Der arme Jack. Фредерик Марриет

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Der arme Jack - Фредерик Марриет


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dass all mein Geld für nichts und wieder nichts weggeworfen ist.“

      Ich blickte auf den Tisch und bemerkte, dass sie an einem schwarzen Kleidchen und Hütchen gearbeitet hatte, um die kleine Virginia in Trauer zu hüllen, denn sie versäumte nie eine Gelegenheit, um meine Schwester aufzuputzen.

      „Fünfzehn gute Schillinge sind zum Fenster hinausgeworfen — nur durch Dein dummes Zurückkommen. Deine Schwester hätte so schön und interessant darin ausgesehen. Das arme Kind! und jetzt werden ihre Hoffnungen zu Wasser. Doch lass Dir’s nicht zu Herzen gehen, mein Liebling; Du wirst Dein Kleid doch bald tragen, wenn er in dieser Weise fortmacht.“

      Virginia schien sich’s durchaus nicht zu Herzen gehen zu lassen, denn sie küsste und pätschelte mich, wie sie denn überhaupt hoch erfreut war mich wiederzusehen. Aber meine Mutter ergriff sie bei der Hand, nahm den halbgefertigten Anzug und das Hütchen unter den Arm, und ging mit ihr die Treppe hinauf nach ihrem Zimmer, unterwegs vor sich hinsingend:

      „Es war einmal ein alter Mann,

      Der lebt’ in einem Loch,

      Und wenn er nicht gestorben ist,

      So lebt er immer noch.“

      „Das ist mir eine saubere mütterliche Liebe! hole sie der Henker, aus was mag doch ihr Herz bestehen,“ liess sich eine Stimme vernehmen.

      Ich wandte mich um: es war der alte Ben, der unbemerkt die Scene mit angesehen hatte.

      Zehntes Kapitel.

      In welchem ich den glücklichsten Vorfall in meinem Leben erzähle und Ben, der Wallfischjäger, mir eine sehr sonderbare Geschichte anvertraut.

      Unter den Pensionären befand sich einer, den ich dem Leser vorstellen muss, da er in dieser Geschichte eine bedeutsame Rolle spielt. Er hiess Peter Anderson und stammte aus dem Norden — wie ich glaube von Greenock. Er hatte viele Jahre als Geschützmeistersmate gedient, war in einem Treffen schwer verwundet worden und hatte dann sein Unterkommen zu Greenwich gefunden. Im Greenwich-Hospitale war er Hochbootsmann, das heisst, er hatte die Aufsicht über einen Saal mit fünfundzwanzig Mann, und Ben, der Walfischjäger, war ihm in der letzten Zeit als Mate beigegeben worden. Er hatte eine gute Schule genossen und viel gelesen, so dass man ihm kaum eine Frage vorlegen konnte, auf die er nicht eine befriedigende Antwort bereit hatte. In Streitsachen, namentlich wenn sie gewisse Punkte des Dienstes betrafen, den er an den Fingern herzählen konnte, ward er stets als Schiedsrichter aufgerufen; auch war er obendrein ein sehr religiöser, rechtschaffener Mann. Ich hörte ihn nie fluchen, er wies im Gegenteile diejenigen zurecht, welche sich in seiner Gegenwart eine derartige Unanständigkeit erlaubten. Er hatte sich im Dienst einiges Geld erspart; die Interessen davon samt seiner Hochbootsmannslöhnung setzten ihn in den Stand, nicht nur sich viele kleine Bequemlichkeiten zu verschaffen, sondern auch gegen andere freigebig zu sein. Ehe Ben nach Andersons Saal versetzt worden war, hatten sie sich gegenseitig nicht sonderlich gekannt; aber seit dieser Zeit waren sie fast stets beisammen, so dass ich jetzt auch mit Anderson vertraut wurde, den ich zuvor nur vom Ansehen gekannt hatte. Er war ein sehr ehrwürdig aussehender Greis mit grauen Locken, die ihm bis auf die Schultern niederhingen, zugleich aber auch ein stämmiger, herzlicher alter Knabe, und da ihm Ben von mir erzählt hatte, so schenkte er mir bald Aufmerksamkeit und schien viel Interesse an mir zu nehmen. Als ich nach der im vorigen Kapitel erzählten wunderbaren Rettung zurückkehrte, teilte ihm Ben das Benehmen meiner Mutter mit. — Ein paar Tage nachher brach sich die Kälte, und als ich die Männer besuchen wollte, traf ich beide, wie sie sich eben in dem gemütlichen Sonnenschein wärmten.

      „Wie steht’s, Jack?“ sagte der alte Ben. „Hast Du nicht Lust, einen abermaligen Ausflug den Strom hinunter zu machen?“

      „Wenn ich wieder gehe,“ versetzte ich, „so hoffe ich meine sechs Pence leichter zu verdienen.“

      „Es ist ein wahres Wunder, dass Du davon kamst,“ sagte Peter Anderson. „Du darfst dem Allwissenden wohl recht dankbar für Deine Rettung sein.“

      Ich machte grosse Augen, denn ich hatte nie zuvor gehört, dass dieser Ausdruck auf die Gottheit angewendet werde.

      „Ihr meint wahrscheinlich Gott,“ sagte ich endlich, denn ich dachte mir, er könnte kaum etwas anderes darunter verstehen.

      „Ja, Knabe; hat Dich Deine Mutter nie diesen Namen kennen gelehrt?“

      „Sie lehrte mich gar nichts, denn alle Gebete, die ich weiss, habe ich meiner Schwester abgelauscht.“

      „Und was weisst Du denn, Jack?“

      „Ich kann das Vaterunser und das ‚nun ich mich schlafen lege‘; das ist, glaube ich, alles.“

      „Wie alt bist Du jetzt, Jack?“

      „Ich bin drei Jahre älter als Virginia. Ich hörte die Mutter sagen, dass letzthin ihr sechster Geburtstag gewesen sei; vermutlich bin ich also neun.“

      „Kannst Du das ABC?“

      „Ja, einiges davon; ich lernte es auf den Booten.“

      „Aber Du kannst nicht lesen?“

      „Nein, kein Wort.“

      „Hat Dir Deine Mutter nie etwas von der Bibel gesagt?“

      „Mir nicht; aber ich hörte, wie sie mit Virginia davon sprach.“

      „Gehst Du nie zur Kirche?“

      „Nein, nie — die Mutter nimmt die kleine Virginia mit; von mir sagt sie aber, ich sei zu zerlumpt und zu ungentil.“

      „Warum vernachlässigt Dich Deine Mutter? Vermutlich bist Du ein schlimmer Knabe?“

      „Das ist er nicht,“ nahm Ben das Wort; „der Grund liegt nicht darin. Doch davon ist jetzt nicht die Rede, obschon ich Jack’s Partei ergreifen muss. Fahrt fort, Peter.“

      „Möchtest Du gerne lesen lernen, Jack?“ sagte Anderson. „Und möchtest Du zuhören, wenn ich Dir die Bibel vorlese, bis Du sie selbst lesen kannst?“

      „Das wäre mir freilich lieb,“ versetzte ich. „Es giebt viele Knaben am Ufer, die sogar kleiner sind, als ich, und doch lesen und schreiben können.“

      Peter Anderson versprach mir, mich zu unterrichten, vorausgesetzt, dass ich mich gut aufführe. Er sagte, ich solle jeden Nachmittag um sechs Uhr nach seiner Kajüte kommen (eine Zeit, welche meinem Berufe als „armer Jack“ etwas ungelegen kam); er wolle mir dann Unterricht erteilen. Ehe er noch ausgesprochen hatte, schickte einer der Hospitalleutnants nach ihm, und Ben blieb zurück, um mir zu beweisen, wie wertvoll es mit der Zeit für mich sein würde, wenn ich lesen und schreiben könne.

      „Ich selbst habe keine Schule genossen, Jack,“ sagte er, „und weiss daher diesen Mangel zu würdigen. Hätte ich Lesen und Schreiben verstanden, so könnte ich jetzt etwas Besseres sein, als ein armer Greenwich-Pensionär, obschon ich Gott danke, dass ich nichts Schlimmeres bin. Seit ich ein Mann bin, habe ich es nur ein einziges Mal bereut, dass ich nichts gelernt habe — nämlich mein ganzes Leben lang. Ja, Jack, ich wollt’ diesen meinen rechten Arm darum geben, — freilich ist er jetzt nicht mehr viel wert, aber zu seiner Zeit konnte er eine Harpune bis ans Heft werfen — aber doch ist ein rechter Arm ein rechter Arm bis ans Ende unserer Tage, dennoch würde ich ihn mit Freuden hingeben, wenn ich lesen und schreiben könnte. Nun, aus dem Schreiben machte ich mir nicht so viel, aber ich gäbe ihn her, wenn ich nur Gedrucktes lesen könnte, denn dann wäre ich im stande, wie Peter Anderson, die Bibel zu lesen. Siehst Du, Jack, wenn wir an Sonntagen in die Kapelle gehen, so ist unter zehn von uns nicht einer, der mit seinem Buche dem Pfarrer folgen kann. Wir müssen eben zuhören, und wenn er fertig ist, sind wir’s auch — wir müssen dann warten, bis er wieder predigt. Muss ich mich also nicht schämen, Jack, dass ich nicht lesen kann, und darf nicht jeder, der es versteht, stolz darauf sein? — Nein, nicht stolz, aber dankbard). In unseren jungen Tagen, Knabe, denken wir nicht viel an die Bibel; aber wenn wir unsere Anker für die andere Welt zu lichten im Begriffe sind, so tragen wir Verlangen, unsere Zweifel und Bedenken wegzulesen. Sie ist die einzige Karte, nach der Du sicher


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