Ellingham Academy - Die Botschaft an der Wand. Maureen Johnson

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Ellingham Academy - Die Botschaft an der Wand - Maureen  Johnson


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Gertie die Nase wieder in ihrer Zeitschrift.

      Als sie sicher in ihrem Zimmer angelangt war, legte Francis ihre Sachen aufs Bett. Albert Ellingham hatte die Schülerunterkünfte zwar mit allem Nötigen ausgestattet, allerdings waren die Möbel sehr schlicht gehalten, weswegen Francis’ Familie sie mit einem ganzen Lieferwagen voller Luxusgüter zur Schule geschickt hatte – Bettwäsche von Bergdorf Goodman, ein seidenbespannter Paravent, Fellteppiche, mehrere große Spiegel, eine französische Kommode, eine Vitrine aus Walnussholz für ihre Schminksachen und Badeöle, ein Bürsten- und Kammset aus Silber und ein Frisiertisch, auf dem Letztere erst richtig zur Geltung kamen. Ihre Vorhänge waren handgenäht, genauso wie der spitzenverzierte Bettvolant. Sie zog ihre Jacke aus, warf sie auf den Schaukelstuhl und betrachtete sich selbst im Spiegel. Verschwitzt, verdreckt, die Bluse verknittert und falsch zugeknöpft. Es konnte kaum offensichtlicher sein, was sie in Wahrheit getrieben hatte.

      Das gefiel ihr. Sollten sie es doch alle sehen.

      Dann wandte sie sich wieder den Sachen auf ihrem Bett zu und vergewisserte sich, dass die Zeitschriften sicher in der Papiertüte verstaut waren. Sie hatte vor, sie später zu verbrennen, schob sie jedoch fürs Erste unters Bett. Wichtiger war das Tagebuch. Das musste immer gut versteckt sein. Sie überflog die Ergebnisse des vergangenen Nachmittags, las sich ein letztes Mal zufrieden das Rätsel durch und schob den Umschlag zurecht, der zwischen den Seiten steckte. Aber … irgendetwas fehlte. Panisch blätterte sie vor und zurück.

      »Francis!«, rief Miss Nelson.

      »Komme gleich!«

      Mehr hektisches Umblättern. Ihre Fotos! Die geheimen Bilder, die Eddie von ihnen geschossen hatte, auf denen er und Francis wie Bonnie und Clyde posierten. Einige mussten sich aus den Fotoecken gelöst haben und rausgefallen sein, als Eddie sie durch den Wald gejagt hatte. Dieser verdammte Hohlkopf! Genau das war der Grund, warum sie sich um alles selbst kümmern musste. Dieser Junge besaß einfach keinerlei Disziplin. Wer in Eile war, machte nur Fehler.

      »Francis!«

      »Ja!«, schrie sie.

      Jetzt war keine Zeit. Sie schob die Kommode beiseite, kniete sich auf den Boden und löste die Fußleiste von der Wand. Hastig stopfte sie das Tagebuch in das Loch dahinter und drückte die Fußleiste wieder fest. Dann strich sie sich notdürftig Kleider und Haare glatt und stellte sich den kritischen Blicken der Welt.

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      4

      Das Hauptquartier des Aktionskunstkollektivs Burlington war zu Fuß etwa zehn Minuten von dem Café in der Church Street entfernt, beziehungsweise sieben, wenn man den ganzen Weg mit einer riesigen Tüte voller Klamotten und Winterstiefel in der Hand rannte. Stevie guckte gar nicht erst auf die Uhr, denn knapp wurde die Zeit so oder so. Eigentlich war ihr selbst nicht ganz klar, was sie mit dieser Aktion bezweckte, aber sie hatte das Gefühl, etwas unternehmen zu müssen, und darum galt: Je weniger Hinderungsgründe (zum Beispiel die Frage danach, ob etwas durchführbar oder unbedingt vernünftig war), desto besser.

      Sie musste keine Hausnummern abgleichen, um zu wissen, dass sie richtig war. Das Kunstkollektiv lag in Fentons Wohngegend, einem Stadtteil voller viktorianischer Villen in höchst unterschiedlichen Erhaltungszuständen. Manche davon befanden sich im Besitz der Uni, andere waren zu Mehrfamilienhäusern umgebaut worden. Das Gebäude des Kunstkollektivs glich den übrigen in Größe, Form und Baustil, aber das war es auch schon mit den Gemeinsamkeiten. Es war in einem tiefen, irgendwie schmuddelig wirkenden Fliederton gestrichen mit dunkellilafarbenen Strahlen, die sich vom Giebel über die gesamte Fassade erstreckten. An den Balken der abgesackten Veranda hingen gut und gern ein Dutzend Mobiles aus alten Konservendosen, Glas- und Tonscherben, rostigen Schraubenmuttern und anderen Maschinenteilen und Steinen. In einer Makramee-Blumenampel steckte ein Schaufensterpuppenkopf, der sich verträumt im Wind drehte. Ein Bein der Puppe stand in der hinteren Verandaecke und diente als Aschenbecherständer. In einer Holzkiste an der Tür lehnten eine Schneeschaufel und ein Sack Katzenstreu.

      Stevie zog das Fliegengitter auf und klopfte an die weinrot lackierte Eingangstür. Ein Typ mit Patchworkhose und dicker Strickmütze, aber dafür mit freiem Oberkörper, machte auf.

      »Hi«, sagte Stevie. Dann hatte sie einen kleinen Aussetzer, als ihr bewusst wurde, dass sie zu diesem seltsamen Haus gekommen war, um mit den vermutlich genauso seltsamen Leuten darin über etwas zu reden, worüber sie sich im Grunde selbst noch nicht ganz klar war. Da sie nicht wusste, was sie sagen sollte, hielt sie einfach den Flyer hoch und zeigte auf das Foto.

      »Ellie war eine Freundin von mir. Ich glaube, sie war öfter mal hier …«

      Schweigen.

      »Ich dachte mir … Ich … ich versuche bloß herauszufinden …«

      Der Typ trat zurück und hielt einladend die Tür auf.

      Das Hauptquartier des Aktionskunstkollektivs Burlington war ziemlich groß. Eine Wand war komplett hinter Bücherregalen verschwunden, vollgestopft bis unter die Decke. Weiter hinten gab es eine kleine Bühne mit einem alten Klavier und einem Haufen anderer Instrumente. Wohin man auch blickte, alles war voller Zeugs. Federboas und Zylinder, halb fertige Töpferprojekte, Trommeln, Yogamatten, Kunstbücher, eine einsame Querflöte, die in einem leeren Aquarium steckte … An einer Wand lag eine Matratze mit zerwühltem Bettzeug auf dem Boden; offenbar diente dieser Bereich jemandem als Schlafzimmer. Die Decke zum nächsten Stockwerk war offen und gab den Blick auf eine breite, mit einem weißen schmiedeeisernen Geländer abgetrennte Empore frei, von der mehrere Transparente hingen. Über allem hing schwerer Salbeiduft.

      Außerdem stand in diesem Haus ein Baum. Kein lebendiger – vielmehr sah es aus, als wäre er gefällt und anschließend im Ganzen hineinmanövriert worden. Er füllte eine Ecke des Erdgeschosses aus und erstreckte sich bis hoch in die erste Etage. Stevie hatte keinerlei Zweifel daran, dass das hier Ellies Freunde waren. Genauso musste es in Ellies Kopf ausgesehen haben.

      »Ich, äh …«

      Der Typ deutete auf die Empore. Stevie legte verwirrt den Kopf schief.

      »Soll ich …«

      Wieder der ausgestreckte Finger.

      »… da oben hin?«, fragte sie.

      Er nickte.

      »Ich? Soll da rauf?«

      Er nickte erneut und diesmal zeigte er auf eine schmale Wendeltreppe im hinteren Bereich, dann marschierte er zur nächsten Wand und machte einen Kopfstand. Während Stevie die Treppe hochging, fiel ihr auf, dass an den Zweigen des Baums Papierschnipsel befestigt waren. Darauf standen Sachen wie »Denk dir den Himmel« und »Jetzt ist nicht die Zeit, jetzt ist die Zeit«. In der oberen Etage saß ein Mädchen auf einem Stapel Kissen und für einen kurzen Moment dachte Stevie, sie hätte Ellie vor sich. Ihr Haar war zu kleinen verfilzten Knoten gebunden, sie trug ein schlabbriges T-Shirt mit dem Aufdruck »Withnail & I« und eine ausgeblichene Micky-Maus-Leggings. Als Stevie sich ihr näherte, sah sie von ihrem Laptop auf und schob ihre Kopfhörer von den Ohren.

      »Hey«, sagte Stevie. »Entschuldige.«

      »Man sollte sich niemals zur Begrüßung entschuldigen«, erwiderte das Mädchen.

      Da war was dran.

      »Der Typ unten hat mich reingelassen. Er meinte, ich soll hochgehen. Oder eigentlich hat er nur nach oben gezeigt …«

      »Paul ist gerade in einer Schweigephase«, sagte das Mädchen, als wäre damit alles erklärt.

      »Oh, okay. Ich bin Stevie. Ich bin … war … eine Freundin von Ellie …«

      Kaum dass die Worte aus Stevies Mund waren, sprang das Mädchen auf und schlang die Arme um sie. Sie roch süßlich-ungeduscht mit einem Hauch von Räucherstäbchen und war bemerkenswert durchtrainiert, vermutlich das Resultat täglicher intensiver Yogaeinheiten. Stevie fühlte sich


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