es nicht unvorsichtig von ihr gewesen, ihm eine Nebenbuhlerin zu entdecken? Wie sehr ihr auch die Eigenliebe dafür gutsagte, daß sie von den stieren Junonsaugen und der Adlernase des unechten Don Manuels nichts zu besorgen habe, so glaubte sie doch immer wieder eine andre Stimme in ihrem Busen zu hören, die ihr zuflüsterte, daß der Eitelkeit und den Launen der Männer nicht zu trauen sei. Genug, sie wagte es nicht, zu reden, und wußte doch auch nicht, wie sie ein Geheimnis länger zurückhalten sollte, das ihr zuweilen die Brust zu zersprengen drohte.

      Alonsos Lage zwischen Don Manuel und Doña Rosa war nicht viel weniger peinlich. Was wollte ihm jener? Wie sollte er sich das widersinnische, leidenschaftliche Betragen des Grafen erklären? "Aber du", sagte er zu sich selbst, "was willst du? Was soll aus deiner Liebe zu Doña Rosa werden? Wenn du auch, wie es scheint, wiedergeliebt wirst, was bleibt uns zuletzt als dir eine Karmeliterkutte und ihr der Schleier?"

      Indessen war die Lage der armen Galora, die, mit Amors giftigstem Pfeil im Busen, noch immer den Don Manuel spielen mußte, bei weitem die peinvollste. Heftig in allen ihren Neigungen, gewohnt, immer ihren Willen zu haben, stolz und trotzig bei jedem Widerstand, mußte sie jetzt beidem, ihrem angebornen und ihrem angenommenen Charakter, eine Gewalt antun lernen, wozu sie, sobald sie sich mit Don Alonso allein sah, keine Kraft in sich fühlte. Wie oft hätte sie sich in eine Löwin verwandeln mögen, um den Menschen in Stücken zu zerreißen, der sie eine in ihren eigenen Augen so schmähliche Rolle zu spielen nötigte! Oft verwünschte sie die Stunde, da ihre Eltern aus unverständiger Liebe ihr diese unnatürliche Rolle aufgezwungen. Was für einen Ausgang konnten sie davon erwarten?

      "Aber steht es denn nicht bloß bei dir", sagte sie sich endlich selbst, "diese verhaßten Kleider und mit ihnen diese ganze unselige Erbschaft von dir zu werfen, um glücklich zu sein? Glücklich zu sein? – Wahnsinnige! Liebt er dich denn? Ist nicht diese Bettlerin zwischen ihm und dir, die alle ihre buhlerischen Künste aufbietet, ihn zu umspannen und zu verstricken? – Und wenn er mich auch kennte, mich auch liebte, was würden die Folgen der Entdeckung meines Geheimnisses sein? Unmöglich könnt es der Welt länger verborgen bleiben, wenn es ihm bekannt wäre. Oder was kann ich von ihm verlangen, von ihm erwarten?"

      Diese und ähnliche Gedanken, womit sie sich ohne Ruhe bei Tag und ohne Schlaf bei Nacht herumtrieb, brachten sie bald der Verzweiflung, bald dem Wahnsinn nahe. Bald wollte sie die arme Rosa auf der Stelle ins Kloster schicken, bald Don Alonso aus dem Schlosse jagen, bald beiden und dann sich selbst einen Dolch ins Herz stoßen. Aber sobald sie einen von diesen wütenden Gedanken ausführen wollte, fühlte sie sich ohne Mut, und eine klägliche Erschlaffung war gewöhnlich das Ende solcher leidenschaftlicher Selbstgespräche.

      Die Not zwang sie endlich, sich der alten Dueña zu entdecken, welche lange vergebens um sie herumgeschlichen war, um sie zum Geständnis dessen zu bringen, was für die Alte schon lange aufgehört hatte ein Geheimnis zu sein. Natürlicherweise verschaffte dies Galoren eine augenblickliche Erleichterung; aber von den Mitteln, welche die Dueña vorschlug, mußte bei genauerer Überlegung eines nach dem andere verworfen werden. Nach verschiedenen fruchtlos abgelaufenen Beratungen brachte es die Alte endlich dahin, daß der verkappte Don Manuel sich zu einem Versuch bequemte, den jene für den letzten Rat erklärte, den sie in ihrem Gehirn aufzutreiben wisse. Galora sollte nämlich Alonson das ganze Geheimnis ihrer Unterschiebung an die Stelle ihres verstorbenen Bruders entdecken und ihm dann den Vorschlag einer heimlichen Eheverbindung tun, wobei von beiden Teilen nichts gewagt würde, da das Geheimnis im Busen weniger, von ihrem eigenen Vorteil zur Verschwiegenheit genötigter Personen vergraben liegen und also der Welt ewig verborgen bleiben würde. Sie sollte ihm zugleich mit ihrer Person alle Gewalt, die er nur immer wünschen könnte, über ihr Vermögen einräumen; und wenn auch nicht die Liebe, so mußte doch ein alle seine Erwartungen so weit übersteigendes Glück ihn nötigen, ihre Hand mit unbegrenzter Dankbarkeit anzunehmen. Die Dueña versprach, diesen Antrag, der ihrer Meinung nach unmöglich abgewiesen werden könnte, in eigner Person an Don Alonso zu bringen, und die Ausführung sollte nicht länger als bis zum folgenden Morgen verschoben werden.

      Doña Galora schien sich mit diesem Vorschlag so beruhigen. Aber kaum sah sie sich allein, so faßte sie plötzlich, wie durch Eingebung ihres guten oder bösen Dämons, die Entschließung, anstatt sich in einer Sache von dieser Natur einer fremden Person anzuvertrauen, alles noch in dieser nämlichen Nacht durch sich selbst auszuführen.

      Sogleich ließ der vermeinte Graf das Kammermädchen der Doña Rosa zu sich rufen und nachdem er einen feierlichen Schwur der Verschwiegenheit von ihr genommen, befahl er ihr, sobald ihre Gebieterin eingeschlafen sein würde, ihm einen vollständigen weißen Anzug aus ihrer Kleiderkammer zu verschaffen. Er habe im Sinn, sagte er, sich einen Spaß mit Don Alonso zu machen und ihn in der Mitternachtsstunde in weiblicher Gestalt, als der Geist einer ehmals von ihm geliebten Dame, zu überraschen. Das Mädchen, von einer Handvoll Gold zu allem willig gemacht, vollzog den Auftrag aufs pünktlichste, brachte das Befohlne, und vermittelst ihres Dienstes stand Galora noch vor Mitternacht in dem vollständigen Anzug ihres eignen Geschlechts


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