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Читать онлайн книгу.runzelte finster die Stirn.
»Aber das ist nur die offizielle Zahl«, fuhr Yora fort. »Niemand außer vielleicht den Geheimdiensten weiß, wie viele ihrer angeblich minimal oder unbewaffneten Schiffe anderer Flottenabteilungen in kürzester Zeit kampffähig aufgerüstet werden können oder das im Geheimen schon sind. Ich schätze, dass wir es mit zehn Millionen kampffähigen Schiffen zu tun haben könnten, wenn sie alles aufbieten, was sie haben.«
Was aber gar nicht nötig wäre, denn um einen einzigen Planeten zu erobern – schutzschildgeschützt oder nicht –, brauchten sie nur einen Bruchteil ihres Kontingents. Und sobald sie die Kamurkristalle in den Händen hatten, genügte ein Viertel ihrer Flotte, um die IMU zu überrollen.
Al Mahdi sah Yora aufmerksam an. »Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung, Lieutenant?«
»Das ist eine strategische Überlegung, Sir. Nach allem, was wir über die Arsan-Völker wissen und über die Arsans selbst, leben sie für Eroberungen. Dieses Ziel aufzugeben ist keine Option für sie. Erst recht geben sie sich nicht mit einem erzwungenen Waffenstillstand zufrieden. Jeder fähige Stratege – und von denen dürften die Arsan-Völker eine ganze Reihe haben – fährt in der gegebenen Situation mindestens zweigleisig. Plan eins war die Sabotage der Tema-Vulkane. Plan zwei muss gewesen sein, bereits unmittelbar nach Beginn des Waffenstillstands aufzurüsten, aber im Geheimen, weil sie wissen, dass alle IMU-Geheimdienste ein scharfes Auge auf ihre Aktivitäten haben.
Wenn ich Arsan und davon überzeugt wäre, dass ich in absehbarer Zeit Kamurkristalle für meine Waffensysteme zur Verfügung habe, würde ich mich nicht damit aufhalten, Großkampfschiffe zu bauen, sondern kleinere, von denen ich hinsichtlich Materialverbrauch und Bauzeit erheblich mehr herstellen kann, als wenn ich mich auf große Schiffe konzentriere. Diese kleinen Schiffe sind kamurbetrieben pro Stück in ihrer Kampfkraft so viel wert wie ein größeres. Berücksichtigt man die potenzielle Herstellungszeit je kleinerem Schiff und rechnet sie auf fünfzehn Jahre hoch, dann ist die Wahrscheinlichkeit recht groß, dass die Arsan ihre Kampfflotte inzwischen fast verdoppelt haben und nur noch darauf warten, die Kamurkristalle in die Finger zu bekommen, um zum Großangriff nicht nur gegen die IMU zu blasen.«
Al Mahdi schüttelte den Kopf und fuhr sich erneut mit beiden Händen über das Gesicht. »Das ist ein Albtraum.«
Und zwar einer, den nicht nur Yora unter keinen Umständen erleben wollte. Allerdings sah sie keine Möglichkeit, wie die drohende Katastrophe abgewendet werden könnte. Und das bedeutete, dass der Krieg unvermeidlich war.
Al Mahdi sah Chen an. »Wann ist das Rendezvous mit dem Kurierschiff, das mich abholt?«
Chen warf einen Blick auf die Uhrzeit, die digital auf eine Wand des Raums projiziert wurde. »In vier Stunden.«
»Dann werde ich meine Sachen packen gehen. – Captain, Commander. Lieutenant.« Er nickte ihnen zu und eilte hinaus.
»Sie bleiben noch, Davidoff«, verlangte Chen, bevor Yora fragen konnte, ob sie noch gebraucht wurde.
Yora bewahrte ein gleichmütiges Gesicht. Garantiert bekam sie gleich einen Rüffel, weil ihre detaillierten Ausführungen Chen gegenüber al Mahdi hatten alt aussehen lassen.
»Was haben Sie mit Ihren Ausführungen bezweckt, Lieutenant?«, verlangte Chen prompt zu wissen. »Für eine Angeberin, die sich profilieren will, ist in meiner Crew kein Platz.«
»Ich habe lediglich die Fragen des Botschafters und die Ihren bestmöglich beantwortet, Captain.« Die reine Wahrheit. »Und dem Botschafter dadurch demonstriert, dass jedes einzelne Crewmitglied der MARU TAI auf dem eigenen Fachgebiet absolut kompetent ist. Die Fragen nicht so detailliert oder gar nicht beantworten zu können, hätte ein schlechtes Licht auf die MARU TAI geworfen und auf Sie als deren Kommandantin.«
Dagegen konnte Chen kaum etwas sagen. Commander Wendt lächelte leicht.
»Unsere nächste Aufgabe ist, zusammen mit anderen Schiffen Hilfsgüter, die wir auf Frachtbasis sieben-drei-drei laden werden, nach Tema zu bringen.« Chens Tonfall nach gefiel ihr der Auftrag nicht sonderlich. »Sorgen Sie dafür, dass alle nicht anderweitig benötigten Räume zu Frachträumen umfunktioniert werden.« Sie reichte Yora ein Datenpad. »Hier finden Sie die Liste aller Güter, die wir aufnehmen werden. – Wegtreten!«
Yora grüßte und verließ den Besprechungsraum. Die Räum–lichkeiten zu verändern, um die Fracht aufzunehmen, war eigentlich nicht ihre Aufgabe, sondern die der technischen Abteilung. Einer speziell ausgebildeten Unterabteilung oblag die Handhabung der verstellbaren Wände und Böden. Dass Chen Yora damit beauftragt hatte, war garantiert als Strafe gedacht. Da Yora ohnehin nichts anderes zu tun hatte außer Routineaufgaben, machte ihr das nicht viel aus. Und hätte es ihr etwas ausgemacht, wäre das sowieso nicht von Bedeutung gewesen, denn Befehl war Befehl. Sie machte sich an die Arbeit.
2.
Raumhafen Frachtbasis 733 auf Acubens 5
30. 04. 2403
Yora betrat Frachtraum 11 und kontrollierte zum wiederholten Mal die Ausmaße und die Verankerungen, mit denen die Container in Position gehalten wurden, sobald sie abgestellt worden waren. Die ersten zehn Frachträume waren bereits gefüllt und die Roboterkolonne mit den nächsten Containern auf dem Weg zu Nummer 11. Yora prüfte anhand des Displays neben der Eingangstür, ob der Boden und die Außenwände des Raums für die zusätzliche Last noch stabil genug waren.
Die Veränderungen der Räume in der Chamäleon-Klasse wurden durch ausklappbare Wand-, Decken- und Bodenteile erzeugt. Waren alle Teile eingeklappt, hatte man sehr dicke Wände, Böden und Decken. Je nachdem, wofür ein veränderter Raum genutzt wurde, regelten strenge Vorgaben, wie stark die verbliebenen Teile sein mussten. Davon hing ab, wie viele Trennteile man ausfahren konnte.
In diesem Fall waren aber etliche Teile eingeklappt worden, um mehr Platz zu schaffen. Die Mannschaftsunterkünfte waren verknappt und je zwei Crewmitglieder in eine Kabine verlegt worden, statt dass jeder wie üblich eine eigene Kabine hatte. Lediglich die Führungsoffiziere genossen noch das Privileg, allein zu wohnen. Alle Freizeiträume waren bis auf einen leer geräumt worden, und die Beiboote hatte man in nur einem einzigen Hangar untergebracht statt in den dreien, die dafür vorgesehen waren.
Yora stellte fest, dass in Frachtraum 11 alles in Ordnung war. Fast alles, denn die Raumgröße stimmte nicht mehr. Sie war in der Länge um 1,10 Meter verkürzt. Das wäre nicht weiter verwunderlich, wenn ein zusätzliches Separee für schmale Container gebraucht würde. Aber auf der Frachtliste standen keine solchen Container. Auch keine noch Schmaleren, von denen man je zwei hätte nebeneinanderstellen und stapeln können.
Und noch etwas war ungewöhnlich. Die Tür zu diesem Separee hätte von dem großen Vorraum aus erreichbar sein müssen, weil die Wandmodule entsprechend aufgebaut waren. Doch da war keine Tür.
Yora verließ den Frachtraum und ging auf dem Gang davor zu dem Teil der Wand, hinter dem sich das Separee befinden musste. Auch hier gab es keine Tür. Sie betrat Frachtraum 12. Möglicherweise war das Separee von hier aus eingerichtet worden, dann befand sich die Tür hier. Doch da war keine. Also blieb nur ein Zugang vom Hauptgang aus, der zwischen Frachtraum 9 und 10 auf der einen Seite und 11 und 12 auf der anderen verlief.
Und da war die Tür. Sie war wie alle Frachtraumtüren mit einem Codeschloss gesichert. Yora nahm ihr Datenpad und scrollte durch die Zugangscodes der Räume, die Captain Chen sie hatte einrichten lassen. Der Zugangscode war ebenso wenig verzeichnet wie das Separee selbst. Was kein Hindernis darstellte, denn als Sicherheitschefin der MARU TAI besaß Yora Spezialcodes, die ihr überall Zugang verschafften. Doch als sie den Generalcode eingab, blieb die Tür geschlossen. Sie versuchte einen anderen Code mit demselben Ergebnis. Sie gab der Reihe nach alle Override-Codes ein, aber die Tür rührte sich nicht.
Sie aktivierte ihr Sprechgerät. »Lieutenant Davidoff an Captain Chen.«
»Ja?«, kam fast augenblicklich die knappe Antwort.
»Ma’am, ich befinde mich im Gang zwischen den Frachträumen neun und elf. Zwischen den Räumen elf und zwölf