Gestohlene Identität - Roland Benito-Krimi 5. Inger Gammelgaard Madsen

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Gestohlene Identität - Roland Benito-Krimi 5 - Inger Gammelgaard Madsen


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zurücklaufen, aber Thor hat mich überredet, mit ihm nach Hause zu fahren. Danach erfuhren wir, dass Sara William getötet hatte – den süßen kleinen William – und versucht hatte, sich das Leben zu nehmen …« Plötzlich schnipste sie mit den Fingern, als ob ihr eine Idee käme. »Doch, ich habe sie übrigens im Krankenhaus besucht, als sie nach dem Selbstmordversuch dort eingewiesen worden war. Aber sie hatte Beruhigungsmittel bekommen und war nicht ansprechbar. Sie murmelte bloß die ganze Zeit etwas, das ich nicht verstand. Anfangs dachten alle, es wäre plötzlicher Kindstod gewesen und sie tat allen furchtbar leid. Beide, natürlich.«

      »Aber dann haben Sie sie nicht mehr besucht?«

      »Ich fand, das würde nicht wirklich etwas bringen. Die Beweise waren so überwältigend, dass sie sie nicht leugnen konnte. Stellen Sie sich vor, sein eigenes Kind zu töten. Armer Kasper …«

      »War Ihr Sohn mit auf der Hochzeit?«

      »Sune? Nein, der hatte keine Lust. Er kennt weder Sara noch Kasper besonders gut. Warum?«

      Isabella zuckte als Antwort nur mit den Schultern.

      »Sara wurde im Garten gefunden. Aber fand dort nicht die Hochzeit statt? Wieso hat niemand bemerkt, was sie vorhatte?«

      »Es gibt einen großen Garten vor dem Haus, wo die Hochzeit gefeiert wurde, und einen kleineren dahinter. Da hat Sara ihren Kräutergarten und so was. Dort haben sie sie gefunden.«

      »Die Babysitterin hat den Sohn gefunden, richtig?«

      Freja zuckte die Schultern.

      »Haben Sie sie getroffen?«

      »Die Babysitterin? Nein, ich habe sie natürlich gesehen, aber nicht mit ihr gesprochen. Tatsächlich glaube ich, dass sie an dem Tag gar nicht da war. William hat viel geweint, daran erinnere ich mich, und Sara ist die ganze Zeit zu ihm hoch ins Kinderzimmer gelaufen. Vielleicht hatte sie am Ende genug. Sie war nicht sie selbst und hatte ein bisschen was getrunken.«

      »Sie wissen also überhaupt nicht, wo sie sich aufhalten könnte?«, fragte Isabella.

      »Nein. Man kann ja richtig nervös werden, wenn sie frei herumläuft. Sie hat sich plötzlich so sehr verändert … als ob sie ihre Identität gewechselt hätte. Ob sie wohl gefährlich ist?«

      »Sie hat eine Krankenschwester getötet.«

      Roland sah wütend zu Isabella, es war bald genauso anstrengend, sie dabei zu haben wie ihren Freund; Mikkel Jensen fiel es auch oft schwer, sich in seinen Äußerungen zurückzuhalten.

      Freja hörte auf zu kauen. »Sie hat eine Krankenschwester …« Ihre Augen wurden groß vor Entsetzen, und sie brachte das letzte Wort nicht raus, als die Stimme versagte.

      »Haben Sie eine Garage, ein Nebengebäude – einen Pavillon vielleicht?«

      »Wir haben eine Garage, aber dann hätte Thor sie entdeckt, als er heute Morgen gefahren ist, wenn Sie das meinen. Und niemand ist über den Kies im Garten gelaufen, das hätten wir gesehen.«

      »Ja. Haben Sie Gärtner?« Rolands Blick wanderte automatisch zu dem riesigen Fenster und dem Garten. Es war, als ob man darin stünde, es war bloß Glas dazwischen.

      »Nein, das macht Thor. Er liebt das. Jedenfalls Büsche und Gras. Ich kümmere mich um die Blumen.«

      »Was ist mit einem Boot? Haben Sie ein Bootshaus oder so etwas?«

      »Nein. Wir haben kein Boot.« Freja sah ihn verwirrt an.

      »Dürfen wir uns umsehen, bevor wir gehen?«, fragte Isabella.

      Freja richtete einen feindlichen Blick auf sie, wie eine Sprengstoffrakete, die ihr Ziel anvisiert. Sie kaute wieder wütend und unbeherrscht.

      »Sie glauben doch wohl nicht, dass ich einer Mörderin auf der Flucht helfe und sie verstecke? Übrigens waren wir keine Freundinnen mehr. Falls Sie hier irgendetwas sehen wollen, müssen Sie einen Durchseh… Durchsu…« Sie suchte nach dem Wort. »Durchsuchungsbeschluss haben.«

      Das würde zum jetzigen Zeitpunkt schwierig werden.

      7

      »Nein, ich weiß nicht, wer hier wohnt, aber sie sind beide da reingegangen, also muss es etwas mit der Gefangenen zu tun haben, die geflohen ist.«

      Anne verdrehte die Augen über Nicolajs Antwort am Handy, das sie zwischen Schulter und Kinn festgeklemmt hatte, während sie Notizen auf einem Block machte. Sune, Freja & Thor Dal Poulsen, notierte sie die Aufschrift auf dem Briefkasten, der vorschriftsmäßig dicht am öffentlichen Weg platziert war, sodass der Postbote sich nicht besonders viel bewegen musste. Sie hatte direkt davor geparkt.

      »Nein, natürlich habe ich die Kampfhundsache nicht vergessen«, erwiderte sie wieder gereizt. »Ich bevorzuge es übrigens, sie Muskelhunde zu nennen, und ich kümmere mich später darum, aber hier ist gerade etwas Spannendes im Gange. Hast du keine Nachrichten gehört?«

      Nun lächelte sie über seine Antwort. Alle Hunde haben Muskeln, aber nicht alle haben Kampfgene, deswegen solle sie sie in dem Artikel Kampf- und nicht Muskelhunde nennen. Und ja, er hatte von der Suche gehört und natürlich sei da was im Busch, wenn Roland Benito darin verwickelt war. Aber, fügte er hinzu und brachte ihr Lächeln damit zum Verschwinden, nun sei das ja nicht das erste Mal, dass Patienten aus Risskov geflohen wären.

      »Nein, aber keiner hat vorher gemordet, um die Freiheit zu erlangen. Das klingt ziemlich verzweifelt.«

      »Ziemlich geisteskrank, meinst du. Aber das ist wohl ganz natürlich, wenn man sich die Adresse anguckt. Schließ jetzt die Sache mit dem Züchter ab, bevor er misstrauisch wird und uns entwischt. Ich bohre solange ein bisschen bei dem anderen nach.«

      Anne legte mit einer Grimasse in Richtung Handy auf und startete das Auto. Nicolaj wurde langsam genauso nervtötend, wie es Redakteur Thygesen beim Tageblatt gewesen war.

      Der Auftrag, auf den Nicolaj sie angesetzt hatte, wurde schwierig. Sie hatte nie selbst einen Hund gehabt. Überhaupt ein Haustier. Hatte genug von Tieren gehabt, nachdem sie als Kind bei ihren Großeltern auf dem Land in Nordseeland gewohnt hatte. Sogenannte Sommerferien, die sie am liebsten vergessen würde. Selbst die Landschaft, durch die der gelbe Lada jetzt fuhr, rief unangenehme Erinnerungen hervor. Sie hasste es, auf dem Land zu sein. Der Elmoseweg war lang, aber sie fand den abrisswürdigen alten Hof trotzdem ziemlich schnell. Er lag umgeben von Bäumen abseits der Straße am Ende eines schmalen und löcherigen zweispurigen Erdwegs. Von einem Traktor eingefahren, schätzte sie. Schlammiges Wasser von Pfützen nach dem letzten Regenschauer spritzte die Scheiben des Autos hoch.

      Auf dem Hof stand ein großer Hundezwinger mit Stacheldrahtzaun. Er war leer. Ein weißer Kombi mit den charakteristischen braunen Rostflecken alter, weißer Autos hielt merkwürdig geparkt mitten in dem Ganzen. Anne klopfte an die Tür des Hundezüchters, der sofort aufmachte. Sie hatte nicht gesagt, dass sie Journalistin war, sondern behauptet, einen süßen kleinen Welpen, einen American Staffordshire Terrier, im Internet gesehen zu haben, den sie gerne kaufen würde. Kazir Al-Ansari Jakobsen ließ sie hereinkommen, nachdem er sie an der Tür von oben bis unten gemustert hatte. Er trug eine Camouflagehose im Army-Stil und ein weißes Unterhemd, sodass sie nicht umhinkam, die Tätowierungen auf den muskulösen Oberarmen zu sehen. Überhaupt nicht, wie sie Bewohner dieser Bruchbude erwartet hatte. Ein alter Opa mit Pfeife in Pantoffeln und Schlafrock würde besser passen. Aber der hätte sicher einen gewöhnlichen Hofhund besessen. Der hier war genau der Typ, der sich einen Kampfhund als Haustier aussucht. Genau wie die Medien sie darstellten. Sie war sich ihres Einflusses – dem der Journalisten – auf diese Art von Vorurteilen sehr bewusst, aber hier war die Bestätigung davon. Vielleicht sahen die einfach so aus. Im Aschenbecher auf dem Küchentisch lag eine Zigarette und qualmte vor sich hin. Der Flechtkorb mit den Welpen stand in der Ecke, und plötzlich war der Auftrag gar nicht so schwer. Sie hockte sich daneben und hob einen der Welpen hoch. Er war schwarzgescheckt und der Einzige von ihnen, der nicht schlief, sondern zu ihr hochschaute.

      »Wie süß die einfach sind. Wie alt sind sie?«

      »Acht Wochen. Wie sie es sein sollen,


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