Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane. Felix Dahn

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Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane - Felix Dahn


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portuensis im Süden, bei welcher über den Fluß der Riegel von Masten und dahinter der zweite von straffgespannten Ketten gezogen war.

      Auf dem linken Tiberufer hatte der Präfekt nur noch den kleinen, aber beherrschenden Abschnitt westlich vom Forum romanum inne, dessen Mittelpunkt das Kapitol bildete: abgegrenzt durch Mauern und hohe Schanzen, die sich von dem Tiberufer an den Fluß des kapitolinischen Hügels und um diesen östlich her bis an das Forum Trajans im Norden erstreckten, während sie im Rücken, im Westen des Kapitols, zwischen dem Circus flaminus und dem Theater des Marcellus, jenen preisgebend, dieses noch einschließend, bis an die fabricische Brücke und die Tiberinsel reichten.

      Der Rest des Tages verging den befreiten Römern in der Stadt mit jubelnden Festen bei Schmaus und Gelag. Auf den Hauptplätzen der ihm geöffneten Regionen ließ der König die achtzig vierspännigen Wagen voller Vorräte auffahren. Und um sie her lagerte sich auf den Steinen und rasch gezimmerten Bänken das hungernde Volk, Gott, den Heiligen und dem «besten König» dankend.

      Der Präfekt hatte sofort die Tore, die von jenem gotisch gewordenen Teil der Stadt durch die Mauern-und Schanzenreihen in sein Rom führten, zumal die Zugänge vom Forum romanum zum Kapitol, dann die porta flumentana, carmentalis und ratumena, sorgfältig verrammeln lassen und die geringe, ihm verbliebene Mannschaft mit raschem Feldherrnblick auf die wichtigsten Punkte verteilt: war es doch ungefähr derselbe Teil von Rom, den er schon früher, unter und gegen Belisar, besetzt gehalten hatte.

      «Salvius Julianus erhält noch hundert Isaurier für den Balkenriegel im Fluß! Die abasgischen Pfeilschützen eilen zu Piso an den Fluß an dem Kettenriegel. Marcus Licinius, der Rest der Schanze beim Forum.»

      Aber da meldete Lucius Licinius, der Rest der Legionäre, der an der Entscheidung auf dem Forum romanum nicht hatte teilnehmen können, weil er damals in dem nun abgesperrten Teil der Stadt auf Wache stand, werde sehr schwierig.

      «Ah», rief Cethegus, «der Dunst der Braten, um die ihre Vettern da unten die römische Ehre verkauft haben, steigt ihnen kitzelnd in die Nasen. Ich komme.»

      Und er ritt aufs Kapitol, wo diese Legionäre, etwa fünfhundert Mann, in Reih und Glied aufgestellt in finsterer, drohender Haltung standen.

      Langsam, prüfenden Auges ritt Cethegus die Front entlang. Endlich sprach er:

      «Euch wollte ich den Ruhm zuwenden, die Laren und Penaten des Kapitols gegen die Barbaren zu verteidigen. Ich hörte zwar, ihr zieht die Rinderkeulen da unten vor. Aber ich will’s nicht glauben von euch. Ihr werdet den Mann nicht verlassen, der euch nach Jahrhunderten wieder kämpfen und siegen gelehrt hat. Wer’s mit Cethegus hält und mit dem Kapitol, – der hebe das Schwert.»

      Aber keiner rührte sich.

      «Der Hunger ist ein stärkrer Gott, als der kapitolinische Jupiter», sagte er verächtlich.

      Da trat ein Centurio vor. «Es ist nicht das, Präfekt von Rom. Aber wir wollen nicht fechten gegen unsre Väter und Brüder, die nun auf Seite der Goten stehen.»

      «Als Geiseln sollte ich euch behalten für eure Väter und Brüder. Und ihnen, wenn sie stürmen, eure Köpfe entgegenwerfen. Aber ich besorge: es hielte sie nicht auf in ihrer Begeisterung, die aus dem Magen kommt. Geht! Ihr seid nicht würdig, Rom zu retten! Auf, Licinius, mit dem Tor! Laß sie dem Kapitol den Rücken wenden und der Ehre!»

      Und die Legionäre zogen ab: bis auf etwa hundert Mann, die unschlüssig stehen blieben, an ihre Speere gelehnt.

      «Nun? Was wollt ihr noch hier?» rief Cethegus, dicht an sie heranreitend.

      «Sterben mit dir, Präfekt von Rom!» rief einer.

      Und die andern wiederholten: «Sterben mit dir!»

      «Ich danke euch! Siehst du, Licinius, hundert Römer! Sind sie nicht genug, um neu ein Römerreich zu gründen? Euch geb’ ich den Ehrenplatz: ihr schirmt die Schanze, die ich mit Julius Cäsars Namen geschmückt.»

      Er sprang vom Pferd, warf die Zügel Syphax zu, rief seine Tribunen näher an sich heran und sprach: «Nun hört meinen Plan!»

      «Du hast schon deinen Plan?»

      «Ja, wir greifen an! Wie ich die Barbaren kenne, sind wir heute nacht vor jedem Angriff sicher. Sie haben eine Stadt gewonnen zu drei Vierteln. Dieser Sieg muß erst in hunderttausend Räuschen gefeiert werden, ehe sie an das letzte Viertel denken. Um Mitternacht wird das ganze Heer von goldlockigen Helden und Säufern in Jubel, Wein und Schlaf begraben sein. Und die hungrigen Quiriten da unten werden ihnen heute nicht nachstehen an Völlerei. Seht, wie sie schmausen und springen, mit Kränzen geschmückt. Und nur ein kleiner Teil der Barbaren erst ist in die Stadt gerückt. Das ist unsre Siegeshoffnung! Um Mitternacht brechen wir aus allen unsern Toren auf sie nieder – sie versehen sich keines Angriffs solcher Minderzahl – und schlachten sie im Schlaf.»

      «Dein Plan ist todeskühn», sprach Lucius Licinius. «Doch wenn wir fallen – das Kapitol wird unser Leichenstein.»

      «Du lernst von mir», lächelte Cethegus: – «die Worte, wie die Streiche. Mein Plan ist verzweifelt. Aber er ist der einzig mögliche. Jetzt – die Wachen sind bestellt? – gehe ich in mein Haus und schlafe zwei Stunden. Niemand wecke mich vorher. Nach zwei Stunden weckt mich.»

      «Du kannst jetzt schlafen, Feldherr?»

      «Ja, ich muß. Und ich hoffe: ich schlafe gut. Ich muß mich, wachend und schlafend, in mir selbst versammeln – nachdem ich das Forum romanum dem Barbarenkönig geräumt. Das war zuviel. Das heischt Erholung! Syphax, ich fragte schon gestern: ist kein Wein mehr aufzutreiben, rechts vom Tiber?»

      «Ich forschte, Herr: Nur in den Tempeln eures Gottes. Aber er ist, so sagten eure Priester, bereits geweiht, bestimmt zum Wunder des Altars.»

      «Das wird ihn nicht verdorben haben. Nehmt ihn den Priestern fort. Verteilt ihn unter die hundert Römer auf der Schanze des Cäsar. Es ist der einzige Dank, der mir zu spenden geblieben.»

      Und langsam ritt er, gefolgt von Syphax, seinem Hause zu. Vor dem Haupteingang hielt er an: auf Syphax’ Ruf erschien der Roßwärter Thrax. Cethegus sprang ab und klopfte des edeln Rappen Bug. «Der nächste Ritt wird scharf, mein Pluto, ob zum Sieg oder in die Flucht. Gebt ihm das weiße Brot, das für mich gespart ward.»

      Das Pferd ward in die Ställe neben dem Hauptgebäude abgeführt. Die Marmorraufen waren leer. Pluto teilte den weiten Stall nur noch mit des Syphax Braunen. Alle andern Rosse des Präfekten waren geschlachtet und von den Söldnern verzehrt.

      Durch das prachtvolle Vestibulum und Atrium schritt der Hausherr in die Bibliothek. Der alte Ostiarius und Schreibsklave Fidus, der den Speer nicht mehr tragen konnte, war der einzige Diener im Hause. Alle andern Sklaven und Freigelassenen lagen auf den Wällen: – lebend oder tot.

      «Reiche mir die Rolle mit dem Cäsar Plutarchs! Und den großen, mit Amethysten besetzten Becher – freilich wird’s kaum des Zaubers der Steine bedürfen – voll Wasser aus dem Springbrunnen.»

      Noch weilte der Präfekt in dem Büchersaal. Den Kandelaber, mit köstlichem Nardenöl gefüllt, hatte der Alte, wie in den Tagen des Friedens, entzündet. Cethegus warf einen langen Blick auf die Büsten, Hermen, kleinen Statuen, deren dunkle Schatten das Licht scharf auf den Estrich von kostbaren Mosaiken legte.

      Da prangten sie fast alle, die Helden Roms in Krieg und Frieden, in kleinen Marmorbüsten auf Sockeln und Fußgestellen mit kurzen Andeutungen der Namen. Von den mythischen Königen an durch die lange Reihe der Konsuln und Cäsaren bis auf Trajan, Hadrian und Constantin.

      Eine besondere dicht gedrängte Gruppe bildeten die eigenen Ahnen der «Cethegi». Schon war das leere Postament an die Wand gefestigt, das dereinst seine Büste aufnehmen sollte, die letzte an dieser Seite des Saales.

      Denn er war der letzte seines Stammes.

      Aber zur Linken zeigte sich noch, zur Fortsetzung bestimmt, ein ganzer Bogengang mit leeren Nischen. Nicht Ehe, aber Adoption sollte des Cethegus Namen weiterführen in glänzende Jahrhunderte. –

      Zu


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