Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman). Karl May

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Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman) - Karl May


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wollte er Sie bitten, und ich thue es hier in seinem Namen, ihm doch einen Vorschuß zu zahlen, damit er das Geld für das Material entrichten kann.«

      Er blickte sie vom Kopfe bis zu den Füßen an und sagte:

      »Ich werde ihm, wenn ich komme, das Geld bringen. Adieu!«

      Sie kehrte, innig vergnügt, nach oben zurück. Er ging wieder nach Hause. Als er sich dort umgezogen hatte, rieb er sich die Hände.

      »Zwei Fliegen, zwei Fliegen mit einer Klappe!« meinte er. »Dieser Fels ist einer der geschicktesten Arbeiter. Ich kann ihn gebrauchen, wie keinen Zweiten. Aber unehrlich muß er erst gemacht werden! Jetzt endlich habe ich ihn in den Händen! Das habe ich ja mit dem Maschinenschwindel bezweckt. Er soll noch heute arretirt werden! Muß er sich dann einmal unter die Diebe zählen lassen, so erhält er keine Arbeit mehr und fällt mir zu! Und dieses dralle, kernige Mädchen! Ein Appetitsbissen! Ah! Also seine Geliebte! Dieser Kerl hätte sie mir gar noch weggeschnappt! Aber gerade ihre Liebe zu ihm soll sie mir in die Falle bringen! Es klappt Alles so gut, daß ich zufrieden sein kann.«

      In der Mittagsstunde verließ er in einer anderen Kleidung wieder sein Palais und wendete sich einer der belebtesten Straßen zu, wo er in ein mechanisches und optisches Atelier eintrat.

      »Ist Herr Hartwig zu sprechen?« fragte er.

      »Ich bin es selbst,« antwortete der Herr, welchen er gefragt hatte.

      Die Arbeiter waren alle zu Tische gegangen, und darum pflegte der Prinzipal um diese Zeit stets selbst im Laden zu verweilen.

      »Womit kann ich dienen, mein Herr?« fragte er.

      »Mir mit nichts; aber ich denke, daß ich Ihnen dienen kann.«

      »So, so! Haben Sie vielleicht Etwas zu verkaufen?«

      »Nein, aber Etwas zu zeigen. Hier, Herr Hartwig!«

      Er zog eine Polizeimarke aus der Tasche und zeigte sie vor.

      »Ah, Sie sind Detective?« fragte der Ladenbesitzer.

      »Ja, wie Sie sehen! Arbeitet bei Ihnen ein gewisser Wilhelm Fels?«

      »Ja.«

      »Was ist das für ein Mensch?«

      »Es ist mein geschicktester und zuverlässigster Arbeiter.«

      »So, so! Hm, hm! Wirklich zuverlässig?«

      »Ja.«

      »Auch treu?«

      »Ich halte ihn dafür. Warum fragen Sie, mein Herr?«

      »Weil wir ihm schon längst wegen Dingen auf der Fährte sind, deren Erwähnung hier nichts zur Sache thut. Bei dieser Gelegenheit haben wir bemerkt, daß er Ihnen Material unterschlägt.«

      »Dazu halte ich ihn nicht für fähig.«

      »Ueberzeugen Sie sich! Er arbeitet Nächte lang zu Hause und verkauft die Maschinen und Instrumente in seinem Interesse. Gerade jetzt hat er wieder eine Maschine dastehen, welche er für einen Engländer fertigt. Es ist nicht gut, wenn Prinzipale allzu vertrauensselig handeln. Es werden dadurch immer mehr unehrliche Menschen fertig, mit denen dann doch wir unsere Noth bekommen.«

      »Herr, das ist viel gesagt!«

      »Aber es ist wahr! Ich hoffe, daß Sie diesem Schwindler das Handwerk legen, ehe er Ihnen noch größeren Schaden bereitet. Nachsicht und Milde ist da gar nicht angewandt.«

      »Sie sagen, er hat die Maschine zu Hause stehen?«

      »Ja. Sobald er vom Mittagessen zurück ist, können Sie hingehen und sich überzeugen.«

      »Das werde ich allerdings thun. Ich hoffe, daß ich ihn schuldlos finde; hat er mir aber wirklich Material unterschlagen, so lasse ich ihn ohne alle Nachsicht bestrafen. Ich kann nur ehrliche Leute bei mir beschäftigen, sonst ist es um die Ehre meiner Firma geschehen.«

      »Da haben Sie sehr Recht! Adieu!«

      »Leben Sie wohl, und meinen Dank für die Warnung.«

      Um ein Uhr kehrte Wilhelm Fels von seiner Mutter zurück und begann seine Arbeit von Neuem. Niemandem fiel es auf, daß der Prinzipal ausging. Das kam ja öfters vor. Er begab sich nach der Wasserstraße Elf, wo man ihn persönlich gar nicht kannte. Die Blinde war allein zu Hause.

      »Ist Herr Fels da?« fragte er.

      »Nein. Was wünschen Sie?«

      »Ich wollte ihm eine Privatarbeit in Auftrag geben. Nimmt er dergleichen an?«

      »Sehr gern, mein Herr. Könnten Sie nicht heute Abend wiederkommen?«

      »Das ist möglich. Aber lieb wäre es mir, eine Arbeit von ihm zu sehen. Hat er nicht so Etwas hier?«

      »O ja. Draußen in der Kammer steht eine Maschine, welche er für einen Engländer anfertigt.«

      Der Mechanikus betrachtete sich die Maschine, erkannte sein Material und ging. Aber er ging nicht direct nach Hause, sondern auf die Polizei, wo er sich einen Wachtmeister mitnahm. Eine Stunde später befand sich Wilhelm Fels in Untersuchungshaft.

      Es war gegen Abend desselben Tages, als sowohl Robert wie Marie ihre Arbeiten beendet hatten. Das Dunkel war bereits angebrochen, so daß Beide sich ihrer ärmlichen Kleidung nicht zu schämen brauchten. Sie gingen mit einander fort und trennten sich vor dem Laden, in welchem Marie ihre Stickerei abzugeben hatte.

      Marie trat ein. Es gab da noch mehrere Käufer zu bedienen; aber trotzdem wurde sie sofort von einer der Verkäuferinnen gefragt, was sie wünsche.

      »Ich bringe ein Stickerei,« sagte sie.

      »Wie heißen Sie?«

      »Marie Bertram.«

      »Geben Sie her und setzen Sie sich! Ich werde es der Madame sogleich melden!«

      Aber anstatt nach dem Cabinet zu gehen, in welchem die Principalin residirte, schlüpfte sie hinaus auf den Hof, schlug dort in einem Winkel das Papier auseinander, in welches die Stickerei geschlagen war, zog aus der Tasche ein kleines Fläschchen mit Oel hervor und schüttete einen großen Theil desselben auf die Stickerei. Dann legte sie das Papier wieder in die frühere Lage, zog die Schnure darüber und begab sich nun erst zur Madame.

      Marie wurde gerufen. Sie hatte Monate lang mit eisernem Fleiße an dieser Aufgabe gearbeitet. Sie wußte, daß alles zur besten Zufriedenheit gerathen sei und trat daher heiteren Antlitzes bei der strengen Dame ein.

      »Endlich fertig!« seufzte diese. »Diese Arbeit hat mir sehr viel Ärger bereitet. Sie ist von der Baronin von Helfenstein bestellt, welche längst mit Schmerzen darauf gewartet hat. Lassen Sie sehen!«

      Sie nahm das Packet, zog die Schnur ab, nahm das Papier hinweg und schlug die Arbeit auseinander. Kaum aber hatte sie den ersten Blick darauf geworfen, so stieß sie auch einen Ruf des Schreckes und der Entrüstung aus.

      »Herrjemine! Was ist denn das? Diese Stickerei schwimmt ja in Oel! Und das bringen Sie zu mir!«

      Marie erschrak bis auf den Tod. Die Dame hielt ihr die Arbeit vor die Augen. Die kostbare Seide war verdorben, die Spitzen, die Perlen, Alles, Alles war hin. Marie glaubte in die Erde sinken zu müssen, aber sie faßte sich und erklärte, daß das Oel weder daheim, noch unterwegs an die Stickerei gekommen sei. Da gab es denn neues Oel, nämlich Oel in's Feuer. Es folgte ein Auftritt, der sich gar nicht beschreiben läßt. Die Arbeiterinnen, die Verkäuferinnen, Alles eilte herbei, um zu sehen, daß es doch möglich sei, eine Stickerei im Werthe von mehreren hundert Thalern zu verderben. Marie war fast sinnlos vor Scham, Zorn und Schmerz. Das Ergebniß war, daß die Prinzipalin versuchen lassen wollte, ob der Schaden auf chemischem Wege beseitigt werden könne. Morgen Nachmittag drei Uhr sollte sie wiederkommen, um die Arbeit selbst zur Baronin zu tragen, welche sämmtliches Material geliefert hatte. Von einer Auszahlung des Arbeitslohnes war natürlich keine Rede, und zugleich erhielt sie die Versicherung, daß sie niemals wieder Arbeit bekommen solle.

      Sie wankte halb todt nach


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