Aristoteles: Metaphysik, Nikomachische Ethik, Das Organon, Die Physik & Die Dichtkunst. Aristoteles
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eine mehr wahr ist als das andere; allein trotzdem ist es möglich, dass dies andere doch geschieht und jenes nicht.
Dass nun das Seiende ist, wenn es ist und dass das Nicht-Seiende nicht-ist, wenn es nicht ist, dies ist allerdings nothwendig; allein trotzdem muss nicht alles Seiende nothwendig sein, noch alles Nicht-Seiende nothwendig nicht-sein; denn der Satz, dass alles bereits Seiende nothwendig ist, ist nicht derselbe Satz, mit dem, dass überhaupt Alles nothwendig sei; und das Gleiche gilt für das Nicht-Seiende.
Auch mit den sich widersprechend entgegenstehenden Aussprüchen verhält es sich ebenso; denn allerdings muss nothwendig Alles entweder sein oder nicht-sein und werden oder nicht-werden; aber man kann dies nicht trennen und nicht eines davon allein für nothwendig erklären. Ich meine, dass z.B. es nothwendig ist, dass morgen eine Seeschlacht entweder geschehen oder nicht-geschehen wird; aber deshalb ist es nicht nothwendig, dass morgen eine Seeschlacht erfolgen wird; und es ist auch nicht nothwendig, dass sie nicht-erfolgen wird; nur dass sie entweder erfolgt oder nicht-erfolgt ist nothwendig.
Da nun die wahren Aussagen sich so verhalten, wie die Gegenstände sich verhalten, so ist klar, dass überall da, wo die Gegenstände sich so verhalten, dass das Entgegengesetzte, je nach dem es sich trifft, eintreten kann, nothwendig auch die einander entgegenstehenden Aussagen sich so verhalten müssen. Dies ist nun der Fall bei Gegenständen die nicht immer sind oder die nicht immer nicht-sind. Bei diesen muss allerdings nothwendig die eine der sich widersprechenden Aussagen wahr oder falsch sein, aber nicht gerade die bestimmte eine oder die bestimmte andere, sondern so wie es sich trifft. Auch kann wohl die eine mehr wahr sein, aber doch nicht schon jetzt wahr oder falsch.
Hieraus erhellt, dass nicht nothwendig von jeder entgegengesetzten Bejahung und Verneinung die eine wahr und die andre falsch sein muss; denn so, wie mit den daseienden Dingen, verhält es sich nicht mit denjenigen nicht-seienden Dingen, die sein oder nicht sein können, vielmehr verhalten sich diese so, wie ich gesagt habe.
Zehntes Kapitel
Da die Bejahung etwas von einem Gegenstande aussagt und letzterer entweder einen Namen hat oder ein Namenloses ist, so muss in jeder Bejahung eins von Einem ausgesagt werden. (Ueber Namen und Namenloses habe ich schon früher gesprochen; denn Nicht-Mensch gilt mir nicht als ein Name, sondern nur als ein unbestimmter Name, da auch das unbestimmte irgend Eines bezeichnet; ebenso ist auch das: er geneset nicht, kein Zeitwort, wohl aber ein unbestimmtes Zeitwort.) Hiernach wird jede Bejahung und Verneinung entweder aus einem Namen und einem Zeitwort oder aus einem unbestimmten Namen und einem unbestimmten Zeitwort bestehen. Ohne ein Zeitwort giebt es weder eine Bejahung noch eine Verneinung; denn das ist und das wird-sein und das war und das wird, sind wie alle andern Worte dieser Art, nach dem, was ich früher hierüber aufgestellt habe, Zeitworte, da sie die Zeit hinzufügen. Deshalb wird die erste Bejahung und Verneinung sein: der Mensch ist; – der Mensch ist nicht; dann: der Nicht-Mensch ist; – der Nicht-Mensch ist nicht; weiter: jeder Mensch ist; – nicht jeder Mensch ist; und: jeder Nicht-Mensch ist; – nicht jeder Nicht-Mensch ist. Dasselbe gilt für die nicht gegenwärtigen Zeiten.
Wenn aber das ist als ein drittes hinzugefügt wird, so können die Gegensätze zweifach ausgesagt werden. Ich meine das so, wie z.B.: der Mensch ist gerecht; dieses ist kann in der Bejahung dem Hauptworte oder Zeitworte hinzutreten. Sonach werden dadurch vier Aussagen entstehen, von denen zwei in Bezug auf Bejahung und Verneinung der Zusammenstellung gemäss, sich wie Beraubungen verhalten werden und zwei nicht so. Ich meine das ist kann entweder dem gerecht, oder dem nicht-gerecht zugehören: und ebenso kann dies bei den verneinenden Sätzen geschehen, so dass sich also vier Sätze ergeben werden.
Dies wird man deutlicher aus den figurenartig neben einander gestellten Sätzen erkennen, wie folgt:
Der Mensch
Der Mensch
ist gerecht
ist-nicht gerecht
×
Der Mensch ist
Der Mensch ist-nicht
nicht-gerecht
nicht-gerecht
Hier gehört das Ist und das Nicht-ist einmal zu dem Gerechten und einmal zu dem Nicht-gerechten. Diese Sätze werden so geordnet, wie in den Analytiken dargelegt worden ist.
Ebenso verhält es sich, wenn die Bejahung des Hauptworts allgemein geschieht; also;
Jeder Mensch
Nicht-jeder Mensch
ist gerecht
ist gerecht.
×
Jeder Mensch ist
Nicht-jeder Mensch
nicht-gerecht
ist nicht-gerecht.
Nur stimmen hier die einander diametral gegenüberstehenden Sätze nicht ebenso in ihrem Inhalte überein, wie in der vorigen Zusammenstellung; doch kann auch dies manchmal der Fall sein.
Diese beiden Arten von Urtheilen in der Zusammenstellung bilden also Gegensatze; zwei andere Arten beziehen sich auf den Nicht-Menschen, als Unterliegendem, nämlich:
Der Nicht-Mensch
Der Nicht-Mensch
ist gerecht
ist nicht-gerecht.
×
Der Nicht-Mensch
Der Nicht-Mensch
ist – nicht gerecht
ist-nicht nicht-gerecht.
Mehr Gegensätze, als diese hier aufgeführten, wird es nicht geben; indess werden diese letzten Arten von Urtheilen von jenen beiden gesondert für sich bestehen, da sie sich des Nicht-Menschen als Hauptwortes bedienen.
Wo aber bei einzelnen Worten das ist nicht anwendbar ist, wie z.B. bei dem Urtheil: Er befindet sich wohl, oder: Er geht, da bewirkt das so beigefügte Wort dasselbe, als wenn das ist hinzugesetzt wäre; z.B.: Jeder Mensch befindet sich wohl, – jeder Mensch befindet sich nicht wohl – jeder Nicht-Mensch befindet sich wohl, – jeder Nicht-Mensch befindet sich nicht wohl. Man darf nämlich hier nicht sagen: nicht-jeder, sondern das nicht muss als Verneinung dem: Mensch hinzugesetzt werden, weil das jeder nicht den allgemein Gegenstand bezeichnet, sondern nur, dass etwas allgemein von ihm ausgesagt wird, wie sich aus folgenden Sätzen ergiebt: Der Mensch befindet sich wohl; – der Mensch befindet sich nicht wohl; – der Nicht – Mensch befindet sich wohl; – der Nicht-Mensch befindet sich nicht wohl. Diese Sätze unterscheiden sich von jenen nur dadurch, dass sie nicht allgemein lauten. Sonach besagt das jeder und das keiner nur, dass die Bejahung oder Verneinung von dem Hauptworte allgemein gelten solle, dagegen ist das Uebrige in gleicher Weise beizufügen.
Da von dem Satze: Jedes Geschöpf ist gerecht, diejenige Verneinung das Gegentheil ist, welche ausdrückt, dass kein Geschöpf gerecht ist, so ist klar, dass solche gegentheilige Sätze niemals beide zugleich von demselben Gegenstände wahr sein können; dagegen können Sätze, welche zu diesen sich widersprechend verhalten, manchmal zugleich wahr sein; so z.B. die Urtheile: Nicht-jedes Geschöpf ist gerecht; – und: ein Geschöpf ist gerecht.
Das Urtheil: kein Mensch ist gerecht, tauscht sich mit dem: jeder Mensch ist nicht-gerecht aus; ebenso tauscht sieh mit dem Urtheile: Ein Mensch ist gerecht, das entgegenstehende Urtheil: nicht jeder Mensch ist nicht-gerecht aus, denn dann muss nothwendig einer gerecht sein.
Auch erhellt hieraus, dass man bei Einzel – Urtheilen dann, wenn man das Gefragte in Wahrheit verneinen kann, die Antwort auch bejahend in Wahrheit ausdrücken kann; so z.B. auf die Frage: Ist Sokrates weise? – Nein; – also ist Sokrates nicht-weise. Aber bei allgemeinen Sätzen gilt nicht