Der behauste Mensch. Kurt E. Becker

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Der behauste Mensch - Kurt E. Becker


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sah er im italienischen Faschismus ein Heilmittel in einem gefährdeten Europa.

      Mit der physischen Welt

       in gutem Vernehmen

      Im Gespräch mit Friedrich Schiller

      Herr Professor, Sie sollen beim Bau Ihres Gartenhauses in Jena selbst Hand angelegt haben, waren also Baumeister in eigener Sache, Ihres eigenen umbauten Raums. Lassen Sie uns aber heute nicht über Ihre praktischen Erfahrungen beim Bauen miteinander sprechen, sondern einen großen Blick tun auf die Natur, von der wir heute ­wissen, dass sie durch Gebäudeemissionen Schaden nimmt und ­dadurch eine wesentliche Ursache des Klimawandels forciert. Sind die menschlichen Hervorbringungen Feinde der Natur oder können wir durch unsere Einsicht in die Naturgesetze einen Ausgleich bewirken?

      Schiller: Eben der Umstand, dass die Natur im Großen angesehen, aller Regeln, die wir durch unseren Verstand ihr vorschreiben, spottet, dass sie auf ihrem eigenwilligen freien Gang die Schöpfungen der Weisheit und des Zufalls mit gleicher Achtlosigkeit in den Staub tritt, dass sie das Wichtige wie das Geringe, das Edle wie das Gemeine in einem Untergang mit sich fortreißt, dass sie hier eine Ameisenwelt erhält, dort ihr herrlichstes Geschöpf, den Menschen, in ihre Riesenarme fasst und zerschmettert, dass sie ihre mühsamsten Erwerbungen oft in einer leichtsinnigen Stunde verschwendet und an einem Werk der Torheit oft jahrhundertelang baut – mit einem Wort – dieser Abfall der Natur im Großen von den Erkenntnisregeln, denen sie in ihren einzelnen Erscheinungen sich unterwirft, macht die absolute Unmöglichkeit sichtbar, durch Naturgesetze die Natur selbst zu erklären und von ihrem Reiche gelten zu lassen, was in ihrem Reiche gilt, und das Gemüt wird also unwiderstehlich aus der Welt der Erscheinungen heraus in die Ideenwelt, aus dem Bedingten ins Unbedingte getrieben.

      Unser Verhältnis zur Macht der Natur ist von Furcht geprägt?

      Schiller: Noch viel weiter als die sinnlich unendliche führt uns die furchtbare und zerstörende Natur, solange wir nämlich bloß freie Betrachter derselben bleiben. Der sinnliche Mensch freilich und die Sinnlichkeit in dem Vernünftigen fürchten nichts so sehr, als mit dieser Macht zu zerfallen, die über Wohlsein und Existenz zu gebieten hat.

      Sehen Sie einen Ausweg aus diesem natürlichen / kultürlichen Dilemma?

      Schiller: Das höchste Ideal, wonach wir ringen, ist, mit der physischen Welt, als der Bewahrerin unserer Glückseligkeit, in gutem Vernehmen zu bleiben, ohne darum genötigt zu sein, mit der moralischen zu brechen, die unsere Würde bestimmt. Nun geht es aber bekanntermaßen nicht immer an, beiden Herren zu dienen, und wenn auch … die Pflicht mit dem Bedürfnisse nie in Streit geraten sollte, so geht doch die Naturnotwendigkeit keinen Vertrag mit dem Menschen ein, und weder seine Kraft noch seine Geschicklichkeit kann ihn gegen die Tücke der Verhängnisse sicherstellen. Wohl ihm also, wenn er gelernt hat zu ertragen, was er nicht ändern kann, und preiszugeben mit Würde, was er nicht retten kann!

      Ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

      Johann Christoph Friedrich Schiller, ab 1802 von Schiller, geboren am 10. November 1759 in Marbach am Neckar, gestorben am 9. Mai 1805 in Weimar, war Arzt, Dichter, Philosoph und Historiker und lehrte in Jena Geschichte. Er gilt als einer der bedeutendsten deutschen Dramatiker, Lyriker und Essayisten. Philosophisch stand er unter dem Einfluss Immanuel Kants; von ihm auch inspiriert, aber mit spezifisch eigenen Akzenten versehen war sein Natur- und Schönheitsbegriff.

      Weltgeschichte ist die Geschichte der Stadtmenschen

      Im Gespräch mit Oswald Spengler

      Nicht nur in puncto Ihrer zyklischen Geschichtstheorie haben Sie eine besondere Sicht auf die Weltgeschichte, Herr Spengler.

      Spengler: Es ist eine ganz entscheidende und in ihrer vollen Bedeutung nie gewürdigte Tatsache, dass alle großen Kulturen Stadtkulturen sind. Der höhere Mensch … ist ein städtebauendes Tier. Dies ist das eigentliche Kriterium der »Weltgeschichte«, das sie von der Menschengeschichte überhaupt aufs Schärfste abhebt – Weltgeschichte ist die Geschichte des Stadtmenschen … Daraus folgt aber, und das ist wesentlicher als alles andere: Alle politische, alle Wirtschaftsgeschichte kann nur begriffen werden, wenn man die vom Lande sich mehr und mehr absondernde und das Land zuletzt völlig entwertende Stadt als das Gebilde erkennt, welches den Gang und Sinn der höheren Geschichte überhaupt bestimmt.

      Eine Entwicklung, die Sie freilich höchst kritisch sehen.

      Spengler: Mit der Zivilisation tritt das Klimakterium ein. Die uralten Wurzeln des Daseins sind verdorrt in den Steinmauern ihrer Städte. Der freie Geist – ein verhängnisvolles Wort! – erscheint wie eine Flamme, die prachtvoll aufsteigt und jäh in der Luft verlodert … Und zuletzt beginnt die riesenhafte Weltstadt, die Stadt als Welt, neben der es keine andere geben soll, die Vernichtungsarbeit am Landschaftsbilde …

      Nicht von ungefähr sprechen Sie von der »Todessymbolik« der Stadt.

      Spengler: Der Steinkoloss »Weltstadt« steht am Ende des Lebenslaufes einer jeden großen Kultur. Der vom Lande seelisch gestaltete Kulturmensch wird von seiner eigenen Schöpfung, der Stadt, in Besitz genommen, besessen, zu ihrem Geschöpf, ihrem ausführenden Organ, endlich zu ihrem Opfer gemacht. Diese steinerne Masse ist die absolute Stadt. Ihr Bild, wie es sich mit seiner großartigen Schönheit in die Lichtwelt des menschlichen Auges zeichnet, enthält die ganze erhabene Todessymbolik des endgültig »Gewordenen«. Der durchseelte Stein gotischer Bauten ist im Verlauf einer tausendjährigen Stilgeschichte endlich zum entseelten Material dieser dämonischen Steinwüste geworden.

      Allerdings, und da ist Ihre geradezu prophetische Weitsicht bemerkenswert, sahen Sie schon zu Ihrer Zeit die Entwicklung der Stadt noch nicht an ihrem Ende angelangt.

      Spengler: Die Weltstädte der westeuropäisch-amerikanischen Zivilisation haben noch bei Weitem nicht den Gipfel ihrer Entwicklung erlangt. Ich sehe – lange nach 2000 – Stadtanlagen für zehn bis zwanzig Millionen Menschen, die sich über weite Landschaften verteilen, mit Bauten, gegen welche die größten der Gegenwart zwerghaft wirken, und Verkehrsgedanken, die uns heute als Wahnsinn erscheinen würden.

      Herr Spengler, ich danke Ihnen für das Gespräch.

      Oswald Spengler, geboren am 29. Mai 1880 in Blankenburg im Harz, gestorben am 8. Mai 1936 in München, war ein deutscher Geschichtsphilosoph, Privatgelehrter und Schriftsteller, der in seinem Hauptwerk »Der Untergang des Abendlandes« eine zyklische Geschichtstheorie entwickelte als Gegensatz zur vorherrschenden linearen Geschichtsschreibung.

      Zusammenhängenden Wohnsitzen abhold

      Im Gespräch mit Tacitus

      Ihre Beschreibung meiner Vorfahren, Herr Tacitus, ist berühmt, berüchtigt, eindrucksvoll und tendenziös. Eine generelle Charakteristik der Germanen vielleicht vorab?!

      Tacitus: Die Germanen möchte ich für die ureingeborenen Bewohner dieses Landes halten, für ein Volk, das sich wohl kaum mit später zugezogenen Fremdenrassen versippt hat … Daher auch ein und derselbe Körperschlag durch diese ganze, doch so zahlreiche Menschenmasse: das blaue, trotzige Auge, das rotblonde Haar, der gewaltige Wuchs. Eine Kraft allerdings nur zum stürmenden Angriff geschaffen; der anhaltenden Anstrengung, der Arbeit ist sie nicht in gleichem Maße gewachsen.

      Ein Wort zum Land und was die Germanen daraus machen?

      Tacitus: Das Land bietet im Einzelnen verschiedene Gestaltungen, aber der allgemeine Charakter ist schauriger Urwald und düsterer Moorgrund … Der Boden ziemlich ergiebig. Obstbäume gedeihen nicht. Das Land ist reich an Vieh, dieses aber meist von kleinem Schlag. Selbst dem Hornvieh fehlt das gewohnte stattliche Wesen und der Stolz des Hauptes. Eine zahlreiche Herde – das ist die Freude des Germanen, das Vieh sein einziger und geliebtester Reichtum.

      Was wissen wir denn über die »behausten« Germanen zu Ihrer Zeit?

      Tacitus: Dass die Völker germanischen Stammes keine Städte haben, ja, überhaupt zusammenhängenden Wohnsitzen abhold


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