Leichen bluten nicht - Roland Benito-Krimi 6. Inger Gammelgaard Madsen

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Leichen bluten nicht - Roland Benito-Krimi 6 - Inger Gammelgaard Madsen


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gerade billig gewesen. Ach, das mit den Garnelenschalen würde sie einfach überspringen, das klang nicht besonders lecker, und es gab wohl Platz für künstlerische Freiheit, auch wenn es um italienische Rezepte ging. Dann brauchte sie Benito nicht zu stören. Kochendes Wasser spritzte hoch auf ihre nackten Arme, als sie die Garnelen in den Topf schüttete. Sie fluchte ein bisschen und trat ein Stück vom Herd zurück. Es würde circa zwanzig Minuten dauern, bis der Reis war, wie er sein sollte. Sie schaute auf die Uhr und nippte wieder an dem Wein. Das sollte doch wohl passen. Sie hatte beschlossen, dass sie draußen sitzen würden, wenn schon fast eine Tropennacht vorhergesagt worden war. Während sie auf der Terrasse den Tisch deckte, spürte sie die Unruhe in ihrem Körper. Ihr letztes Date war lange her. Und war das hier eigentlich ein Date? Es war nicht leicht, mit einem so anspruchsvollen Job und einer Tochter Zeit zu finden. Beides hatte die letzten beiden Versuche ruiniert. Die Männer, die sie eines Abends in der Stadt getroffen hatten, als sie zusammen mit ihrer Freundin Geburtstag gefeiert hatte, zogen sich schnell zurück, als das Gespräch auf ihre Arbeit kam. Erst hatte sie gesagt, sie sei Ärztin, was ja nicht gelogen war. Fast sah es so aus, als würde es den Typen anmachen, aber als sie verriet, dass sie eine Ärztin für Tote war, hatte er plötzlich eine dringende Verabredung und rief auch nicht zurück, obwohl er um ihre Telefonnummer gebeten hatte. Daraus hatte sie gelernt. Beim nächsten Date erwähnte sie ihren Job erst gar nicht, aber als der Typ erfuhr, dass sie eine Tochter hatte, war auch er im Nu über alle Berge. Sie gab es auf und hatte sich jetzt lange Zeit abgesondert. Glaubte, sie hätte sich an den Verzicht gewöhnt und daran, nur für ihre Tochter und ihren Job zu leben. Dann traf sie ihn, und das hier war etwas ganz anderes. Aber wie würde er es aufnehmen, dass Amalie ein Teil ihres Lebens war und auch einer seines werden würde, wenn sich die Beziehung entwickelte? In ihren Unterhaltungen waren Kinder nie zur Sprache gekommen, das meiste war arbeitsbezogen gewesen. Einen Augenblick lang zog sie in Erwägung, all das zu verstecken, was von der Existenz ihrer Tochter zeugen könnte; Bilder und Spielzeug in einen Schrank zu packen und ihn abzuschließen. Doch sie schämte sich sofort für diesen Gedanken. Amalie war ihr Leben, sie sollte nicht für irgendjemanden versteckt werden. Dann lieber auf einen Mann verzichten, falls es darauf ankam.

      Sie hatte sich gerade für ein kurzes Sommerkleid entschieden, das ihr sexy genug, aber nicht zu aufreizend erschien, nachdem sie ihre gesamte Garderobe vor dem Spiegel anprobiert hatte, und ein leichtes Make-up aufgelegt, als es an der Tür klingelte. Sie warf einen Blick in den großen Spiegel und wuschelte ein bisschen durch ihre blonden, kurzen Haare, die von der Sonne noch weiter aufgehellt worden waren. Ein bisschen braun war sie auch geworden, als sie einige der sonnenreichen Wochenenden mit Amalie am Strand verbracht hatte; das beigefarbene Trägerkleid stand ihr. Sie wusste, dass sie viel jünger aussah als sie war, und warf ihrem Spiegelbild ein süßes Lächeln zu. Es wirkte allerdings ein wenig angestrengt. Mit einem Fingernagel entfernte sie schnell ein Stückchen Karotte, das zwischen ihren Zähnen steckte. Es machte nichts, dass er ein bisschen warten musste, dann wirkte sie nicht zu übereifrig. Auf dem Weg zur Tür sammelte sie Amalies Sachen dennoch zusammen, warf sie in ihr Zimmer und schloss die Tür.

      Glücklicherweise hatte er keine Blumen oder irgendetwas anderes dabei. Stand bloß da auf der Treppe, die Hände tief in den Hosentaschen seiner Jeans vergraben, und lächelte verlegen. Er sah das Ganze sicher nicht als Date. Er war bloß bei einer Kollegin zum Essen eingeladen. Oder?

      »Hi.«

      »Hi. Komm doch rein.« Sie öffnete die Tür ganz.

      Er betrat den Flur und roch an ihren Haaren, als er an ihr vorbeiging.

      »Du siehst toll aus. Ganz anders als in deinem gewöhnlichen Outfit.«

      »Danke gleichfalls. Du hast deinen Kittel auch im Schrank gelassen, wie ich sehe.«

      Er ging ins Wohnzimmer und schaute sich um. Kommentierte ihre Wohnungseinrichtung nicht; vielleicht mochte er sie nicht. Sein Stil war wohl etwas rauer und lockerer. Er zog die Lederjacke aus und legte sie über die Sofalehne. Sie konnte etwas von den Tattoos auf seinen Armen direkt unter den kurzen T-Shirt-Ärmeln sehen und überlegte mit klopfendem Herzen, ob sie wohl auf dem breiten Rücken weitergingen. Normalerweise mochte sie keine Tattoos und hatte auch nicht gewusst, dass er welche hatte, aber das, was sie sehen konnte, war von der schönen, nicht der prolligen Sorte. Sie nahm seine Jacke und hängte sie an der Garderobe auf, während er sich umsah. Sie roch nach Leder und nach ihm. Er war in den Garten gegangen. Sie schlich in die Küche, um nach dem Essen zu sehen.

      »Möchtest du ein Glas Wein?«, fragte sie, als sie merkte, dass er direkt hinter ihr stand. Er umarmte sie von hinten und küsste sie auf den Hals. Ein angenehmer Schauer durchfuhr sie und sie war kurz davor, ihn sofort ins Schlafzimmer zu zerren. Es war also ein Date.

      »Ich bin auf meiner Harley gekommen, deswegen sollte ich nicht zu viel trinken. Aber ein Glas zum Essen geht schon.«

      Sie freute sich darüber, dass das Essen gelungen war, obwohl sie das Rezept abgewandelt und der Reis ein bisschen zu lange gekocht hatte. Er verschlang ihn und die großen Garnelen, die während der Zubereitung eine schöne rote Farbe angenommen hatten, mit großem Appetit, aber ohne das geringste Lob an die Köchin. Aber das hatte sie auch nicht erwartet. So war er auch im Job. Anerkennende Worte für die Arbeit anderer lagen ihm offenbar nicht.

      »Erzähl mir von der USA-Tour mit dem Motorradclub«, sagte sie, als sie mit dem Dessert fertig waren, das sie auf Tiefkühl-Eis mit Beeren der Saison beschränkt hatte. Sie hatte die Gartenfackeln angezündet, die ein schummriges, weiches Licht auf sein Gesicht warfen. Er konnte nicht als gut aussehender Mann bezeichnet werden. Seine Gesichtszüge waren grob und rau, aber er hatte einen Charme, dem sie auf der Stelle verfallen war, als er zum ersten Mal in die Rechtsmedizin gekommen war. Ein bisschen wie Kris Kristofferson in Convoy aus dem Jahr 1978, den sie vor kurzem erst wieder mit einer Freundin auf DVD gesehen hatte. Sie kroch zu ihm auf die Gartenbank und winkelte die Beine an. Fühlte sich ein bisschen betrunken. Unter dem Tisch entdeckte sie Amalies rosafarbenen Plastikeimer, den sie mit ihrem Spielzeug darin immer im Garten hatte. Er hatte ihn anscheinend nicht gesehen, und es war ihr auch egal, hatte sie beschlossen. Wann und wie sollte sie es ihm sagen? Er war ein freier Vogel, reiste herum auf seinem Motorrad und – das hatte sie im Gefühl – war kein Mann, der sich binden wollte. Erst recht nicht an ein Kind. Das eines anderen. Aber war das nicht das, was sie wollte? Einen Vater für ihre Tochter? Vielleicht sollte sie ihm einfach von ihr erzählen und es hinter sich bringen, aber sie beschloss, noch zu warten. Seine Nähe und den Sommerabend zu genießen. Sie schloss die Augen, während er ihr von den großen Weiten der USA, der Route 66, dem Staub, der Hitze und den großen, amerikanischen Beefsteaks erzählte. Sie lachte über seine Witze und fühlte sich richtig wohl.

      »Habt ihr in dem Sarg etwas gefunden?«, wollte sie wissen, als sie eine Weile schweigend dagesessen und den letzten musikalischen Vogelstimmen des Tages gelauscht hatten, die langsam verstummten.

      »Nee, da war nichts. Wir haben nur Haare gefunden, die zur Analyse geschickt wurden.«

      Natalie richtete sich auf und schaute ihn an. »Die Haare des Verstorbenen?«

      »Das glaube ich nicht. Es waren wohl Tierhaare.«

      »Tierhaare? In einem Sarg?«

      »Das wird sich zeigen, wenn wir die Ergebnisse bekommen.«

      Natalie trank den letzten Schluck Wein aus ihrem Glas. Er hatte nur ein einziges Glas zum Essen getrunken. Sie respektierte, dass er lieber nüchtern blieb, wenn er Motorrad fuhr. Obwohl er ja immer noch bei ihr übernachten könnte, wenn es sein müsste.

      »Es gibt also keine Spur von der Leiche?«, fragte sie.

      »Nein, ich glaube, die hat nie in diesem Sarg gelegen. Aber was ist wohl aus dem, von dem sie dachten, sie hätten ihn begraben, geworden? Weiß Benito etwas?«

      »Benito und seine Leute tun, was sie können, aber es ist ja kein leichter Fall …«

      »Vielleicht hatte ich ja Recht. Der Junge ist möglicherweise zu einem Zombie mutiert, hat sich ausgegraben und seinen Vater getötet.«

      »Jetzt hör aber mal auf mit dem Quatsch, Oliver. Über so was macht man keine Witze.«

      Schnell


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