Essentielle Werke des Heiligen Athanasius, Band 1. Athanasius der Große
Читать онлайн книгу.Befehl mich sträubte, noch irgend ein Anderer.
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Alle verlangten, es solle das Schreiben Deiner Gottesfurcht vorgezeigt werden. Denn das Wort des Kaisers allein hat wohl die gleiche Kraft wie seine Schrift, zumal wenn der, welcher es überbringt, Zuversicht hat und den Auftrag niederschreibt. Da sie aber weder bestimmt sagten, daß ein Auftrag vorhanden sei, noch ihre Forderung mir schriftlich zustellten, sondern in Allem wie aus eigenem Anrieb handelten, so schöpfte ich, ich gestehe es und sage es offen heraus, gegen sie Verdacht. Denn es waren viele Arianer in ihrer Gesellschaft, aßen mit ihnen gemeinsam und beriethen sich mit ihnen. Und sie handelten in keiner Sache offenherzig, sondern gingen damit um, wie sie mir Nachstellungen und Fallstricke bereiten könnten. Auch thaten sie Nichts wie im Auftrage des Kaisers, und sie verriethen selbst, daß sie von den Feinden sich bestimmen ließen. Das bewog mich um so mehr, von ihnen ein schriftliches Document zu verlangen, da ich wegen ihrer Unternehmungen und Pläne gegen sie Verdacht schöpfte. Zudem geziemte es sich nicht, daß ich, der ich mit einem so werthvollen Schreiben angekommen war, ohne ein Schreiben die Kirche verließ. Auf die Zusage des Syrianus hin kamen Alle in den Kirchen freudig und unbesorgt zusammen. Aber dreiundzwanzig Tage nach seiner Zusage dringt er mit Soldaten in die Kirche. Wir beteten wie gewöhnlich, das haben die gesehen, welche eindrangen, da wir die Vigilie für die bevorstehende Versammlung feierten. Es geschah aber in dieser Nacht, was die Arianer wollten und, bevor es eintrat, vorhergesagt hatten. Denn in ihrer Begleitung kam der Feldherr, und sie selbst waren die Lenker und Rathgeber bei diesem Überfall. Und das ist nicht unglaublich, gottesfürchtiger Kaiser! Denn es war kein Geheimniß, sondern ist überall verbreitet worden. Als ich nun den Überfall sah, ermahnte ich zuerst das Volk, sich zu entfernen, und entfernte mich dann nach ihnen auch selbst, indem Gott mich ihren Blicken entzog und führte. Auch das haben die gesehen, welche damals bei mir waren. Und von da an blieb ich allein, indem ich vorzugsweise bei Gott, dann aber auch bei Deiner Frömmigkeit mich zuversichtlich zu rechtfertigen hoffe, weil ich nicht das Volk im Stiche ließ und die Flucht ergriff, sondern der Überfall des Feldherrn mir Zeugniß gibt, daß ich vertrieben wurde, was Alle sehr befremdete. Denn er hätte entweder keine Zusage geben oder, wenn er sie gegeben hatte, dieselbe halten sollen.
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Warum also faßten sie diesen Beschluß, oder warum unternahmen sie es, mit Hinterlist uns nachzustellen, da sie ja auch hätten befehlen und den Befehl schriftlich übergeben können ? Denn der Befehl des Kaisers flößt großes Zutrauen ein. Aber der Umstand, daß sie es geheim halten wollten, verstärkte den Verdacht, daß sie keinen Auftrag hatten. Wie war mein Begehren auch ungeziemend, wahrheitsliebender Kaiser? Wie sollte man nicht zugeben, daß eine solche Forderung von Seite eines Bischofs gerechtfertigt sei? Du weißt aus der Lesung der Schrift, welch große Verantwortung es für einen Bischof sei, die Kirche zu verlassen und sich um die Herde Gottes nicht zu kümmern. Denn die Abwesenheit der Hirten verschafft den Wölfen eine Gelegenheit, die Heerde zu überfallen. Darnach strebten eben die Arianer und alle übrigen Häretiker, daß es durch unsere Entfernung ihnen möglich würde, das Volk zur Gottlosigkeit zu verführen. Wenn ich also geflohen wäre, welche Rechtfertigung fände ich bei den wahren Bischöfen, und welche erst bei dem, der mir die Heerde anvertraut hat? Das ist aber der, welcher die ganze Erde richtet, der wahre König aller Dinge, unser Herr Jesus Christus. Wie hätte man nicht mit Fug und Recht die Vernachlässigung des Volkes mir zur Last gelegt? Hätte mich nicht Deine Gottesfurcht mit Recht tadeln und sagen können: Warum bist Du, da Du mit einem Schreiben angekommen warst, ohne Schreiben fortgegangen und hast das Volk verlassen? Hätte nicht auch das Volk selbst am Tage des Gerichtes mit Recht seine Vernachlässigung mir zur Last gelegt und gesagt: Unser Bischof hat uns verlassen, und wir waren vernachlässigt, da Niemand war, der uns ermahnte? Wenn sie das gesagt hätten, was hätte ich erwidern können? Diesen Tadel sprach ja Ezechiel auch gegen die Hirten im Alterthum aus.40 Auch der selige Apostel Paulus ermahnte uns alle, da er Dieß erkannte, in seinem Jünger: „Vernachlässige nicht die Gnade in Dir, welche Dir gegeben wurde bei der Handauflegung der Ältesten.“41 Da auch ich das fürchtete, so wollte ich nicht fliehen, sondern einen Auftrag erhalten, wenn es der Wille Deiner Gottesfurcht war. Aber ich erhielt nicht nur nicht, was ich mit Recht forderte, sondern wurde auch jetzt noch ohne Grund bei Dir angeklagt. Denn ich widersetzte mich weder dem Befehle Deiner Gottesfurcht, noch werde ich jetzt nach Alexandria zurückzukehren versuchen, bevor Deine Menschenfreundlichkeit das will. Und das erkläre ich im Voraus, damit die Ränkeschmiede nicht auch darin eine Gelegenheit finden, uns zu verleumden.
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Da ich Dieß in Erwägung zog, konnte ich mich nicht für schuldig halten, sondern indem ich Dieß zu meiner Rechtfertigung hatte, eilte ich zu Deiner Gottesfurcht, indem ich Deine Menschenfreundlichkeit kannte und Deine zuverlässigen Versprechungen im Gedächtniß hatte, vertrauend, daß, wie in den göttlichen Sprüchwörtern geschrieben steht, bei einem menschenfreundlichen Könige die gerechte Sache angenehm ist.42 Als ich mich aber bereits auf den Weg gemacht und die Einsamkeit verlassen hatte, kam mir plötzlich eine Nachricht zu Ohren, die mir Anfangs unglaublich vorkam, später aber sich als wahr erwies. Es ging nämlich überall das Gerücht, daß Liberius, der Bischof von Rom, der von Spanien, der große Hosius, Paulinus von Gallien, Dionysius und Eusebius von Italien, Lucifer von Sardinien und einige andere Bischöfe, Priester und Diakonen verbannt worden seien, weil sie sich nicht hatten entschließen können, gegen uns zu unterschreiben. Und während diese verbannt wurden, hätten Vincentius von Capua, Fortunatianus von Aquileja, Eremius von Thessalonich und alle Bischöfe des Abendlandes nicht gewöhnliche Gewalt, sondern ausserordentlichen Zwang und schreckliche Unbilden erduldet, bis sie sich bereit erklärten, mit uns nicht in Gemeinschaft stehen zu wollen. Als mich das in Staunen und Verlegenheit versetzte, sieh, da kam mir wieder eine weitere Nachricht zu Ohren über die Vorgänge in Ägypten und Libyen, daß die Bischöfe, nahezu neunzig an der Zahl, verfolgt und die Kirchen den Anhängern des Arius übergeben worden seien. Darunter hätte man sechzehn verbannt, von den übrigen die einen zur Flucht veranlaßt, die andern zur Verstellung genöthigt. Denn es hieß, dort habe die Verfolgung so heftig gewüthet, daß, als die Brüder am Osterfeste und an den Tagen des Herrn an einem einsamen Orte in der Nähe des Gottesackers beteten, der Feldherr mit einer Schaar Soldaten von mehr als dreitausend Mann, die mit bloßen Schwertern und Geschoßen bewaffnet waren, auf die Christen eindrang und dann Alles geschah, was in Folge eines solchen Angriffs auf Frauen und Kinder geschehen kann, deren Verbrechen in nichts Anderm bestand, als daß sie zu Gott beteten. Es ist vielleicht jetzt unpassend, es nur zu erzählen, damit nicht die bloße Erinnerung Alle zu Thränen rühre. Denn so groß war die Grausamkeit, daß man Jungfrauen entblößte, die Leiber derer, die an den Wunden gestorben waren, nicht sogleich beerdigte, sondern den Hunden hinwarf, bis die Verwandten unter großer Gefahr die Leichname der Ihrigen heimlich wegnahmen und dabei in großer Angst schwebten, es möchte sie Jemand bemerken.
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Was aber außerdem noch geschah, wird vielleicht für unglaublich gehalten werden und durch die grenzenlose Schändlichkeit Alle mit Staunen erfüllen. Gleichwohl muß es gesagt werden, damit Deine aus Liebe zu Christus entspringende Fürsorge und Gottesfurcht erfahre, daß die gegen uns geschleuderten Anschuldigungen und Verleumdungen nichts Anderes bezweckten, als uns aus den Kirchen zu verdrängen und die eigene Gottlosigkeit dafür in dieselben versetzen zu können. Denn da die wahren hochbejahrten Bischöfe theils verbannt, theils vertrieben sind, werden nunmehr Heiden, Katechumenen, hohe Rathsherren und durch Reichthum angesehene Männer von den Arianern statt der Christen beauftragt, den frommen Glauben zu predigen. Und nicht mehr untersuchte man nach der Mahnung des Apostels, ob Einer untadelhaft sei,43 sondern nach dem Verfahren des gottlosen Jeroboam wurde zum Bischof ernannt, wer das meiste Geld zahlte.44 Und es lag ihnen Nichts daran, wenn Einer selbst Heide war, wenn er nur Geld bot. Und es wurden die von Alexander geweihten Bischöfe, welche Mönche und Asceten waren, verbannt. Sie aber, die gewandten Verleumder, vernichteten, so weit es von ihnen abhing, die apostolische Ordnung und befleckten die Kirchen. Und ihre Ränke brachten viel zu Stande, daß es ihnen möglich ist, die Gesetze zu übertreten und in Deiner Zeit solche Thaten zu vollbringen, daß auf sie die Worte der Schrift sich zu