Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane. Felix Dahn

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Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane - Felix Dahn


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Wir, erwachsen im Schatten des Kapitols, haben diese Wahl nicht. Hier gehn die Schauer von mehr als tausendjährigem Heldentum. Hier kann kein feiger Gedanke laut werden. Ihr könnt nicht wieder die Barbaren ihre Rosse binden sehen an die Säulen des Trajan. Eine letzte Anstrengung gilt es. Früh reift das Heldenmark in den Knaben des Romulus und Cäsar; spät weicht die Kraft aus den tibertrinkenden Männern. Ich rufe die Knaben vom zwölften, die Männer bis zum achtzigsten Jahre auf die Wälle. Still! Murrt nicht! Ich werde meine Tribunen mit den Lanzenträgern von Haus zu Haus gehen lassen: nur um zu hindern, daß nicht allzu zarte Knaben, allzu müde Greise zu den Waffen greifen. Was murrt ihr da drüben? Weiß jemand bessern Rat der Verteidigung? Er gebe ihn: laut, von diesem Platz herab, den ich ihm dann räumen werde.»

      Da ward es still an der Stelle, wohin der Blick des Präfekten geblitzt.

      Aber hinter ihm erhob sich, bei denen, die sein Auge nicht bändigen konnte, grollendes Gemurmel. «Brot!» – «Übergabe!» – «Friede!» – «Brot!»

      Cethegus wandte sich. «Schämt ihr euch nicht? So viel habt ihr ertragen, eures Namens würdig. Und nun, da es noch kurze Zeit gilt, auszuharren, wollt ihr erlahmen? In wenigen Tagen bringt Belisar Entsatz.»

      «Das hast du uns schon siebenmal gesagt.» – «Und nach dem siebenten Male verlor Belisar fast alle Schiffe.» – «Die helfen jetzt mit, unsern Hafen sperren.» – «Du sollst uns eine Frist, ein Ende setzen dieses Elends. Denn mich erbarmt es dieses Volks.»

      «Wer bist du?» fragte Cethegus den unsichtbaren Redner. «Du kannst kein Römer sein.»

      «Ich bin Pelagius der Diakon, ein Christ und ein Priester des Herrn. Und ich fürchte nicht die Menschen, sondern Gott. Der König der Goten, obwohl ein Ketzer, soll versprochen haben, in allen Städten, die sich unterwerfen, die Kirchen, die seine Mitketzer, die Arianer, den Rechtgläubigen entrissen, zurückzugeben. Schon dreimal soll er Herolde an die Bürger Roms gesendet haben mit gütigsten Bedingungen – man hat sie nie zu uns sprechen lassen.»

      «Schweig, Priester. Du hast kein Vaterland als den Himmel, keinen Staat als das Reich Gottes, kein Volk als die Gemeinde der Heiligen, kein Heer als die Engel. Bestelle du dein himmlisch Reich. Männern überlaß das Reich der Römer.»

      «Aber der Mann Gottes hat recht.» – «Eine Frist!» – «Einen nahen Termin!» – «Bis dahin wollen wir noch ausharren.» – «Doch verläuft er ohne Entsatz –» – «Dann Übergabe!» – «Dann öffnen wir die Tore.»

      Aber diesen Gedanken scheute Cethegus.

      Wußte er doch, seit langen Wochen ohne alle Kunde von der Außenwelt, durchaus nicht, wann etwa Belisar vor der Tibermündung erscheinen konnte. «Wie?» rief er. «Soll ich euch eine Frist setzen, wie lang ihr noch Römer sein wollt und von wann ab Memmen und Sklaven? Die Ehre kennt keine Termine.»

      «So sprichst du, weil du selbst nicht mehr an Entsatz glaubst.»

      «So spreche ich, weil ich an Euch glaube.»

      «Aber wir wollen es so. Wir alle. Hörst du? Du sprachst ja immer von der römischen Freiheit. Wohlan, sind wir frei oder dir verfallen, wie deine Söldner? Hörst du? Wir fordern einen Termin. Wir wollen es!» – «Wir wollen es!» wiederholte der Chor.

      Da schollen, ehe Cethegus erwidern konnte, Tubarufe von der Südostecke des Forums her: von der sacra Via strömten Volk und Bewaffnete gemischt heran, in ihrer Mitte zwei Reiter in fremden Waffen.

      Neuntes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Lucius Licinius sprengte ihnen allen voraus, sprang ab und flog die Rednerbühne hinan. «Ein Herold der Goten! Ich kam zu spät, ihn wieder, wie sonst, abzuweisen. Die verhungernden Legionäre am tiburtinischen Tor ließen ihn herein.»

      «Nieder mit ihm! Er darf nicht reden», sprach Cethegus, sprang die Tribüne herab und zog das Schwert.

      Aber die Menge erriet ihn. Jubelnd, schützend umdrängte sie den Herold. «Friede! Heil! Brot!» – «Friede! Hört den Herold!»

      «Nein, hört ihn nicht», donnerte Cethegus. «Wer ist Präfekt von Rom? Wer verteidigt diese Stadt? Ich: Cornelius Cethegus Caesarius. Und ich sage: hört ihn nicht.»

      Und mit dem Schwert warf er sich vorwärts.

      Aber dicht, wie ein Bienenschwarm, geballt, hemmten Weiber und Greise seinen Weg, während die Bewaffneten den Herold schützend umwogten.

      «Sprich, Bote, was bringst du?» forschten sie.

      «Frieden und Erlösung», rief Thorismut und schwenkte seinen weißen Stab. «Totila, der Italier und der Goten König, entbietet euch Huld und Gruß und fordert freies Geleit, euch Wichtiges zu künden und den Frieden.»

      «Heil ihm!» – «Hört ihn!» – «Er soll kommen!»

      Cethegus war eilig zu Pferd gestiegen und ließ seine Tubabläser die Schlachtfanfare schmettern.

      Da wurde es still auf dem Forum.

      «Höre, Herold: ich, der Befehlshaber dieser Stadt, verweigere das Geleit. Jeden Goten, der die Stadt betritt, werd’ ich als Feind behandeln.»

      Aber da erscholl tausendstimmiges Geschrei der Wut.

      Ein Bürger erklomm die Rednertribüne. «Cornelius Cethegus, bist du unser Tyrann oder unser Beamter? Wir sind frei. Und oft hast du’s gerühmt: das Höchste ist in Rom des römischen Volkes Majestät. Wohlan, das römische Volk befiehlt, den König zu hören. Befiehlst du das nicht, Volk von Rom?» –

      «Wir wollen es!» – «Es ist Gesetz», brüllten die Quiriten. «Hast du’s vernommen? Willst du dem Volk von Rom gehorchen oder trotzen?»

      Cethegus stieß das Schwert in die Scheide. Thorismut sprengte davon, seinen König zu holen.

      Der Präfekt winkte die jungen Tribunen an sich heran.

      «Lucius Licinius», befahl er, «aufs Kapitol. Salvius Julianus, du deckst den untern, den Balkenstromriegel. Quintus Piso, du deckst den oberen, den Kettenriegel. Marcus Licinius, du hältst die Schanze, die den Aufgang vom Forum zum kapitolinischen Hügel und mein Haus beschützt. Der Rest der Söldner schart sich dicht hinter mir.»

      «Was willst du, Feldherr?» fragte Lucius Licinius, ehe er davoneilte.

      «Die Barbaren überfallen und verderben.»

      Es waren etwa noch fünfzig Reiter und hundert Lanzenträger, die nach Entsendung der Tribunen hinter dem Präfekten hielten.

      Nach kurzer banger Spannung schmetterte das gotische Heerhorn die heilige Straße herauf.

      Und von dorther bogen auf das Forum ein Thorismut und sechs Hornbläser, Wisand, der Bandalarius, mit der blauen Königsfahne der Goten, der König zwischen Herzog Guntharis und Graf Teja und noch etwa zehn Heerführer und Reiter, fast alle ohne Waffen: nur Teja zeigte deutlich das breite, gefürchtete Beil.

      Als eben der Zug sich aus dem Lager der Goten in Bewegung gesetzt hatte, durchs metronische Tor in die Stadt zu reiten, fühlte sich Herzog Guntharis am Mantel gefaßt: er sah neben seinem Pferd einen Knaben oder Jüngling mit kurzkrausem, goldbraunem Haar und blauen Augen und einen Hirtenstock in der Hand.

      «Bist du der König? Nein, du bist es nicht. Und jener dort? Das ist der tapfere Teja, der schwarze Graf, wie ihn die Lieder nennen.»

      «Was willst du, Bursche, von dem König?»

      «Ich will für ihn fechten unter seinen Heerleuten.»

      «Du bist noch zu jung und zart. Geh und komm nach zwei Sommern wieder: und hüte derweilen die Ziegen.»

      «Ich bin noch jung: aber nicht mehr schwach. Und Ziegen hab’ ich mir genug gehütet. Ha, ich seh’s: das ist der König.»

      Und er


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