Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie - Georg Ebers


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vereinte Familien, welche hier bei Braten und Früchten, Bier und Wein ihrer Verstorbenen so gedachten, als wären sie Reisende, welche in der Ferne ihr Glück gefunden und die sie früher oder später wiederzusehen hoffen durften.

      Schon näherte sich die Sonne dem Untergange, als sie auf dem eigentlichen Festplatze anlangten.

      Hier standen viele Tische und Zelte mit Eßwaaren jeder Art, namentlich aber mit süßem Gebäck für die Kinder, Datteln, Feigen, Granatäpfeln und anderen Früchten.

      Unter leichten, den Sonnenbrand abwehrenden Schutzdächern wurden Sandalen und Tücher in allen Stoffen und Farben, Schmucksachen, Amulete, Fächer und Schirme, wohlriechende Essenzen jeder Art und andere Gaben für die Opfer und Putztische feilgehalten. Die Körbe der Gärtner und der Blumenhändlerinnen waren schon geleert, aber die Wechsler hatten noch vollauf zu thun und an den Schenk- und Würfeltischen ging es lebendig her.

      Freunde und Bekannte begrüßten sich mit frommen Sprüchen, während die Kinder einander ihre neuen Sandalen, den Kuchen, den sie beim Würfeln gewonnen, oder die Kupferringlein zeigten, mit denen sie beschenkt worden waren, und welche heute noch verausgabt werden mußten.

      Den bedeutendsten Erfolg ernteten die Wunderthäter des Setihauses, um welche sich dicht am Boden hockende Zuschauermengen im Kreise geschaart hatten, so zwar, daß man den Kindern die vordersten Reihen freiwillig einräumte.

      Als unsere Wanderer diesen Platz betraten, war die religiöse Feier bereits beendet.

      Noch stand der Baldachin, unter welchem die Familie des Königs der Festrede zuzuhören pflegte und in dessen Schatten heute der Statthalter Ani gethront hatte, noch sah man die Sitze der Großen und die Schranken, welche das Volk fern hielten von dem Adel, der Priesterschaft und dem Herrscherhause.

      Hier hatte Ameni mit eigenem Munde das Wunder von dem Widderherzen dem jubelnden Volke mitgetheilt und ihm eröffnet, daß ein neuer Apis unter den Heerden des Statthalters erschienen sei.

      Seine Deutung dieser göttlichen Zeichen ging von Mund zu Munde. Sie verhießen Frieden und Glück dem Lande durch einen Liebling der Götter, und wenn er es auch nicht aussprach, so konnte es doch auch dem Blödesten nicht entgehen, daß unter diesem Lieblinge kein Anderer gemeint sei als Ani, der Nachkomme der großen Hatasu, deren Prophet mit dem heiligen Widderherzen begnadigt worden war.

      Alles schaute bei Ameni's Worten auf Ani und dieser opferte vor dem Volke unter dem heiligen Widderherzen und empfing des Oberpriesters Segen.

      Auch Pentaur hatte seine Rede beendet, als Bent-Anat mit ihren Begleitern den Festplatz betrat. Sie hörte, wie ein Greis zu seinem Sohne sagte: »Das Leben ist schwer. Oft erschien es mir wie eine Bürde, die grausame Götter auf unsere armen Schultern laden, aber als ich den jungen Priester vom Setihause hörte, da fühlt' ich doch, daß die Himmlischen gut sind, und daß wir ihnen für Vieles zu danken haben.«

      An einer andern Stelle sagte eine Priestersfrau zu ihrem Knaben: »Hast Du Dir den Pentaur recht angesehen, Hor-uza? Er ist aus niederem Hause, aber er überragt die Größten an Geist und Gaben und wird es weit bringen.«

      Zwei Mädchen sprachen mit einander und die eine sagte zur andern: »Der Festredner ist der schönste Mann, den ich je gesehen habe, und seine Stimme schallte wie reiner Gesang.«

      »Und wie seine Augen glänzten, als er die Wahrheit pries als die höchste Tugend,« entgegnete die Andere. »Alle Götter, mein' ich, müssen in ihm wohnen.«

      Bent-Anat erröthete, als sie diese Worte vernahm. Sie wünschte, da es dunkelte, heimzukehren; Rameri aber wollte gern der mit Lampen und Fackeln wandelnden Prozession durch das Thal des Westens folgen, damit auch das Grab ihres Großvaters Seti nicht unbesucht bleibe.

      Die Prinzessin gab ungern nach, aber es war in diesem Augenblicke schwer zum Strom zu gelangen, denn Alles eilte nach der andern Richtung hin. So ließen sich auch die Geschwister und Nefert von der Menge fortdrängen und gelangten, als die Sonne schon untergegangen war, in das Thal des Westens, in dem in dieser Nacht kein Raubthier sich zeigte, denn Schakale und Hyänen waren vor dem Lichte der Laternen aus buntem Papyrus und der Fackeln in der Hand der Nekropolenbesucher in die Wüste geflohen.

      Der Rauch der Fackeln und Lichter und der von zahllosen Wanderern aufgewirbelte Staub vereinten sich, um den gestirnten Himmel den Blicken zu entziehen und wie mit einer Wolke die Prozession und die ihr folgende Menge zu umhüllen.

      Die Geschwister und Nefert hatten sich bis zu der Hütte des Paraschiten Pinem vorwärts gearbeitet, hier aber waren sie stehen zu bleiben gezwungen, denn Sicherheitswächter drängten die sich fortbewegende Menge mit langen Stäben nach rechts und links zurück, um freie Bahn für die nahende Prozession zu schaffen.

      »Sieh, Rameri,« sagte Bent-Anat, indem sie auf den wenige Schritte von ihr entfernten Hof des Paraschiten deutete, »da wohnt das überfahrene weiße Mädchen. Es geht ihr doch besser. Dreh' Dich um, dort hinter dem Dornenzaune bei dem kleinen Feuer, das ihr gerade in's Gesicht scheint, sitzt sie neben ihrem Großvater.«

      Der Prinz stellte sich auf die Zehen, schaute in den ärmlichen Hof und rief dann mit gedämpfter Stimme: »Ist das ein reizendes Geschöpf! Aber was sie nur mit dem Alten macht? Der scheint zu beten und sie hält ihm bald ein Tuch vor den Mund, bald reibt sie ihm die Schläfe. Und wie ängstlich sie aussieht!«

      »Der Paraschit muß trank sein,« erwiederte Bent-Anat.

      »Er hat gewiß auf dem Festplatz einen Krug Wein zu viel getrunken,« lachte der Prinz. »Ganz gewiß. Sieh' nur, wie sich seine Lippen hin und her bewegen und seine Augen rollen. Gräßlich! Er sieht aus wie ein Besessener.«

      »Er ist ja unrein,« sagte Nefert.

      »Aber doch ein guter und braver Mann mit zärtlichem Herzen,« entgegnen die Prinzessin lebhaft. »Ich habe mich nach ihm erkundigt. Er soll redlich sein und nüchtern und ist gewiß krank und nicht trunken.«

      »Jetzt steht das Mädchen auf,« rief Rameri, indem er die Papierlaterne, welche er auf dem Festplatze gekauft hatte, senkte. »Tritt zurück, Bent-Anat, sie muß Jemanden erwarten. Hast Du jemals ein so weißes Menschenkind gesehen und ein so reizendes Köpfchen? Selbst die typhonischen Haare stehen ihr wunderschön. Aber sie wankt ja selbst hin und her. Sie muß noch recht schwach sein! Da sitzt sie wieder bei dem Alten und reibt ihm die Stirn. Die Aermste! Sieh' nur, wie sie schluchzt. Ich werfe ihr meine Börse hinüber!«

      »Laß das!« rief Bent-Anat. »Ich habe sie reich beschenkt und die Thränen, die da vergossen werden, sehen nicht aus, als ließen sie sich mit Gold stillen. Ich schicke morgen die alte Asnath hieher und frage an, womit man etwa helfen könnte. Sieh' Dich vor, Nefert, da kommt die Prozession. Wie ungezogen die Leute drängen! Sobald der Gott vorüber ist, gehen wir nach Hause!«

      »Bitte,« sagte Nefert, »ich ängstige mich so sehr!« Bei diesen Worten schmiegte sie sich zitternd an die Prinzessin.

      »Ich wünschte auch, daß wir zu Hause wären,« entgegnete Bent-Anat.

      »Seht doch nur!« rief Rameri. »Da sind sie! Nicht wahr, das ist herrlich! Und wie das Herz jetzt leuchtet, als war' es ein Stern!«

      Alles Volk und mit ihm unsere Freunde warfen sich aus die Kniee.

      Ihnen gegenüber hielt die Prozession, wie immer, wenn sie tausend Schritte zurückgelegt hatte; ein Herold trat vor und pries mit weithin schallender Stimme das große Wunder, zu dem vor Kurzem ein neues getreten war, denn das heilige Widderherz hatte beim Einbruch der Nacht zu leuchten begonnen.

      Seit seiner Heimkehr aus dem Hause der Balsamirer hatte der Paraschit Pinem keine Nahrung zu sich genommen und auf alle Fragen der geängstigten Seinen kein Wort erwiedert.

      Starr vor sich hinschauend murmelte er unverständliche Worte und griff oft mit der Hand an die Stirn. Vor einigen Stunden hatte er plötzlich laut aufgelacht, und sogleich war sein geängstigtes Weib in das Setihaus gegangen, um den Arzt Nebsecht zu rufen.

      Während ihrer Abwesenheit sollte Uarda ihrem Großvater die Schläfen mit den Blättern reiben, welche die Zauberin Hekt auf ihre Brust gelegt hatte, und da


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