Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie - Georg Ebers


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wenn die Hunderte, welche mir anvertraut sind, nicht zu Schaden kommen sollen.«

      »Strafe mich nur!« rief Rameri. »Wenn ich eine Thorheit begehe, so bin ich auch bereit, ihre Folgen zu tragen!«

      Ameni schaute den lebhaften Jüngling mit Wohlgefallen an und würde ihm gern die Hand geschüttelt und seinen Krauskopf gestreichelt haben, aber die Rameri zugedachte Strafe sollte größere Zwecke fördern und Ameni räumte keiner Aufwallung des Gemüths das Recht ein, ihn bei der Ausführung eines wohlerwogenen Vorhabens zu hindern. Darum antwortete er dem Prinzen mit strengem Ernste:

      »Ich muß und werde Dich strafen und thu' es, indem ich Dich bitte, noch am heutigen Tage das Setihaus zu verlassen.«

      Der Prinz erbleichte. Ameni aber fuhr begütigend fort:

      »Ich verweise Dich nicht mit Schande aus unserer Mitte, sondern sage Dir freundlich Lebewohl. In wenigen Wochen würdest Du die Anstalt ohnehin verlassen und, so befahl es der König, dem Leben blühe, Heil und Kraft, das Uebungslager der Wagenkämpfer bezogen haben. Mir steht für Dich keine andere Strafe zu Gebot als diese. Nun reiche mir die Hand; Du wirst ein tüchtiger Mann und vielleicht ein großer Kriegsheld werden.«

      Der Prinz stand Ameni überrascht gegenüber und schlug nicht in die ihm dargebotene Rechte ein. Da näherte sich ihm der Priester und sprach:

      »Du hast gesagt, Du wärest bereit, die Folgen Deiner Thorheit auf Dich zu nehmen, und eines Königssohnes Wort bleibt stehen. Vor Sonnenuntergang geleiten wir Dich aus dem Tempel.«

      Der Priester wandte den Jünglingen den Rücken und verließ den Schulhof.

      Rameri schaute ihm nach. Tiefe Blässe überzog sein frisches Gesicht und das Blut war aus seinen Lippen geschwunden.

      Keiner seiner Genossen näherte sich ihm, denn Jeder sagte sich, daß Das, was in der Seele dieses Jünglings vorging, keine leichtfertige Störung vertrage.

      Niemand sprach ein Wort, aber Alle schauten auf ihn.

      Dieß bemerkte er bald, suchte sich zu fassen und sagte dann weich, indem er Anana und einem andern Freunde die Hand hinhielt.

      »Bin ich denn so schlecht, daß man mich so aus eurer Mitte stoßen und meinem Vater solchen Kummer bereiten muß?«

      »Du weigertest Ameni die Hand,« sagte Anana. »Geh' hin, reiche ihm die Deine, bitte ihn, daß er weniger streng sein möge und er läßt Dich vielleicht in der Anstalt.«

      Rameri erwiederte nichts als »Nein.« Aber dieses »Nein« klang so entschieden, daß Alle, die ihn kannten, wußten, daß es unabänderlich sei.

      Ehe die Sonne unterging, verließ er die Schule. Ameni segnete ihn, sagte ihm, er werde, wenn er selbst zu befehlen haben werde, seine Strenge begreifen, und gestattete den anderen Schülern, ihn bis zum Nil zu begleiten. Pentaur verabschiedete sich an der Pforte herzlich von ihm.

      Als Rameri in dem Kajütenhause seiner vergoldeten Barke mit seinem Hofmeister allein war, fühlte er, daß seine Augen in Thränen schwammen.

      »Mein Prinz weint doch nicht?« fragte der Beamte.

      »Warum?« gab der Königssohn barsch zurück.

      »Ich glaubte Thränen auf den Wangen meines Prinzen bemerkt zu haben,« entgegnete jener.

      »Freudenthränen, daß ich heraus bin aus der Falle,« rief Rameri, sprang an's Land und war wenige Minuten später im Pharaonenpalaste bei seiner Schwester Bent-Anat.

      Neuntes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      »Nicht nur den Bewohnern der Todtenstadt. sondern auch unseren Bekannten in Theben sollte dieser ereignißreiche Tag manches Unerwartete bringen.

      Frau Katuti war nach einer schlaflosen Nacht früh aufgestanden. Nefert war spät heim gekommen, hatte ihr Ausbleiben entschuldigt, ihrer Mutter kurz mitgetheilt, daß sie lange von Bent-Anat aufgehalten worden sei, und ihr dann freundlich die Stirn zum Nachtkusse gereicht.

      Als sich die Wittwe in ihr Schlafgemach zurückziehen wollte und Nemu den Docht ihrer Lampe entzündete, kam ihr das Geheimniß in den Sinn, welches Paaker in des Statthalters Hand liefern sollte. Sie befahl dem Zwerge, ihr mitzutheilen, was er wisse, und der Kleine erzählte ihr endlich mit aufrichtigem Widerstreben, denn ihm bangte für seine Mutter, daß der Wegeführer seiner Herrin Nefert die Hälfte eines Liebestrankes gereicht habe, dessen anderer Theil sich wohl noch in seiner Hand befinde.

      Noch vor wenigen Stunden würde diese Nachricht Katuti mit Unwillen und Entsetzen erfüllt haben; jetzt tadelte sie zwar den Mohar, fragte aber dann mit Eifer, ob solcher Trank sich thatsächlich wirksam erweise.

      »Doch wohl,« antwortete der Zwerg, »wenn das Ganze genossen wird; aber Nefert bekam ja nur die Hälfte zu trinken.«

      In später Stunde betrat Katuti, an Paaker's wahnsinnige Liebe, Mena's Treubruch und Nefert's Wandlung denkend, ihr Schlafgemach und auf ihrem Lager quälten sie tausend Vermuthungen, Befürchtungen und Aengste, beunruhigte sie die Trübung, welche diejenige Empfindung in ihrer Tochter erfahren hatte, die doch unverletzlich und vor jedem Angriff gesichert sein sollte, die Liebe des Kindes zu seiner Mutter.

      Bald nach Sonnenaufgang ging sie in die Hauskapelle, opferte der in Osirisgestalt gebildeten Statue ihres verstorbenen Gatten, fuhr in den Tempel, betete daselbst und fand dennoch ihre Tochter noch nicht in der offenen Wohnhalle, woselbst sie auch ihr Frühstück einzunehmen pflegte.

      Katuti liebte es, in den Morgenstunden ungestört zu sein, und steuerte darum nicht der Neigung ihrer Tochter, in ihrem künstlich verdunkelten Gemach in den Tag hinein zu schlafen.

      Wenn die Wittwe in den Tempel fuhr, so pflegte Nefert auf ihrem Lager eine Schale Milch zu genießen, dann ließ sie sich ankleiden und wenn ihre Mutter heimkehrte, so fand sie sie auf der Veranda.

      Heute mußte Katuti allein frühstücken; doch bedeckte sie, als sie sich mit wenigen Bissen gesättigt hatte, Nefert's Morgenimbiß, einen Weizenkuchen und ein wenig Wein in einem silbernen Becherchen, sorgfältig mit einem Schleiertuche gegen Staub und Insekten und begab sich dann in das Schlafgemach ihrer Tochter.

      Als sie es leer fand, erschrak sie; aber bald erfuhr sie, daß Nefert sich nur weit früher als gewöhnlich in den Tempel habe tragen lassen.

      Tief aufathmend betrat sie wiederum die Veranda, um dort ihren Neffen Paaker zu empfangen, der mit zwei prächtigen Blumensträußen, 168 welche ihm ein Sklave nachtrug, und seinem großen Hunde, der schon seinem Vater gehört hatte, gekommen war, um sich nach dem Befinden seiner Anverwandten zu erkundigen.

      Den einen Strauß, sagte er, habe er für Nefert, den andern für ihre Mutter schneiden lassen.

      Katuti hatte ein neues Interesse für Paaker gewonnen, seitdem sie wußte, daß er sich des Liebestrankes bedient habe.

      So tief pflegte sich sonst kein Jüngling in dem Stande, welchem er angehörte, von der Leidenschaft für ein Weib ergreifen zu lassen, wie dieser Mann, der mit zäher Willenskraft auf sein Ziel losging und kein Mittel scheute, um es zu erreichen. Der Wegeführer, der vor ihren Augen herangewachsen war, dessen Schwächen sie kannte und auf den sie herabzusehen gewohnt war, stand ihr plötzlich als ein neuer, fast fremder Mensch gegenüber, der seinen Freunden ein Retter, seinen Feinden ein erbarmungsloser Gegner sein konnte.

      Wenige Sekunden hatten diese Erwägungen in Anspruch genommen. Jetzt ließ sie ihre Augen auf der gedrungenen Gestalt ihres starkknochigen Neffen ruhen und es fiel ihr auf, wie er auch äußerlich so gar nicht seinem hohen, schlanken und schönen Vater glich. Oftmals hatte sie die feinen Hände ihres verstorbenen Schwagers, die doch auch einen Schwertgriff so fest zu umfassen verstanden, bewundert, die seines Sohnes aber waren breit und unedel geformt. Während Paaker ihr erzählte, daß er bald nach Syrien werde aufbrechen müssen, folgte sie unwillkürlich den Bewegungen dieser Hand, welche oft nach seinem Gürtel griff, als habe


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