Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie - Georg Ebers


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      Nefert senkte den Blick, schaute erröthend zu Boden und murmelte:

      »Ich wollte, daß ich diese Augen für immer schließen könnte, denn ich bin sehr unglücklich.« Dabei rollten zwei schwere Zähren über ihre Wangen.

      »Was ist Dir geschehen, Liebling?« fragte die Prinzessin teilnehmend und zog sie mit der Rechten wie ein krankes Kind an sich.

      Nefert schaute ängstlich zu dem Ceremonienmeister und den Frauen vom Hofstaate hin, welche das Zimmer mit ihr betreten hatten, und Bent-Anat verstand diesen Wink, bat die ihres Befehles Gewärtigen, sie zu verlassen und sagte, als sie mit ihrer betrübten Freundin allein war:

      »Nun sprich! Was bekümmert Dein Herz? Wie kommt dieser schmerzliche Zug in Dein liebes Kindergesicht? Rede, und ich will Dich trösten und Du sollst wieder meine heitere, sorglose Puppe werden!«

      »Deine Puppe,« wiederholte Nefert und ein Blitz des Unwillens strahlte aus ihren Augen. »Du hast Recht, mich so zu schelten, denn ich verdiene keinen bessern Namen, hab' ich mir's doch, so lang ich lebe, gefallen lassen, nichts zu sein als das Spielzeug der Meinen.«

      »Aber Nefert, ich erkenne Dich nicht wieder,« rief Bent-Anat, »ist das meine sanfte, freundliche Träumerin?«

      »Das ist das Wort, das ich suchte,« sagte Nefert leise. »Ich habe geschlafen und geträumt und immer geträumt, bis Mena mich weckte, und wenn er mich verließ, so bin ich wieder entschlummert, und nun lag ich im Traume zwei Jahre lang, aber heute bin ich aus dem Schlaf gerissen worden so hart und rauh, daß ich niemals wieder Ruhe finden werde.«

      Während Nefert also redete, floß langsam eine schwere Thräne nach der andern über ihre Wangen.

      Bent-Anat fühlte sich so tief bewegt von dem, was sie hier sah und hörte, als sei Mena's Gattin ihr eigenes leidendes Kind. Liebreich zog sie die junge Frau auf den Divan nieder, setzte sich an ihre Seite und ließ nicht ab, bis Nefert sie in die Noth ihrer Seele blicken ließ.

      Es war der Tochter Katuti's in den letzten Stunden ergangen wie einem Blindgeborenen, der plötzlich die Gabe des Gesichts zurückerlangt. Er schaut das Glanzlicht der Sonne und die mannigfaltigen Gestalten des Geschaffenen rings umher, aber die Strahlen des Tagesgestirns blenden sein Auge und die neuen Formen, die er ahnend mit der Seele suchte und die sich ihm nun in ihrer rohen Wirklichkeit aufdrängen, beängstigen und peinigen ihn. Heut zum ersten Male fragte sie sich, warum denn ihre Mutter und nicht sie das Hans zu verwalten berufen sei, dessen Herrin sie doch genannt werde, 140 und die Antwort lautete: »Weil Mena dich für unfähig hält, zu denken und zu handeln.« Er hatte sie oft sein Röslein genannt und sie fühlte nun, daß sie nicht mehr und besser sei als eine Blume, die wächst und verwelkt und nur durch ihre bunten Blätter die Augen erfreut.

      »Meine Mutter,« sagte sie zu Bent-Anat, »liebt mich gewiß, aber sie hat meines Gatten Güter übel verwaltet, sehr übel, und ich Elende schlief und träumte von Mena und sah nicht und hörte nicht, was mit seinem, mit unserem Erbe geschah. Jetzt bangt der Mutter vor meinem Gatten und wen man fürchtet, so sagte der Oheim, den kann man nicht lieben, und wen man nicht liebt, von dem ist man gern bereit das Böse zu glauben. So leiht sie ihr Ohr den Leuten, die Mena schelten und von ihm berichten, er habe mich aus seinem Herzen verstoßen und ein fremdes Weib in sein Zelt genommen. Aber das ist falsch und erlogen und ich kann und will der eigenen Mutter Antlitz nicht schauen, wenn sie mir das Einzige verkümmert und schändet, was mir bleibt, was mich hält, die Luft und das Blut meines Lebens, die Liebe, die heiße Liebe für meinen Mann.«

      Bent-Anat hatte ihr, ohne sie zu unterbrechen, zugehört. Eine Zeitlang blieb sie schweigend neben ihr sitzen. Dann sagte sie.

      »Komm' hinaus auf den Altan! Da will ich Dir sagen, was ich meine, und vielleicht flößt Toth einen helfenden Rath in mein Herz. Ich habe Dich lieb und kenne Dich ganz, und bin ich nicht weise, so hab' ich doch offene Augen und eine thatkräftige Hand. Nimm sie und folge mir jetzt auf den Altan!«

      Ein erquickender Lufthauch wehte vom Strome her den in's Freie tretenden Frauen entgegen. Es war Abend geworden und labende Kühle folgte der Glut des Tages. Schon warfen die Gebäude und Häuser längere Schatten und zahllose Boote mit den aus der Nekropole heimkehrenden Leuten bevölkerten den Strom, der majestätisch seine übervolle Flut gen Norden wälzte.

      Rings um sie her grünte der Garten, welcher die duftigen Rosenranken zu dem Gitter des Altans der Prinzessin hinaufsandte. Ein weitberühmter Künstler hatte ihn schon zu Hatasu's Zeiten angelegt, und das Gemälde, welches er im Geiste erschaute, als er den Samen legte und die Schößlinge pflanzte, war nun, viele Jahrzehnte nach seinem Tode, zur Wirklichkeit geworden. Er hatte sich seine Anlage als Teppich gedacht, auf welchem die zahlreichen Palasthäuser standen. Vielfältig gebogene Wasseradern, auf denen weiße Schwäne schwammen, bildeten gleichsam die Umrisse der Zeichnungen in ihm, und die von ihnen begrenzten Figuren waren ausschattirt mit Pflanzen in jeder Größe, Form und Farbe. Schöne Flächen von saftgrünem Rasen bildeten überall den Grund des Gewebes und von diesem hoben sich die vollen, bunten Blumenbeete und Sträuchergruppen harmonisch ab, während die alten hohen und seltenen Bäume, von denen die Schiffe Hatasu's 141 viele aus Arabien nach Aegypten gebracht hatten, dem Ganzen Ernst und Ehrwürdigkeit verliehen.

      Aus Blättern, Blüten und Halmen schimmerten jetzt helle Tropfen, denn vor Kurzem erst hatte man die dem Hause Bent-Anat's benachbarten Anlagen mit frischem Wasser benetzt.

      Jenseits des Gartens umfloß der Nil eine Insel, auf welcher die wohlgepflegten heiligen Haine des Amon grünten.

      Die Nekropole am jenseitigen Stromesufer ließ sich von dem Altane Bent-Anat's aus wohl überblicken. Da zogen sich die Sphinxreihen hin, welche von den Landungsplätzen der Festbarken aus zu dem Riesenbau Amenophis III. mit seinen Kolossen, den größten in Theben, zum Setihause und dem Tempel Hatasu's führten. Da lagen die langen Werkstätten der Balsamirer und die häuserreichen Straßen der Todtenstadtbewohner. Im fernsten Westen erhoben sich die libyschen Berge mit ihren zahllosen Grüften und in ihrem Rücken dehnte sich, von ihnen versteckt, in weitem Bogen das Thal der Königsgräber.

      Schweigend schauten die Frauen nach Westen.

      Schon näherte sich die Sonne dem Horizonte; jetzt erreichte sie ihn, jetzt verschwand sie hinter dem Gebirge, und als sich nun der Himmel mit Farbentönen überzog, die lichtem Golde, feurigen Rubinen und geschmolzenen Granaten und Amethysten glichen, da erschollen aus allen Tempeln rings umher die Abendlieder und die Freundinnen sanken auf die Kniee, verbargen ihr Antlitz in die das Gitter des Altans umschlingenden Rosenguirlanden und beteten aus vollem Herzen.

      Als sie sich wiederum erhoben, breitete sich die Nacht über die Wege, denn die Dämmerung ist kurz in Theben. Nur hier und da flatterte noch ein rosiges Wölkchen an dem sich verdunkelnden Himmel und verblaßte allmälig, als der Abendstern aufging.

      »Mir ist wohl,« sagte tief aufathmend Bent-Anat. »Kehrt auch in Deine Seele der Friede zurück?«

      Nefert schüttelte verneinend das Haupt.

      Die Prinzessin zog sie auf einen Ruhesitz, ließ sich an ihrer Seite nieder und begann von Neuem:

      »Dein armes Herz ist wund, man hat Dir die Vergangenheit verleidet, und Dir bangt vor der Zukunft. Laß mich offen sein, auch wenn es Dir weh thut. Du bist krank und ich möchte Dich heilen. Willst Du mich hören?«

      »Rede nur,« sagte Nefert.

      »Das Reden,« gab die Prinzessin zurück, »ist nicht meine Sache, aber das Handeln, und ich glaube, daß ich weiß, was Dir fehlt, und daß ich Dir helfen kann. Du liebst Deinen Mann; die Pflicht rief ihn von Dir und Du fühlst Dich verlassen und einsam. Das ist ja natürlich! Aber Die, die ich liebe, mein Vater und meine Brüder, zogen doch auch in den Krieg, meine Mutter ist längst verstorben, die edle Frau, welche mir der König als Gesellschafterin zurückließ, erlag vor wenigen Wochen der Krankheit. Sieh hier diese halb verlassene Stadt, die mein Haus ist. Wen darf man einsamer nennen, Dich oder mich?«

      »Mich,« sagte Nefert. »Denn so einsam ist Niemand als die Frau, die getrennt von dem Gatten ihr Herz zersehnt.«

      »Aber


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