Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.»Du bist größer geworden seit Deinem letzten Besuche, Kleiner.«
»Du auch,« antwortete Nemu schnell, »aber nur was Deinen Mund betrifft.«
»Und Du bist so bös als Du klein bist,« gab das Mädchen zurück.
»Dann ist meine Bosheit gering,« lachte der Zwerg, »denn ich bin sehr klein und niedlich. Heil euch, ihr Mädchen. Helfe euch Besa bei eurem Schmucke. Sei gegrüßt, Mutter, Du ließest mich rufen?«
Die Alte nickte, der Zwerg ließ sich auf der Kiste neben ihr nieder und sie begannen mit einander zu flüstern.
»Wie staubig Du aussiehst und ermüdet,« sagte Hekt. »Ich glaube gar, Du bist im Sonnenbrand zu Fuße gegangen.«
»Mein Esel ist todt,« antwortete Nemu, »und ich hatte kein Geld, mir ein Reitthier zu miethen.«
»Der Anfang des künftigen Glanzes,« kicherte die Alte. »Was hast Du verrichtet?«
»Paaker hat uns gerettet,« erwiederte der Zwerg, »und ich komme von einem langen Gespräch mit dem Statthalter.«
»Nun?«
»Er wird Dir den Freibrief erneuern, wenn Du den Wegeführer in seine Hand gibst.«
»Gut, gut. Ich wollte, er entschlösse sich, mich aufzusuchen; natürlich verkleidet; ich hätte . . .«
»Er ist zaghaft und wollt' ich ihm solches Unausführbare rathen, es würde nicht klug sein.«
»Hm,« murmelte die Alte, »vielleicht könntest Du recht haben; denn wer oft zu fordern hat, darf nur das Erfüllbare heischen. Ein freches Verlangen verdirbt oft für immer dem Gönner die Lust am Gewähren. Wollen sehen, wollen sehen. Was hat sich weiter ereignet?«
»Des Statthalters Heer hat die Aethiopier geschlagen und bringt reiche Schätze nach Theben.«
»Damit kauft man die Leute,« murmelte die Alte. »Gut, gut!«
»Paaker's Schwert ist geschliffen. Ich gebe für meines Herrn Leben nicht mehr, als ich in meiner Tasche habe, und Du weißt, warum ich zu Fuß durch den Staub hieher gekommen bin.«
»Kannst heimwärts reiten,« erwiederte Hekt und reichte dem Kleinen ein silbernes Ringlein. »Hat der Wegeführer Deine Herrin Nefert wiedergesehen?«
»Da sind seltsame Dinge vorgefallen,« sagte der Zwerg und erzählte seiner Mutter, was sich zwischen Katuti und Nefert ereignet hatte. Nemu war ein guter Horcher und er hatte kein Wort von dem Gehörten vergessen.
Die Alte hörte ihm mit gespannter Aufmerksamkeit zu und murmelte dann:
»Sieh', sieh'! Doch auch einmal etwas Ungewöhnliches! Was sonst in den Menschen vorgeht, sieht sich widerlich gleich in Palästen und Hütten. Die Mütter sind allesammt Aeffinnen, die sich mit Lust von ihren Kindern, die es ihnen schlecht genug danken, zu Tode quälen lassen, und die Ehefrauen pflegen die Ohren weit zu öffnen, wenn man ihnen von dem schlimmen Wandel ihrer Männer erzählt. Aber Deine Herrinnen, das laß ich gelten!«
Die Alte blickte sinnend zu Boden und fuhr dann fort:
»Im Grunde läßt sich auch dieß sehr einfach erklären und ist nicht ungewöhnlicher als das Gähnen der müden Dirne da drüben. Du erzähltest mir einmal, es sei ein reizender Anblick, die Mutter mit der Tochter, wenn sie zu den Festen und Panegyrieen fahren, nebeneinander auf dem Wagen stehen zu sehen. Katuti, sagtest Du, trüge auch Sorge, daß dann die Farben ihrer Gewänder und die Blumen in ihrem Haar zusammenstimmten. Für welche von Beiden wird der Anzug zuerst gewählt bei solchen Anlässen?«
»Immer für die Herrin Katuti, die von bestimmten Farben nicht abgeht,« antwortete Nemu eifrig.
»Siehst Du,« lachte die Hexe, »das muß so sein. Diese Mutter denkt immer zuerst an sich und an diejenigen Dinge, die sie zu erreichen wünscht. Aber die hängen hoch und da tritt sie auf Alles, was ihr zur Hand ist, auch auf ihr Kind, um sie zu erlangen. Sie schickt Paaker dem Mena auf den Hals, so wahr mir das Ohr klingt, denn dieß Weib wäre im Stande, mit den Augen ihrer Tochter Mora zu spielen und sie an den lahmen Windhund dort zu verheirathen, wenn sie dadurch ihre ehrgeizigen Pläne verwirklichen könnte.«
»Aber Nefert?« fragte der Kleine. »Du hättest sie sehen sollen. Ein Löwe ward aus dem Täubchen.«
»Weil sie Mena liebt, wie ihre Mutter sich selbst,« antwortete die Alte. »Die Dichter würden sagen: ›Sie ist voll von ihm.‹ Bei ihr trifft das zu! Da bleibt kein Raum für was Anderes. Eins nur will sie besitzen und wehe Dem, der es angreift!«
»Ich habe auch schon verliebte Frauen gesehen,« sagte Nemu, »aber . . .«
»Aber,« lachte die Alte so jäh auf, daß die Dirnen sich umwandten, »aber die geberdeten sich anders wie Deine Herrin Nefert? Das will ich Dir glauben und unter Tausenden gibt es nicht Eine, welche so von jener Krankheit ergriffen wird, die wüthender schmerzt als kuschitisches Pfeilgift in der offenen Wunde, und rascher um sich frißt als der Brand, und schwerer zu tilgen ist als das Siechthum, an dem die hustende Dirne dort abstirbt. Wen dieses Leidens Dämon beherrscht, der ist elend wie ein Verdammter oder auch,« und bei diesen Worten senkte sie ihre Stimme, – »glückseliger als die Götter, so viel ihrer sind. Ich kenne das Alles – Alles, denn auch ich war eine Besessene unter den Tausend und heute noch . . .«
»Nun?« fragte der Zwerg.
»Thorheiten,« brummte die Hexe und dehnte sich als wenn sie aus dem Schlaf erwache. »Unsinn. Der, den ich meine, ist längst verstorben, und wär' er's nicht, mir könnt' es gleich sein. Alle Männer sehen einander ähnlich und Mena wird sein wie die anderen.«
»Aber den Wegeführer Paaker beherrscht doch wohl der Dämon, den Du schilderst?« fragte der Kleine.
»Kann sein,« entgegnete die Alte; »aber er soll ja eigenwillig sein bis zur Tollheit. Jetzt ließe er sein Leben, um zu erreichen, was ihm versagt ist. Wenn Deine Herrin Nefert ihm gehörte, vielleicht würd' er ruhiger werden! Aber wozu das Geschwätz? Ich muß noch hinüber in das goldene Zelt, wo jetzt Alles verkehrt, was den Beutel voll Geld hat, um mit der Wirthin zu sprechen –«
»Was willst Du von Der?« fragte Nemu.
»Die kleine Uarda drüben,« gab die Alte zurück, »wird bald wieder gesund sein. Du hast sie ja wiedergesehen. Ist sie nicht schön geworden, wundervoll schön? Nun will ich sehen, was die Wirthin mir bietet, wenn ich sie ihr verschaffe. Leichtfüßig ist das Mädchen wie eine Gazelle und kann, tüchtig geübt, in wenigen Wochen den Tanz erlernen.«
Nemu erbleichte und sagte entschieden:
»Das solltest Du nicht thun!«
»Warum nicht?« fragte die Alte, »wenn es etwas Rechtes abwirft?«
»Weil ich Dir's verbiete,« flüsterte der Zwerg mit heiserer Stimme.
»Siehe da!« lachte die Zauberin. »Du möchtest meine Nefert sein und ich soll ihre Mutter Katuti spielen. Aber ernst gesprochen. Hast Du die Kleine wiedergesehen und begehrst Du sie für Dich selber?«
»Ja,« entgegnete Nemu. »Wenn wir zum Ziele gelangen, so spricht Katuti mich frei und macht mich reich. Dann kauf' ich dem Nachbar Pinem seine Enkelin ab und nehme sie zum Weibe. Ich baue uns ein Haus in der Nähe der Gerichtshalle und stehe den Klägern und Beklagten mit Rath zur Seite, wie der bucklige Sent, der jetzt auf seinem eigenen Wagen durch die Straßen fährt.«
»Hm,« sagte die Alte. »Das würde sich hören lassen, aber vielleicht ist's zu spät. Das Mädchen sprach im Fieber von dem Priester aus dem Setihause, der sie in Ameni's Auftrage besuchte. Das ist ein stattlicher Bursch, der sich wohl ihrer annimmt. Eines Gärtners Sohn soll er ja sein und sie nennen ihn Pentaur.«
»Pentaur?« fragte der Kleine. »Pentaur? Der hat die stolze Haltung und das Antlitz des verstorbenen Mohar und will höher hinaus; aber sie werden ihm bald den hochmüthigen Nacken brechen.«
»Um so besser,« gab die Alte zurück. »Uarda wäre eine Frau für Dich, sie