Aristoteles: Metaphysik, Nikomachische Ethik, Das Organon, Die Physik & Die Dichtkunst. Aristoteles
Читать онлайн книгу.Aristoteles: Metaphysik, Nikomachische Ethik, Das Organon, Die Physik & Die Dichtkunst - Aristoteles
Ist jeder Mensch weise ? – Nein; – also, könnte man meinen, ist jeder Mensch nicht-weise; allein dieser Satz wäre falsch; dagegen ist der Satz; Nicht-jeder Mensch ist weise hier der wahre. Dies ist der widersprechend entgegenstehende Satz, jener aller der gegentheilige.
Die Sätze, welche mit unbestimmten Haupt-oder Zeitwörtern einander entgegenstehen, wie z.B. die mit Nicht-Mensch oder nicht-gerecht, könnte man vielleicht für Verneinungen ohne Hauptwort oder Zeitwort halten; allein dies sind sie nicht; denn der verneinende Satz muss immer entweder wahr oder falsch sein; wenn aber Jemand nur sagt: Nicht-Mensch, so hat er nicht mehr, sondern eher weniger etwas wahres oder falsches ausgesagt, als Derjenige, welcher Mensch sagt, sofern nichts hinzugesetzt wird. Auch bezeichnet der Satz: Jeder Nicht-Mensch ist gerecht, nicht dasselbe, wie jene früheren Sätze; und dies gilt auch von dem diesen entgegengesetzten Satze: nicht-jeder Nicht-Mensch ist gerecht; dagegen besagt der Satz: Jeder Nicht – Mensch ist nicht – gerecht, dasselbe wie der Satz: kein Nicht-Mensch ist gerecht.
Blosse Umstellungen der Hauptworte und der Zeitworte in einem Satze ändern dessen Bedeutung nicht; z.B.: weiss ist der Mensch – und: der Mensch ist weiss. Wäre die Bedeutung beider nicht dieselbe, so gäbe es mehrere Verneinungen ein und desselben Satzes, während doch gezeigt worden ist, dass es von jeder Bejahung nur eine Verneinung giebt; denn von dem Satze: weiss ist der Mensch, ist die Verneinung: nicht-weiss ist der Mensch. Wenn nun aber der Satz: der Mensch ist weiss, nicht dasselbe bedeutete, wie der Satz: weiss ist der Mensch, so müsste die Verneinung desselben entweder lauten: der Nicht-Mensch ist nicht-weiss, oder: der Mensch ist nicht-weiss. Allein der erstere ist die Verneinung des Satzes: der Nicht-Mensch ist weiss, und der andere ist die Verneinung des Satzes: der Mensch ist weiss, und es gäbe dann ja zwei Verneinungen von einem Satze.
Danach ist klar, dass auch bei Umstellung des Hauptwortes und Zeitwortes die Bejahung und Verneinung dieselben bleiben.
Elftes Kapitel
Eines von Vielem oder vieles von Einem bejahen oder verneinen ist weder eine Bejahung noch eine Verneinung, wenn nicht das durch die Vielen Bezeichnete eines ist. Ich nenne aber das keine Einheit, wo zwar ein Name vorliegt, aber keine Einheit aus jenen Vielen. So ist z.B. der Mensch wohl ein Geschöpf und zweifüssig und zahm, aber es entsteht auch aus diesen vielen eine Einheit; dagegen wird aus dem weissen und dem Menschen und dem zahm keine Einheit und deshalb wären auch im Fall man eine Bestimmung von ihnen bejahte, dies nicht eine Bejahung, sondern nur eine Aeusserung, aber mehrere Bejahungen. Ebenso sind es viele Bejahungen, wenn Jemand diese mehreren Worte von einem Gegenstande aussagt. Wenn nun die dialektische, in der Form von Entweder – Oder gefasste Frage eine Antwort verlangt, sei es auf den Vordersatz oder auf den andern gegensätzlichen Theil, so kann, da der Vordersatz nur der eine Theil des in der Frage enthaltenen Gegensatzes ist, auch die Antwort nicht eine sein; denn auch die Frage ist nicht eine, selbst wenn sie in ihrem Gegensatze richtig ist. In der Topik habe ich hierüber verhandelt. Zugleich erhellt, dass die Frage: Was ein Gegenstand sei, keine dialektische Frage ist; denn bei einer solchen muss die Wahl gegeben sein, welchen von beiden der sich widersprechenden Sätzen der Antwortende behaupten will; deshalb muss der Fragende bestimmter hinzufügen, ob z.B. der Mensch dieses, oder nicht dieses ist.
Da nun mehrere zusammengestellte Bestimmungen bald wie eine Aussage aller dieser besonderen Bestimmungen ausgesprochen werden, bald nicht wie eine, so fragt sich, worin hier der Unterschied, liegt. So kann man von dem Menschen in Wahrheit besonders aussagen, dass er ein Geschöpf ist, und auch besonders dass er zweifüssig ist; aber ebenso kann man beide Bestimmungen als eines aussagen. Ebenso kann man Etwas getrennt erst Mensch und dann weiss nennen, aber auch beides zusammen als eines aussagen; allein es ist nicht zulässig, dass wenn ein Mensch in besonderen Sätzen Schuhmacher und gut genannt weiden kann, er auch in einem Satze ein guter Schuhmacher genannt werden kann, denn es würde viel Verkehrtes herauskommen, wenn, weil jedes einzelne dieser Urtheile wahr ist, deshalb auch beide zusammen wahr sein sollten. In Bezug-auf einen einzelnen Menschen ist allerdings sowohl die Aussage: dass er ein Mensch ist wie dass er weiss ist richtig und deshalb sind auch beide vereint hier wahr. Nimmt man aber wieder das Weiss für sich und verbindet es mit dem Ganzen, so ergiebt sich das Urtheil, dass der weisse Mensch weiss ist und das geht ohne Ende fort. Nimmt man ferner die Bestimmungen: musikalisch, weiss, und gehend, so führen auch diese durch eine wiederholte Verbindung zu einer Reihe ohne Ende. Auch wenn Socrates, sowohl Socrates, wie Mensch ist, so ergiebt sich durch die Verbindung der Satz, dass der Mensch Socrates Socrates ist und wenn jemand Mensch und zweifüssig ist, so ergiebt sich, dass der zweifüssige Mensch Mensch ist.
Es ist also klar, dass viel Verkehrtes herauskommt, wenn jemand solche Verbindungen allgemein für zulässig erklären wollte; wie aber die Regeln hier aufzustellen sind, will ich jetzt sagen. So weit die ausgesagten Bestimmungen von den Gegenständen, von denen man sie aussagen kann, nur als nebensächliche ausgesagt werden, sei es nebensächlich in Bezug auf den Gegenstand selbst, oder sei die eine Bestimmung nebensächlich in Bezug auf die andere, so weit bilden sie keine Einheit. So ist z.B. ein Mensch weiss und musikalisch; aber weiss und musikalisch sind keine Einheit, denn sie hängen demselben Menschen nur nebenbei an. Auch wenn man das Weisse in Wahrheit musikalisch nennen könnte, so wäre doch das musikalische Weisse keine Einheit, denn das Musikalische wäre nur nebenbei weiss und deshalb ist das musikalische Weisse keine Einheit. Deshalb kann auch der Schuhmacher nicht schlechthin gut genannt werden, wohl aber kann er ein zweifüssiges Geschöpf genannt werden, da diese Bestimmungen ihm nicht blos nebenbei anhaften. Auch können alle Bestimmungen, welche schon in dem anderem enthalten sind, von diesem nicht ausgesagt werden. Deshalb kann man das Weiss nicht wiederholt weiss nennen, noch ist der Mensch ein Mensch-Geschöpf oder ein Mensch-Zweifüssler, denn in dem Menschen ist schon das Geschöpf und das Zweifüssige enthalten. Dagegen kann man von einem einzelnen Menschen sich überhaupt so ausdrücken; so kann man z.B. diesen bestimmten Menschen einen Menschen und diesen bestimmten weissen Menschen einen weissen Menschen nennen.
Indess ist dies nicht immer zulässig; vielmehr wird, wenn in dem vorliegenden Gegenstande etwas Entgegengesetztes enthalten ist, so dass von ihm das Widersprechende ausgesagt werden würde, das Urtheil dann nicht wahr sein; z.B. wenn man einen todten Menschen einen Menschen nennen wollte. Ist aber ein solches Entgegengesetztes nicht an demselben vorhanden, so ist das Urtheil richtig; oder vielmehr: Wenn etwas Gegensätzliches in dem Gegenstande enthalten ist, so ist das Urtheil allemal falsch; wenn aber ein solches nicht darin enthalten ist, so ist das Urtheil doch nicht allemal wahr. So sagt man z.B.: Homer ist etwas, z.B. ein Dichter. Ist nun hiernach Homer oder ist er nicht? Offenbar wird hier das ist nur nebensächlich von Homer ausgesagt, nehmlich dahin, dass er ein Dichter ist, aber dies ist wird nicht an – sich von Homer ausgesagt.
Sonach kann man alles Ausgesagte, was, wenn man auf seinen Begriff, statt auf den Namen achtet, mit dem Unterliegenden nicht im Widerspruche steht und was als ein An-sich und nicht blos nebensächlich demselben anhaftet, auch nach seinem Was schlechthin dem Unterliegenden in Wahrheit beilegen. Dagegen kann man das Nicht-seiende nicht deshalb, weil es ein Vorgestelltes ist, in Wahrheit als ein Seiendes bezeichnen; denn die Vorstellung desselben geht nicht dahin, dass es ist, sondern dass es nicht ist.
Zwölftes Kapitel
Nachdem dies auseinander gesetzt worden, habe ich zu untersuchen, wie sich die Bejahungen und Verneinungen des Möglich-seins und des Unmöglich-seins, sowie die des Statthaft– und Nichtstatthaft-seins zu einander verhalten und ebenso habe ich auch das Unmögliche und Nothwendige zu untersuchen, denn es bestehen hier einige Bedenken. Wenn nehmlich von diesen in einer Satzverbindung ausgesprochenen Bestimmungen diejenigen einander als widersprechend gegenüber stehen, welche nach dem Sein oder Nicht – sein einander gegenüber gestellt werden, so ist z.B. die Verneinung von Menschsein die: Mensch nicht-sein und nicht